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„Die Chemie stimmt“ - Startet das Sozialpartnermodell nun (endlich) durch?

Die Nachrichten zum neuen Sozialpartnermodell (SPM) der Tarifparteien der Chemieindustrie, deren Tarifrunde medienwirksam auch #Chemie22 genannt wird, überschlugen sich in bAV-Kreisen schon vor der erfolgsversprechenden Verkündung. Nun habe das erste „echte“ Sozialpartnermodell das Licht der Welt erblickt und öffne neue Türen für die bAV. Dass dies nicht so ganz stimmt und warum das bisher eher schleppend anlaufende SPM nun eine neue Chance bekommt, beleuchten wir in unserem Beitrag in dieser Woche, mit dem wir Sie in die Welt der bAV mitnehmen wollen. Lassen Sie sich neben den Chancen, auch über „Risiken und Nebenwirkungen“ aufklären und natürlich „Lust auf mehr“ machen.

Was ist das SPM und was macht es so besonders?

Das SPM hat mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz zum 1. Januar 2018 seinen Platz in der Welt der bAV erhalten und ermöglicht den Sozialpartnern (Arbeitgebern/Arbeitgeberverbänden einerseits und Gewerkschaften andererseits) gemeinsam völlig neue Wege zu gehen. Mittels eines Tarifvertrages kann von ihnen exklusiv die neue „reine Beitragszusage“ eröffnet werden. Die reine Beitragszusage (§ 1 Abs. 2 Nr. 2a BetrAVG) ist der Versuch des Gesetzgebers im Rahmen der bAV dem Arbeitgeber zu ermöglichen, dass dieser ausschließlich zur reinen Beitragszahlung verpflichtet wird und der umfangreiche gesetzliche Pflichtenkatalog drastisch reduziert wird (“pay and forget“).

Umgesetzt werden kann die reine Beitragszusage nach § 22 Abs. 1 S. 1 BetrAVG ausschließlich mittels versicherungsförmigen Durchführungsweges – Pensionsfond, Pensionskasse oder Direktversicherung. Folge der vollständigen Enthaftung des Arbeitgebers ist, dass nach dem Willen des Gesetzgebers die Zusageempfänger (Arbeitnehmer) ausschließlich gegenüber der Versorgungseinrichtung (§ 22 BetrAVG) Leistungsrechte geltend machen können. Für den Arbeitgeber entfallen damit in erheblichem Umfang Pflichten nach dem BetrAVG, wie seine Einstandspflicht (§§ 1 Abs. 1 S. 3, 1a Abs.  4 S.  2 BetrAVG) ebenso wie die Pflicht zur Aufrechterhaltung unverfallbarer Anwartschaften (§§ 1b, 2 BetrAVG), zur Portabilität (§ 4 BetrAVG), zur Auskunftserteilung (§ 4a BetrAVG), zur vorzeitigen Rentengewährung (§ 6 BetrAVG), zur Insolvenzsicherung (§§ 7 – 15 BetrAVG) und zur Rentenanpassung (§ 16 BetrAVG). Teilweise werden diese vom externen Träger übernommen oder entfallen sogar ganz.

Ein weiteres wesentliches Merkmal der reinen Beitragszusage ist das Garantieverbot (§ 22 Abs. 1 S. 2 BetrAVG. Der Gesetzgeber gibt hier die bisherige Linie der Mindestsicherung auf und ermöglicht den Gang ins Risiko. Ohne garantierte Leistung und ohne den subsidiär haftenden Arbeitgeber kommt der Verantwortung der Sozialpartner bei „Durchführung und Steuerung“ (§ 21 Abs. 1 BetrAVG) des SPM besondere Bedeutung zu. Hinter diesem Ansatz verbirgt sich die Hoffnung, gerade mit Blick auf die lange Niedrigzinsphase, das Leistungsniveau der bAV zu steigern, indem eine Zielrente angestrebt wird. Ohne die Pflicht zur Garantie können so höhere Investitionsrisiken eingegangen werden, die – jedenfalls auf lange Sicht – auch höhere Rendite versprechen. Als Ausgleich für dieses (vergleichsweise riskante) Modell hat der Gesetzgeber die Möglichkeit aufgegriffen, Sicherungsbeiträge des Arbeitgebers zu vereinbaren (§ 23 Abs. 1 BetrAVG), durch welche eine zusätzliche Absicherung der geleisteten Beiträge ermöglicht werden soll. Aufgrund der Formulierung als „Soll“-Vorschrift besteht aber keine Verpflichtung hierzu.

Im Ergebnis entfallen somit für den Arbeitgeber, nach Etablierung des SPM, viele rechtliche Hürden und Pflichten, die bisher einer weiten Verbreitung der bAV im Wege standen. Das Ziel des Gesetzgebers ist es, dass die nun für den Arbeitgeber bestehende vollständige Kosten- und Planungssicherheit – „pay and forget“ – die bAV deutlich attraktiver als bisher macht und die bAV damit vielen Arbeitnehmern eröffnet, die bisher keinen oder nur unzureichenden Zugang zu ihr hatten (vgl. BT-Drs. 18/11286, S. 29, 39 f.).

Ein weiterer, nicht unerheblicher Anreiz für Arbeitgeber dürfte sich auch auf anderer Ebene finden. Da die bisherigen Durchführungswege im Betriebsrentenrecht nach (internationaler) Rechnungslegung allesamt wegen der verbleibenden Subsidiärhaftung als „Defined Benefit Obligations“ – d.h. arbeitgebergarantiert – einzuordnen sind, besteht nun erstmals mittels eines SPM die Möglichkeit bAV durch „Defined Contribution Plans“ zu gestalten, wie sie in anderen Rechtsordnungen (beispielhaft das 401(k)-Modell in den USA) schon lange üblich sind. Da die bAV-Verbindlichkeiten aus Bewertungssicht vollständig der Versorgungseinrichtung zugewiesen sind, befindet sich diese nicht mehr in der Sphäre des Arbeitgebers. Dies hat aus bilanzrechtlicher Sicht – vereinfacht – zur Folge, dass durch die Risikotragung des Arbeitnehmers die Verpflichtung des Arbeitgebers auf die reine Beitragszahlung begrenzt ist und die Bilanz – im Gegensatz zu unmittelbaren Versorgungszusagen (Direktzusagen) – verkürzt wird. Der Arbeitgeber hat aus diesen Gründen auch im Verhältnis zu den bisherigen mittelbaren Versorgungszusagen bei der reinen Beitragszusage deutlich weniger „hartnäckige“ bAV-Verbindlichkeiten, die gerade im M&A-Umfeld hinderlich sein können.

Trotz des recht klaren Leitbilds des Gesetzes bleiben viele Fragen bisher dennoch unbeantwortet, etwa was unter der von den Sozialpartnern verantworteten „Durchführung und Steuerung“ zu verstehen ist? Besteht die Möglichkeit bereits bestehende Versorgungssysteme durch eine reine Beitragszusage abzulösen? Wie sehen die Aufklärungs- und Informationspflichten im Rahmen der reinen Beitragszusage aus? Welchen Anwendungsbereich hat die (§ 24 BetrAVG) vorgesehene Öffnungsmöglichkeit für nicht-tarifgebundene Arbeitnehmer?

Wie steht es nun aktuell um „das“ SPM?

Das SPM – (bisher) ein „Markt“ von Anbietern ohne Nachfrage?

Wenn das „#Chemie22“- SPM als erstes „echtes“ SPM gepriesen wird, ist dies nur teilweise richtig. Mit Blick auf die bisherigen Modelle ist diese Formulierung dennoch durchaus verständlich. So gab es zwar bereits Bemühungen zur Etablierung von SPMen, die aber im Wesentlichen auf Kooperationen zurückgehen, in denen künftige SPM-Anbieter den Markt betreten haben oder dies künftig planen. Ziel ist meist die Etablierung des SPM als Alternative in der bAV. So ist das SPM „Die Deutsche Betriebsrente“ zwischen den Kooperationspartnern Talanx und Zurich mit der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di zu nennen, das gerne als Leuchtturmprojekt bezeichnet wird. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Beitrags (Juli 2022) steht aufgrund von aufsichtsrechtlichen Fragen die Zulassung durch die BaFin noch aus. Auch ist das SPM „Das Rentenwerk“ der Kooperationspartner Barmenia, Debeka, Gothaer, HUK-Coburg und der Stuttgarter Lebensversicherung geplant, bei dem diese als Produktgeber an die Sozialpartner herantreten wollen. Auch das Bankhaus Metzler und die Nürnberger Versicherung haben mit dem Metzler Sozialpartner Pensionsfond, dessen Zulassung im September 2021 erfolgte, bAV-Produkte für die Sozialpartner auf den Markt gebracht. Als letztes Beispiel ist das Angebot der „Initiative Vorsorge“ (Alte Leipziger Lebensversicherung, Lebensversicherung von 1871, Neue Bayerische Beamten Lebensversicherung und Volkswohl Bund Lebensversicherung) zu nennen. Es ist eindeutig, der Anbietermarkt ist vorbereitet und versucht, den Sozialpartnern den Weg zur Auflage von SPM zu ebnen. Dennoch findet sich derzeit keine breite Anwendung von SPM in der Praxis.

Welcher Mix steckt in #Chemie22?

Das erste „echte“ durch die Sozialpartner der Chemieindustrie (Gewerkschaft IGBCE und Arbeitgeberverband BAVC) ins Leben gerufene SPM wird nicht nur erste praktische Antworten liefern, auf ihm ruhen auch die Hoffnungen, als Türöffner die Vorteile des SPM für weitere Projekte zu beweisen. Die Sozialpartner nutzen, nach eigener Aussage, das Garantieverbot, um die betriebliche Altersversorgung attraktiver zu machen und über andere Anlageformen höhere Zinsen zu erwirtschaften. Das Modell sieht eine Entgeltumwandlung vor, die über den gesetzlich vorgeschriebenen 15-prozentigen Zuschuss des Arbeitgebers (§ 23 Abs. 2 BetrAVG) hinaus zusätzlich einen 5-prozentigen Sicherungsbeitrag als Kompensation für den Wegfall der Arbeitgeberhaftung vorsieht (§ 23 Abs. 1 BetrAVG). Das SPM tritt als reine Beitragszusage neben die sonstigen Versorgungsordnungen der Arbeitgeber und steht mit dem Startschuss des noch ausstehenden Tarifabschlusses für Neuzusagen an die Beschäftigten offen. Durchführende Einrichtung soll der gemeinsam von den Tarifpartnern mit der R+V Versicherung angebotene Chemie-Pensionsfond sein. Bestehende Verträge und Versorgungen werden weiter zu den bisherigen Konditionen vom Chemie-Pensionsfonds fortgeführt und sind von den Überlegungen nicht betroffen. Demnach tritt, nach dem letzten Stand, die reine Beitragszusage neben die bisher bestehenden Zusageformen der betrieblichen und tariflichen Altersversorgung, so dass auch Öffnungsklauseln für Betriebsvereinbarungen wahrscheinlich sind. Mit den bisher bekannten Rahmenbedingungen wählen die Sozialpartner von „#Chemie22“ einen „sicheren“ Weg und meiden offene Streitfragen.

„Risiken und Nebenwirkungen“ des SPM – einige noch offene Fragen

Dass bei allen Vorteilen das SPM nur zögerlich angenommen wird, dürfte auch an einigen offenen Detailfragen liegen, die im Zusammenhang mit einem SPM noch für nicht unerhebliche Unsicherheiten sorgen.

  • Durchführung und Steuerung der Tarifpartner

Nach § 21 Abs. 1 BetrAVG müssen sich die Tarifpartner bei der Vereinbarung der reinen Beitragszusage an deren Durchführung und Steuerung beteiligen. Mit Blick auf den Wortlaut der Gesetzesmaterialien wird hiervon nicht nur der Prozess der Einführung, Implementierung und Durchführung der Betriebsrente umfasst, sondern es wird auch eine fortlaufende Überwachung verlangt, um – sofern notwendig – steuernde Eingriffe vorzunehmen. Zentraler Gegenstand ist die Beteiligung an der Kapitalanlage (vgl. BT-Drs. 18/11286, S. 54, 56). Nach der Literatur käme somit in Betracht, dass die Sozialpartner etwa über eine paritätische besetzte gemeinsame Einrichtung die notwendige Steuerung vornehmen. Es sind aber auch – da vom Gesetz nicht als zwingend oder abschließend vorgegeben – andere Beteiligungsformen denkbar, etwa über den Aufsichtsrat der durchführenden Versorgungseinrichtung oder aber der Aufbau von spezifischen Gremien der Versorgungseinrichtung, wenn hierdurch jeweils hinreichende Einflussmöglichkeiten auf das Betriebsrentensystem gewahrt wird (vgl. etwa: Blomeyer/Rolfs u.a./Rolfs, BetrAVG, § 21 Rn. 4-12; Kemper/Kisters-Kölkes/u.a./Betz-Rehm, BetrAVG, § 21 Rn. 15 ff). Aus der beratenden Praxis ist zu hören, dass der Aspekt der Verantwortungsübernahme durch die Tarifpartner, insbesondere mit Blick auf die Erwartung, erhöhte Investitionsrisiken einzugehen, ein wesentliches Hindernis für die Errichtung darstellt. So scheint der Ausblick als Sozialpartner im schlimmsten – wenn auch nicht sehr wahrscheinlichen – Fall eine erhebliche Verringerung der bAV zu verantworten, bisher nicht attraktiv. Dennoch sollte bedacht werden, dass mit starken Partnern und guter Beratung, einschließlich richtiger Aufklärung, erhebliche Potentiale bestehen.

  • Ablösung bestehender Versorgungsordnungen

Viel diskutiert ist die Möglichkeit, bestehende Versorgungszusagen anderer Art durch reine Beitragszusagen abzulösen. Bis auf den Hinweis in § 21 Abs. 2 BetrAVG, wonach bestehende Betriebsrentensysteme bei der Errichtung eines SPM „angemessene Berücksichtigung“ finden müssen, schweigt das Gesetz zu dieser Frage. Hinter dieser Formulierung verbirgt sich der Wunsch des Gesetzgebers, dass in bisher gut funktionierende Versorgungsordnungen nicht unnötig zum Nachteil der Arbeitnehmer eingegriffen werden soll.

Nach vorherrschender Meinung bedeutet dies aber auch, dass eine Ablösung bestehender Ordnungen nach den allgemeinen Regeln möglich sein soll, solange die bisweilen engen Grenzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit gewahrt werden (ErfK/Steinmeyer, BetrAVG, § 1 Rn. 18). Besonders hervorzuheben ist hierbei die tarifvertragsrechtliche Gestaltung der reinen Beitragszusage. Gestützt durch die grundgesetzliche Verankerung der Tarifautonomie in Art. 9 Abs. 3 GG, die sich sowohl im Gesetz (§§ 77 Abs. 3, 87 Abs. 1 BetrVG) als auch in der Rechtsprechung widerspiegelt, erleichtert die tarifvertragliche Privilegierung die Ablösung von Versorgungszusagen, die auf Betriebsvereinbarungen oder individualvertraglichen Grundlagen (insb. mit Kollektivbezug) beruhen. Im Ergebnis wird die Möglichkeit, einen Wechsel aus bestehenden Versorgungssystemen in eine reine Beitragszusage vorzunehmen, aber eine Frage des Einzelfalls bleiben. Ob und wie eine Ablösung möglich ist, wird anhand der Ausgestaltung des abzulösenden Versorgungssystems (insb. hinsichtlich des Durchführungsweges) und mit Blick auf das neue System der reinen Beitragszusage zu ermitteln sein. Ein Wechsel ist dann eröffnet, wenn die Interessen des Arbeitgebers an der Neugestaltung, dem Interesse der Arbeitnehmer, die auf den Bestand vertrauen, vorgehen.

Nach unserer Einschätzung wird mit Blick auf die vom BAG für Eingriffe entwickelten Drei-Stufen-Theorie eine tarifvertragliche Regelung dann zum Erfolg führen können, wenn sie lediglich für die künftigen Dienstzeiten der Arbeitnehmer (Future Service) Beiträge der reinen Beitragszusage vorsieht, während die bereits bestehenden Anwartschaften unberührt bleiben. Auf dieser ersten Stufe wird nicht in erdienten Besitzstand der Arbeitnehmer eingegriffen, sodass zur Rechtfertigung des Eingriffes – so das BAG – jeder sachliche Grund ausreichend ist (Schlewing/Henssler/u.a./Rößler/Wehner, ABAV, Teil 15, Rz. 393 ff.). Als sachlicher Grund kann etwa ein Harmonisierungsinteresse des Arbeitgebers bzgl. der bestehenden Versorgungsordnungen und die damit verbundene wirtschaftliche Entlastung des Arbeitgebers angeführt werden. Ferner wird in der Literatur insbesondere die Absicht, bestehende Versorgungsordnungen zur Erhöhung des Versorgungsniveaus der Arbeitnehmer mittels einer Ablösung durch eine reine Beitragszusage zu verbessern, als sachlicher Grund anerkannt (Höfer/Höfer, BetrAVG, § 1 Rn. 42.15). Hervorzuheben ist, dass der Arbeitgeber wohl durch die Ausgestaltung der reinen Beitragszusage selbst sein Anliegen zur Einführung einer solchen untermauern kann, indem etwa über den Dotierungsrahmen positiv auf die Interessen der Arbeitnehmer Einfluss genommen wird. Auch die Aussicht auf die im Verhältnis zu den bisherigen Zusagen höhere Versorgungsleistung (Garantieverbot) und das gewährte Sicherungsniveau (etwa durch Vereinbarung von Sicherungsbeiträgen des Arbeitgebers) ist im Rahmen der Interessenabwägung zugunsten des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Dieses komplexe Wechselspiel bedarf genauer Justierung, birgt aber weitreichende Chancen. Unter genauer Beobachtung wird auch die Rechtsprechung stehen, der die Letztentscheidung über Bedingungen der Ablösungsmöglichkeit zukommen wird und die über etwaige Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Grundsätze von Verhältnismäßigkeit und Vertrauensschutz zu entscheiden haben wird.

  • Informationspflichten des Arbeitgebers

Durch die Praxis noch nicht umfassend beantwortet ist, wie weitreichend im Rahmen des SPM Informationspflichten durch den Arbeitgeber bestehen.

Zwar sind die Informationspflichten nach Begründung der reinen Beitragszusage gesetzlich bereits umfassend geregelt und dürften nach der überwiegenden Auffassung – mit Ausnahme einzelner Mitwirkungsrechte des Arbeitgebers – vorwiegend durch die Direktversicherer, Pensionskassen und Pensionsfonds, die eine reine Beitragszusage organisieren, erfüllt werden. So ergeben sich aus der nach § 244d Nr. 3 VAG erlassenen Pensionsfonds-Aufsichtsverordnung (PFAV), deren Teil 2 (§§ 33 ff. PFAV) nicht nur auf Pensionsfonds, sondern auf alle Versorgungsträger nach § 22 BetrAVG Anwendung findet, die reine Beitragszusagen organisieren, weitreichende Aufklärungs- und Informationspflichten. Beispielhaft sieht § 41 Abs. 1 PFAV vor, dass die durchführende Einrichtung den Versorgungsanwärtern einmal im Jahr die Höhe des planmäßig zuzurechnenden Versorgungskapitals des Versorgungsanwärters (inklusive der tatsächlich eingezahlten Beträge) und die Höhe der lebenslangen Zahlung, die sich ohne weitere Beitragszahlung allein aus diesem Versorgungskapital ergäbe, angeben muss. Die Informationen sind mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass diese Beträge nicht garantiert sind und sich bis zum Rentenbeginn verringern oder erhöhen können, zu versehen. Ferner ist die jährliche Rendite des Sicherungsvermögens (§ 244c VAG) für die letzten fünf Jahre anzugeben. (vgl. hierzu Blomeyer/Rolfs/Otto/Rolfs, BetrAVG, § 4a, Rn. 110-112).

Wie ist aber nun die Aufklärungspflicht des Arbeitgebers vor der Begründung der reinen Beitragszusage ausgestaltet? Dass eine Hinweispflicht besteht, die sich jedenfalls aus § 241 Abs. 2 BGB mit Blick auf die vom Arbeitgeber zu berücksichtigenden Vermögensinteressen ergibt, dürfte unstrittig sein. Diese Pflicht dürfte aufgrund der Rechtsnatur des Versorgungsverhältnisses beinhalten, den Versorgungsberechtigten unaufgefordert und umfassend auch über bestehende Risiken zu informieren, insbesondere dann, wenn eine entsprechende reine Beitragszusage arbeitnehmerfinanziert ist oder aber dem Arbeitnehmer eine „garantierte“ Zusageform als Alternative offensteht. Möglicherweise hat sich der Arbeitgeber angemessen an den gesetzlich für die Versorgungseinrichtung bestehenden Informationspflichten (siehe oben) zu orientieren oder aber muss der Anlageform entsprechende, marktübliche Risikohinweise zugänglich machen. Noch umfassender dürfte nach unserer Einschätzung dieses Aufklärungs- und Informationsbedürfnis bei der bereits angesprochenen Ablösung bestehender (garantierter) Zusageformen sein, da hier ein weitreichender Wechsel der Risiken und der Verantwortlichkeiten erfolgt.

  • Nicht-tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer

Der Gesetzgeber hat in § 24 BetrAVG, der in Zusammenhang mit § 21 Abs. 3 BetrAVG zu lesen ist, die Chance eröffnet, dass auch nicht-tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der „einschlägigen“ tariflichen Regelung eines SPM vereinbaren können. Sofern die Versorgungseinrichtung ihr Einverständnis erteilt (so die vorherrschende Meinung, um einen „Vertrag zulasten Dritter“ zu verhindern), können somit auch nicht-tarifgebundene Arbeitnehmer durch arbeitsvertragliche Verweisung auf den Tarifvertrag dessen Anwendung unterfallen. Bei der Umsetzung ist zu beachten, dass die Regelungen des einschlägigen Tarifvertrages nur als Gesamtheit zur Anwendung gebracht werden können. All dies ist aber nach § 21 Abs. 3 BetrAVG nur möglich, wenn die Tarifpartner den nichttarifgebundenen Arbeitnehmern und Arbeitgebern den Zugang nicht verwehren. Sofern die Tarifpartner sich zur Öffnung entschließen (eine Verpflichtung besteht aufgrund der Formulierung als „Soll“-Vorschrift nicht), dürfen sie der Versorgungseinrichtung in Bezug auf die Aufnahme und Verwaltung von Arbeitnehmern nicht-tarifgebundener Arbeitergeber keine sachlich unbegründeten Vorgaben machen. Wo hier die Grenzen liegen werden, bleibt abzuwarten.

Größtes Hindernis einer breiten Öffnung für nicht-tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist derzeit aber, dass es sich um einen für die Parteien „einschlägigen“ Tarifvertrag handeln muss, der räumlich, zeitlich, betrieblich-fachlich und persönlich maßgeblich ist (vgl. Kemper/Kisters-Kölkes/u.a./Betz-Rehm, BetrAVG, § 24 Rn. 3-6). Dieses strenge „Einschlägigkeitserfordernis“ bedeutet, dass nicht-tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausschließlich auf die Tarifverträge beschränkt sind, die bei einer bestehenden Tarifbindung zur Anwendung kämen. Damit werden aber alle Branchen ausgeschlossen, in denen künftig keine Tarifverträge zur reinen Beitragszusage abgeschlossen werden. Auch jene Betriebe bleiben außen vor, die nicht eindeutig einer Branche zugeordnet werden können oder deren Branche keinerlei übergeordnete tarifliche Strukturen aufweisen. Es bleibt zu hoffen, dass sich der Gesetzgeber seiner ursprünglichen Ziele besinnt und das Erfordernis der Einschlägigkeit derart „entschärft“, dass es nicht wie bisher als „Roadblock“ der weiteren Verbreitung der reinen Beitragszusage im Wege steht. Nur so wird die Öffnung nach unserer Einschätzung in der Praxis Erfolg haben können.

Ausblick für die Praxis – die Chancen überwiegen:

Wenn auch viele Fragen offen sind, ist die bAV-Welt in Bewegung. Neben der sich andeutenden Zinswende bedeuten auch die gegenwärtigen wirtschaftlichen „Turbulenzen“, dass die bAV neue Wege beschreiten muss. Mit Blick auf die anstehenden Tarifrunden in vielen Branchen besteht große Hoffnung, dass die Tarifpartner das (nicht ganz) neue Institut des SPM für sich entdecken und die darin angelegten Chancen erkennen. Denn so kann die bAV als die zweite Säule der Altersversorgung neu gedacht und gestärkt werden. Hierfür bietet das SPM wegweisende Ansätze.

Wir freuen uns sehr, Ihre weiteren Fragen zu beantworten.

 

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