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Möglichkeiten vertraglicher und nachvertraglicher Wettbewerbsverbote

Die amerikanische Bundeskartellbehörde (Federal Trade Commission (FTC)) forderte kürzlich ein Verbot von nachvertraglichen Wettbewerbsverboten („WBV“). Hintergrund war, dass die FTC als Teil der politischen Agenda der Biden-Regierung beauftragt wurde, Auswirkungen und mögliche Änderungen nachvertraglicher WBV in Arbeitsverhältnissen zu untersuchen. Daraufhin schlug die FTC eine gesetzliche Neuregelung vor, wonach der Abschluss von neuen und die Durchsetzung von bestehenden WBV für Arbeitnehmer1  und Unternehmer gänzlich verboten sein soll. Vor diesem Hintergrund sollen in diesem Beitrag die in Deutschland bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten vertraglicher und nachvertraglicher WBV näher beleuchtet werden. 

Bedeutung nachvertraglicher WBV in Deutschland

Nach dem Bericht der FTC hat in den USA schätzungsweise jeder fünfte Arbeitnehmer eine Regelung zu einem nachvertragliches WBV. Durch die Beendigung dieser Praxis würden, so die FTC, die Löhne schätzungsweise um fast 300 Milliarden US-Dollar erhöht und neue Karrieremöglichkeiten für etwa 30 Millionen Amerikaner geschaffen. Diese Zahlen sind allerdings auf Deutschland nicht übertragbar. Zum einen wurden in den USA in den letzten Jahren WBV überaus häufig vereinbart und gerade nicht auf besondere Know-How-Träger oder Schlüsselkräfte begrenzt. Aufsehen erregte insoweit insbesondere der Fall eines Sicherheitsdienstmitarbeiters, der den Mindestlohn erhielt, im Fall der Beschäftigung bei einer anderen Sicherheitsfirma aber eine Vertragsstrafe von 100.000 US-Dollar zahlen sollte. Zum anderen ist in den USA die Zahlung einer Karenzentschädigung nicht gesetzlich vorgesehen, wodurch sich die Höhe der prognostizierten Lohnerhöhungen durch das Verbot erklärt.

WBV haben in Deutschland in den letzten Jahren insbesondere vor dem Hintergrund der Wandlung hin zu einem Bewerbermarkt an Bedeutung gewonnen. Unternehmen konkurrieren nicht mehr nur um Kunden, sondern auch um qualifizierte Mitarbeiter. Arbeitnehmer können zunehmend zwischen vielen Angeboten frei wählen. Dies erhöht die Gefahr der Abwanderung von Know-How-Trägern und Schlüsselkräften zur Konkurrenz. Die Folgen einer solchen Abwanderung lassen sich durch die Vereinbarung eines nachvertraglichen WBV zumindest adressieren.

Rechtslage in Deutschland

In Deutschland sind nachvertragliche WBV, die Arbeitnehmern den unmittelbaren Wechsel zu einem konkurrierenden Unternehmen verbieten, grundsätzlich wirksam und gerichtlich durchsetzbar, unterliegen aber klaren gesetzlichen Vorgaben. 

WBV während der Dauer des Arbeitsverhältnisses

Entgegen dem Wortlaut – der auf eine gesonderte Vereinbarung schließen lassen mag – unterliegen Arbeitnehmer auch ohne ausdrückliche individual- oder kollektivrechtliche Vereinbarung während des Bestands ihres Arbeitsverhältnisses einem umfassenden gesetzlichen WBV, §§ 60, 61 HGB (BAG v. 30. Mai 2018 – 10 AZR 780/16, NZA 2018, 1425). Danach ist es Arbeitnehmern während der Dauer des Arbeitsverhältnisses untersagt, im Geschäftsbereich ihres Arbeitgebers selbstständig oder für Dritte tätig zu werden.

Arbeitnehmer

Zwar gilt § 60 HGB ausdrücklich nur für Handlungsgehilfen. Nach ständiger Rechtsprechung (BAG v. 17. Oktober 2012 – 10 AZR 809/11, NZA 2013, 207 m.w.N.) gelten die §§ 60, 61 HGB aber auch für alle anderen Gruppen von Arbeitnehmern entsprechend. Hierdurch wird der allgemeine Rechtsgedanke der Treuepflicht aller Beschäftigten konkretisiert, der auch in § 241 Abs. 2 BGB seinen Ausdruck findet. 

Damit findet das gesetzliche WBV gleichermaßen auf alle Arbeitnehmer Anwendung, gleich ob voll- und teilzeitbeschäftigt, in Nebentätigkeit oder bei geringfügiger Beschäftigung sowie in Ausbildung.

Organe

§§ 60, 61 HGB finden auf Organe von Kapitalgesellschaften, Handelsvertreter und freie Mitarbeiter keine Anwendung. 

  • Für Vorstände einer Aktiengesellschaft ergibt sich ein WBV jedoch aus § 88 AktG. 

  • Für GmbH-Geschäftsführer fehlt eine solche Vorschrift. Das BAG (v. 12. Juni 1989 – II ZR 334/87) wendet die § 61 HGB und § 88 Abs. 2 AktG jedoch auf GmbH-Geschäftsführer entsprechend an.

  • Für andere Dienstleistungsgeber folgt das Wettbewerbsverbot während der Vertragslaufzeit zumeist aus der allgemeinen Interessenwahrungspflicht nach § 241 Abs. 2 BGB. 

Nachvertragliche WBV 

Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses unterliegen Arbeitnehmer mit Rücksicht auf die Berufsfreiheit grundsätzlich keiner Wettbewerbsbeschränkung mehr. Arbeitgeber und Arbeitnehmer können aber ein nachvertragliches WBV vereinbaren, das die berufliche Tätigkeit des Arbeitnehmers für die Zeit nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses beschränkt.

Arbeitnehmer

Gemäß § 110 GewO finden die Regelungen zum nachvertraglichen WBV in §§ 74 ff. HGB für alle Arbeitnehmer – auch für leitende Angestellte und Prokuristen – Anwendung. 

Voraussetzungen 

Voraussetzung für die wirksame Vereinbarung eines nachvertraglichen WBV ist jedoch die Einhaltung der Vorschriften der §§ 74 ff. HGB. 

Danach muss dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber eine schriftliche Urkunde über die vereinbarten Bestimmungen ausgehändigt und eine Karenzentschädigung in Höhe von mindestens der hälftigen zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistung für jedes Jahr des nachvertraglichen WBV gezahlt werden (vgl. zur Berechnung der Karenzentschädigung unseren Beitrag).

Ferner ist Voraussetzung, dass der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse am Schutz durch ein nachvertragliches WBV hat und das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers nicht unangemessen beeinträchtigt wird. 

Zudem darf das Wettbewerbsverbot nur für höchstens zwei Jahre vereinbart werden.

Folgen eines gegen die Vorschriften der §§ 74 ff. HGB verstoßenden Wettbewerbsverbots

Ein Verstoß gegen die Vorgaben aus §§ 74 ff. HGB führt nicht automatisch zur Nichtigkeit des nachvertraglichen WBV, dieses kann zum Teil lediglich unverbindlich oder geltungserhaltend zu reduzieren sein. 

  • Die Verletzung der Schriftform führt zur Nichtigkeit des WBV (§ 125 Abs. 1 BGB). Keine Partei wäre an ein nicht-schriftliches nachvertragliches WBV gebunden. Wird hingegen lediglich die schriftliche Urkunde dem Arbeitnehmer nicht ausgehändigt, ist das WBV nicht nichtig, sondern lediglich unverbindlich.

  • Wird keine Karenzentschädigung vereinbart, ist das nachvertragliche WBV nichtig, ist sie lediglich zu niedrig, ist es nur unverbindlich. 

  • Besteht nur an einem Teil des WBV ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers oder erschweren Teile des WBV das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers unangemessen, ist das WBV auf den gesetzlich zugelassenen Umfang zu reduzieren. In diesem Umfang bleibt der Arbeitnehmer zur Einhaltung des WBV verpflichtet. Den überschießenden Teil muss der Arbeitnehmer hingegen nicht einhalten. Der Arbeitgeber bleibt seinerseits vollumfänglich zur Zahlung der vereinbarten Karenzentschädigung verpflichtet. 

  • Wird ein nachvertragliches WBV für länger als zwei Jahre vereinbart, ist es für die ersten zwei Jahre für beide Parteien verbindlich. Ab diesem Zeitpunkt, d.h. ab dem dritten Jahr ist es unverbindlich. 

Soweit ein nachvertragliches WBV unverbindlich ist, besteht für den Arbeitnehmer insoweit ein Wahlrecht: Er kann sich an das (fehlerhafte) WBV gegen Zahlung der vereinbarten Karenzentschädigung halten oder sich davon lösen. Der Arbeitnehmer muss sein Wahlrecht zu Beginn und für die gesamte Dauer des Verbotszeitraums ausüben (BAG v. 22. März 2017 – 10 AZR 448/15, NZA 2017, 846). Zur Ausübung des Wahlrechts ist keine ausdrückliche Erklärung des Arbeitnehmers erforderlich, maßgeblich ist sein tatsächliches Verhalten. Zur Schaffung von Rechtsklarheit können Arbeitgeber Arbeitnehmer jedoch zur Ausübung des Wahlrechts entsprechend § 264 Abs. 2 S. 1 BGB auffordern. 

Arbeitgebern hingegen steht ein Wahlrecht nicht zu; sie sind bei entsprechender Wahl des Arbeitnehmers uneingeschränkt an unverbindliche Wettbewerbsverbote gebunden.

Unterliegt die Klausel zum nachvertraglichen Wettbewerbsverbot zudem einer AGB-Kontrolle?

Eine Inhaltskontrolle vertraglich vereinbarter nachvertraglicher WBV kommt nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB nur insoweit in Betracht, als die vertragliche Vereinbarung von §§ 74 ff. HGB abweicht oder diese ergänzt. Eine nachvertragliches WBV gilt – gleichwohl ob separat oder innerhalb des Arbeitsvertrags geschlossen – als gegenseitiger Vertrag i.S.d. § 320 BGB (BAG v. 31. Januar 2018 – 10 AZR 392/17); die enthaltenen Regelungen zu gegenseitigen Pflichten sowie das Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung (Höhe der Karenzentschädigung) sind damit Hauptleistungspflichten und folglich kontrollfrei. Gleichwohl ist das Transparenzgebot zu beachten, § 307 Abs. 3 S. 2 BGB. Damit findet eine AGB-Kontrolle mit Ausnahme einer Inhaltskontrolle nach §§ 308 – 309 BGB statt. 

Für Arbeitgeber, die nachvertragliche WBV im Sinne von vorformulierten Klauseln verwenden, gilt es daher insbesondere das Verbot überraschender Klauseln nach § 305c Abs. 1 BGB sowie das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB zu beachten. 

  • Zwar sind WBV durchaus üblich und nicht per se überraschend. Sie dürfen aber gleichwohl nicht im Vertragstext „versteckt“ werden und sollten daher in einem gesonderten Paragraphen mit passender Überschrift ausgewiesen werden.

  • Ein nachvertragliches WBV entspricht dem Transparenzgebot, wenn der Umfang nach dem zeitlichen, örtlichen und inhaltlichen Geltungsbereich hinreichend konkretisiert ist. Dafür muss das WBV den Zeitraum und das Geltungsgebiet umgrenzen sowie definieren, mit welcher Art von Unternehmen der Arbeitgeber in Konkurrenz steht (Konkurrenzunternehmen und Konkurrenztätigkeit).

Im Falle eines Verstoßes gegen § 305c Abs. 1 BGB oder § 307 Abs. 1 S. 2 BGB scheidet grundsätzlich auch eine geltungserhaltende Reduktion aus, das nachvertragliche WBV wäre unwirksam.

Organe

Keine Geltung der §§ 74 ff. HGB

Nach der Rechtsprechung des BGH (v. 26. März 1984 – II ZR 229/83) finden die §§ 74 ff. HGB weder direkt noch entsprechend auf Organmitglieder von Kapitalgesellschaften Anwendung. Als Begründung führt der BGH aus, dass Organe weit mehr als Angestellte das Unternehmen repräsentieren und damit in viel stärkerem Maße die Gefahr begründet werden würde, dass das Unternehmen durch eine Konkurrenztätigkeit Schaden erleide. 

Fraglich ist jedoch, ob diese beinahe 40 Jahre alte Rechtsprechung vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EuGH, der etwa einen GmbH-Fremdgeschäftsführer unter den Arbeitnehmerbegriff subsumierte, aufrechterhalten werden kann. Auch nach der Rechtsprechung des BAG (v. 17. September 2014 – 10 AZB 43/14) können GmbH-Geschäftsführer in einem Arbeitsverhältnis stehen und somit Arbeitnehmer sein. Zwar haben weder die zitierte EuGH, noch die zitierte BAG-Entscheidung direkte Auswirkungen auf die Anwendbarkeit der §§ 74 ff. HGB auf Organe, es lässt sich daraus jedoch die Tendenz ableiten, dass zumindest GmbH-Fremdgeschäftsführer in jüngerer Zeit durch die Rechtsprechung als verstärkt schutzwürdig angesehen wurden. Es ist damit nicht gänzlich auszuschließen, dass dies zu einer Änderung der Rechtsprechung zur Anwendbarkeit der §§ 74 ff. HGB führen könnte. 

Voraussetzungen

Die Wirksamkeit eines nachvertraglichen WBV ist für Organe – jedenfalls nach dem aktuellen Stand der Rechtsprechung – lediglich am Maßstab des § 138 Abs. 1 BGB zu beurteilen. Die Wertungen der §§ 74 ff. HGB sind jedoch in dessen Rahmen zu berücksichtigen.

Konkret bedeutet dies:

  • Es besteht keine Pflicht zur Schriftform.

  • Es ist auch bei Organen ein berechtigtes Interesse des Unternehmens am WBV erforderlich. 

  • Das WBV muss zeitlich und inhaltlich dem Organ zumutbar sein. 

Hält sich ein nachvertragliches WBV mit einem Organ an die Vorgaben des §§ 74 ff. HGB, so ist es grundsätzlich als interessengerecht anzusehen. Bei Abweichungen zuungunsten des Organs, ist dann jeweils eine Einzelfallprüfung durchzuführen. 

Folgen der Nichtigkeit

Nach der Rechtsprechung des BGH (v. 29. Oktober 1990 – II ZR 241/89) kommt eine geltungserhaltende Reduktion eines zu weit gefassten WBV – anders als bei Arbeitnehmern – nur im Sinne einer Verkürzung auf das zeitlich zulässige Maß in Betracht. In allen andere Fällen ist das nachvertragliche WBV insgesamt nichtig. Andernfalls würde der mit § 138 BGB verfolgte Zweck, das Risiko der Sittenwidrigkeit und Nichtigkeit dem Begünstigten (hier: dem Unternehmen) zuzuweisen, verfehlt werden.  Die Nichtigkeit des WBV gem. § 138 BGB führt dazu, dass keine Partei aus der Vereinbarung Rechte ableiten kann: Das Unternehmen hat keinen Anspruch auf Wettbewerbsenthaltung, das Organ demgegenüber auch keinen Anspruch auf Zahlung einer vereinbarten Karenzentschädigung.

Ggf. geltungserhaltende Reduktion bei Verweis auf §§ 74 ff. HGB

In der Literatur (vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, § 24 Rn. 1070b) wird vertreten, dass eine geltungserhaltende Reduktion des nachvertraglichen WBV jedenfalls dann zulässig sein soll, wenn der Vertrag einen Verweis auf die §§ 74 ff. HGB (etwa: „ergänzend gelten die §§ 74 ff. HGB“) enthält. Es lässt sich insoweit argumentierten, dass es nicht sein kann, dass man mit einem Organmitglied etwas nicht vereinbaren darf, was bei Arbeitnehmern gesetzlich vorgeschrieben ist. Dies insbesondere, da der BGH betont, dass bei Organmitgliedern der Schutz der Gesellschaft im Zweifel Vorrang vor dem Sozialschutz des Organmitglieds habe. Höchstrichterlich entschieden ist diese Frage jedoch nicht. In jedem Fall ist Unternehmen anzuraten, zunächst die Abweichungen der §§ 74 ff. HGB im Vertrag mit dem Organ zu regeln und ergänzend auf diese Regelungen zu verweisen. Schädlich kann dieser Verweis bei einem entsprechenden Vorgehen jedenfalls nicht sein. 

Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt

Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt der Wirksamkeit eines nachvertraglichen WBV ist der Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Vertragsverhältnisses. 

Fazit

Die Vereinbarung von nachvertraglichen WBV mit Arbeitnehmern oder Organen kann ein geeignetes Instrument darstellen, berechtigte Interessen von Unternehmen zu wahren. Aufgrund der für Arbeitnehmer geltenden strengen Vorgaben der §§ 74 ff. HGB sind Arbeitgeber jedoch gehalten, die Vereinbarung genau zu prüfen und zu formulieren. Andernfalls droht die Nichtigkeit oder jedenfalls Unverbindlichkeit des WBV.  Da bei Organen zudem – abgesehen von der zeitlichen Überschreitung – grundsätzlich keine geltungserhaltende Reduktion eines zu weit gefassten nachvertraglichen WBV möglich ist, können Fehler des Unternehmens hier weitreichende Konsequenzen nach sich ziehen.

 

1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird durchgehend das generische Maskulinum verwendet; es werden jedoch ausdrücklich alle Geschlechtsidentitäten hiervon erfasst

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