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Covid-19 Coronavirus: DAI schlägt umfassende Erleichterungen für Kapitalerhöhungen zur Bewältigung der Corona-Krise vor

Das Deutsche Aktieninstitut e.V. (DAI), die Interessenvertretung deutscher kapitalmarktorientierter Unternehmen, hat jüngst ein Positionspapier mit Vorschlägen zu umfassenden Erleichterungen für Kapitalerhöhungen zur Bewältigung der Corona-Krise veröffentlicht. Die Vorschläge beinhalten folgende Kernpunkte:

  • Vereinfachter Bezugsrechtsausschluss bis 20% des Grundkapitals
  • Marktnahe Platzierung bei bis zu 10% Discount
  • Reduzierung des Mindest-Nennwerts für die Ausgabe neuer Aktien
  • Umfassende verfahrenstechnische Erleichterungen
  • Vorläufige Befristung bis 31. Dezember 2021

Vereinfachter Bezugsrechtsauschluss bis 20% des Grundkapitals bei bis zu 10% Discount

Der Schwellenwert des § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG für eine Barkapitalerhöhung mit vereinfachtem Bezugsrechtsausschluss soll von derzeit 10% auf 20% des bestehenden Grundkapitals heraufgesetzt werden. Das entspricht der Grenze für eine prospektfreie Börsenzulassung neuer Aktien nach der EU Prospektverordnung. Um den erhöhten Schwellenwert auch kurzfristig, d.h. ohne zusätzlichen Hauptversammlungsbeschluss nutzbar zu machen, wird eine vorübergehende satzungsdurchbrechende gesetzliche Regelung vorgeschlagen.

Zudem soll der bei einer Barkapitalerhöhung mit vereinfachtem Bezugsrechtsausschluss zulässige Discount auf den aktuellen Börsenkurs (derzeit nach überwiegender Meinung 3-5%) auf 10% heraufgesetzt werden. Dementsprechend soll die nach § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG erforderliche "nicht wesentliche Unterschreitung" des Börsenpreises bei der Verwendung eines marktnahen Preisfestsetzungsverfahrens wie dem Bookbuilding vermutet werden, wenn die Emission nicht zu einem höheren Preis platzierbar ist und der Börsenkurs um nicht mehr als 10% unterschritten wird.

Im Ergebnis wären damit kurzfristige bezugsrechts- und prospektfreie Platzierungen bis zu 20% des bestehenden Grundkapitals möglich.

Herabgesetzter Mindest-Nennwert für neue Aktien

Da großvolumige Kapitalerhöhungen regelmäßig nur zu erheblichen Discounts auf den aktuellen Börsenkurs platziert werden können, dieser krisenbedingt jedoch nur wenig über dem Nennbetrag pro Aktie und damit dem gesetzlich vorgeschriebenen geringsten Ausgabebetrag liegen kann, soll zudem der Mindest-Nennwert für die Ausgabe neuer Aktien von derzeit einem Euro auf einen Bruchteil von einem Euro, mindestens aber einen Euro-Cent reduziert werden.

Umfassende verfahrenstechnische Erleichterungen nach Vorbild der Regelungen zu krisenbedingten staatlichen Eigenkapitalbeteiligungen

Die vorgenannten Rechtsänderungen sollen durch umfassende verfahrenstechnische Erleichterungen flankiert werden, um auch krisenbedingte großvolumige Kapitalerhöhungen schnell und rechtssicher umsetzen zu können. Als Vorbild sollen die entsprechenden Regelungen bei staatlichen Eigenkapital-beteiligungen durch den Wirtschafts-stabilisierungsfonds dienen (s. dazu unseren Newsletter vom 27. März 2020: Rettungsschirm für betroffene Unternehmen ist aufgespannt – Errichtung eines Wirtschaftsstabilisierungsfonds – Staatliche Garantien und Beteiligungen bis zu 500 Milliarden Euro möglich), unter anderem

  • Kapitalerhöhungsbeschluss mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen
  • Bezugsrechtsausschluss kann mit zwei Drittel Mehrheit beschlossen werden; wenn die Hälfte des Grundkapitals vertreten ist, reicht einfache Mehrheit
  • Wirksamkeit des Beschlusses unmittelbar nach Hauptversammlung; Anfechtungsklagen stehen weder Eintragung noch Umsetzung entgegen
  • Bezugsrechtsausschluss wird als gerechtfertigt angesehen zum Zweck der Zulassung privater Kapitalgeber zur Stabilisierung des Unternehmens

Befristung bis 31. Dezember 2021

Die vorgenannten Regelungen sollen nach dem Vorschlag des DAI zunächst bis zum 31. Dezember 2021 befristet werden. Nachfolgend soll evaluiert werden, ob einzelne dieser Erleichterungen auch dauerhaft beibehalten werden können.

Bewertung

Die tiefgreifenden wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise werden zu einem immensen Eigenkapitalbedarf führen. Zur Bewältigung der Krisenfolgen müssen betroffene Unternehmen Eigenkapital in ausreichender Höhe zügig und rechtssicher aufnehmen können. Im internationalen Vergleich erweist sich das deutsche Aktienrecht jedoch als verhältnismäßig unflexibel. Dies zeigt insbesondere ein Vergleich mit Großbritannien, wo wir in den letzten Wochen bereits zahlreiche kurzfristige Eigenkapitalaufnahmen von bis zu 20% des bestehenden Grundkapitals zur Stärkung der Krisenfestigkeit beobachten konnten. Auch in anderen europäischen Ländern wie beispielsweise Frankreich, Holland oder Luxemburg lassen sich höhere Kapitalerhöhungsvolumina in kürzerer Zeit realisieren. Vor diesem Hintergrund würden die vorgeschlagenen Erleichterungen – und hier insbesondere die Erweiterung des vereinfachten Bezugsrechtsausschlusses auf 20% des Grundkapitals bei gleichzeitig größerem Spielraum hinsichtlich des zulässigen Discounts – für kapitalmarktorientierte Unternehmen einen wesentlichen Beitrag zur Krisenbewältigung leisten.

Nächste Schritte

Im nächsten Schritt werden die Vorschläge an die Bundesregierung herangetragen mit dem Ziel, dass sie Niederschlag in einem entsprechenden Gesetzesentwurf der Bundesregierung finden, der dann nachfolgend in den Bundestag einzubringen ist. Im Zuge der weiteren Beratungen können sich wesentliche Änderungen ergeben. Ein Schnellverfahren im Sinne einer Notfallgesetzgebung wie bei der Errichtung des Wirtschaftsstabilisierungsfonds Ende März 2020 erscheint hier unwahrscheinlich. Mit einem Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens dürfte gegebenenfalls frühestens im Sommer 2020 zu rechnen sein.