Skip to content

Einstellung von ausländischen Arbeitnehmern – Chancen für Arbeitgeber durch das Gesetz/die Verordnung zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung?

Die Bundesregierung weist auf ihrer Homepagedarauf hin, dass die Zahl der unbesetzten Stellen 2022 bei rund 1,98 Millionen lag. Der Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes vom 27. Juni 20232 ist zu entnehmen, dass es im Jahr 2022 zu einer Nettozuwanderung von knapp 1,5 Millionen Personen kam; die höchste bisher registrierte Nettozuwanderung innerhalb eines Berichtsjahres seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 1950.

Der Gesetzgeber hat diese Situation erkannt. Seit dem 18. November 2023 bestehen weitere Regelungen zur Fachkräfteeinwanderung (konkret: das „Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung“ flankiert von der „Verordnung zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung“), die bewirken sollen, dass Fachkräfte in Deutschland schneller und unbürokratischer arbeiten können. 

Welche Anforderungen seitens der potenziellen Arbeitgeber3 in Bezug auf die Beschäftigung ausländischer Arbeits- bzw. Fachkräfte generell zu beachten sind und ob bzw. welche (positiven) Auswirkungen die neuen Bestimmungen für die Arbeitgeber haben können, wird in diesem Beitrag dargestellt. 

Rechtlicher Rahmen zur Beschäftigung von ausländischen Arbeitnehmern

Arbeitgeber haben bei der Beschäftigung von ausländischen Arbeitnehmern eine Reihe von rechtlichen Bestimmungen zu beachten. Über die „gewöhnlichen“, auch für inländische Arbeitnehmer geltenden Regelungen hinaus (z.B. Beteiligung der Arbeitnehmervertretung, sozialversicherungsrechtliche Meldepflichten), sind insbesondere die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) Kernbestandteil des Arbeitsmigrationsrechts. 

Als erste maßgebliche Weichenstellung stellt sich die Frage, ob der ausländische Arbeitnehmer bei dem inländischen Arbeitgeber fest angestellt werden soll oder vielmehr eine Entsendung oder auch eine Arbeitnehmerüberlassung vorliegt. Im Falle einer vorübergehenden Entsendung nach Deutschland wird der jeweilige ausländische Arbeitnehmer sein Beschäftigungsverhältnis mit seinem ausländischen Arbeitgeber aufrechterhalten. Auch bei der erlaubnispflichtigen Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) wird mit dem inländischen Arbeitgeber (Entleiher) - zumindest im Rahmen einer wirksamen Arbeitnehmerüberlassung - kein eigenständiges Arbeitsverhältnis begründet. Insbesondere von der illegalen Überlassung ausländischer Arbeitnehmer an einen Dritten sollte zwingend abgesehen werden, da eine solche Überlassung gemäß § 15 AÜG strafbewehrt ist. 

Als zweite Weichenstellung stellt sich die Frage, aus welchem Land die potenziellen Arbeitnehmer stammen. Unionsbürger bedürfen weder eines Visums noch eines Aufenthaltstitels; die Einreise berechtigt automatisch zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit. Es besteht lediglich eine Meldepflicht bei den Meldebehörden. Dieser Beitrag befasst sich hingegen mit der Konstellation, dass aus dem Nicht-EU-Ausland stammende Arbeitnehmer bei dem inländischen Arbeitgeber angestellt und auch tätig werden sollen:

Was müssen Arbeitgeber beachten?

  • Arbeitgeber müssen grundsätzlich, mit Ausnahme der Fälle des § 4a Abs. 4 AufenthG, prüfen, ob der jeweilige potenzielle ausländische Arbeitnehmer einen Aufenthaltstitel besitzt und kein Beschäftigungsverbot oder eine diesbezügliche Beschränkung vorliegt, § 4a Abs. 5 S. 1, S. 3 Nr. 1 AufenthG. Dabei wird der Arbeitgeber dem Aufenthaltstitel entnehmen können, ob die Ausübung der Erwerbstätigkeit erlaubt ist und ob sie Beschränkungen unterliegt, § 4a Abs. 3 S. 1 AufenthG. Besonders sorgfältige Arbeitgeber sollten sich bei Zweifeln an der Echtheit eines Aufenthaltstitels an die ausstellende Ausländerbehörde wenden und sich auf diese Weise die Richtigkeit der Personalien in Kombination mit dem Aufenthaltstitel bestätigen lassen.
    • In Fällen bestehender Ungewissheit ist es möglich den Arbeitsvertrag mit dem Drittstaatsangehörigen unter der aufschiebenden Bedingung abzuschließen, dass der erforderliche Aufenthaltstitel vorliegt, wobei die tatsächliche Beschäftigung nicht ohne den Nachweis des Aufenthaltstitels erfolgen sollte.
    • Neben dem Bestehen des Aufenthaltstitels zu Beginn der Beschäftigung sollte der Arbeitgeber stets die Dauer der Wirksamkeit des Titels beachten und sicherstellen, dass nur mit einem wirksamen Aufenthaltstitel gearbeitet wird.
  • Zudem muss der Arbeitgeber für die Dauer der Beschäftigung eine Kopie des Aufenthaltstitels, der Arbeitserlaubnis zum Zweck der Saisonbeschäftigung oder der Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung oder über die Aussetzung der Abschiebung des Ausländers in elektronischer Form oder Papierform aufbewahren, § 4a Abs. 5 S. 3 Nr. 2 AufenthG.
  • Ferner hat der Arbeitgeber der zuständigen Ausländerbehörde innerhalb von vier Wochen ab Kenntnis mitzuteilen, wenn die Beschäftigung, für die ein Aufenthaltstitel zu Erwerbszwecken erteilt wurde, vorzeitig beendet wurde, § 4a Abs. 5 S. 3 Nr. 3 AufenthG. Diese Mitwirkungsverpflichtung ist - anders als die Prüfpflicht und die Aufbewahrungspflicht -bußgeldbewehrt, § 98 Abs. 2a Nr. 2 AufenthG.
  • Überdies trifft den Arbeitgeber im Rahmen seiner gegenüber der Bundesagentur für Arbeit bestehenden Auskunftspflicht die Fürsorgepflicht gegenüber dem drittstaatsangehörigen Arbeitnehmer an der Erlangung des Aufenthaltstitels mitzuwirken, § 39 Abs. 4 AufenthG. 

Was sollten Arbeitgeber darüber hinaus beachten? 

  • Sollten die Voraussetzungen für die Beschäftigung des aus dem Ausland stammenden Arbeitnehmers vorliegen, sollte der inländische Arbeitsvertrag zweisprachig verfasst werden, (z.B. auf Deutsch und in der Sprache des Arbeitnehmers, ggf. Englisch), um insbesondere eine gewisse Willkommenskultur zu schaffen. Hierbei sollte aber festgehalten werden, dass bei Abweichungen die deutsche Fassung Vorrang hat. Im Falle eines einsprachigen Vertrages wäre der jeweilige Arbeitnehmer trotz ggf. bestehender Sprachbarrieren grundsätzlich an den Arbeitsvertrag gebunden. Jedoch könnte er seine Willenserklärung ggf. anfechten, soweit er sich von dem Inhalt des Schriftstücks, das er ungelesen unterschrieben hat, eine bestimmte unrichtige Vorstellung gemacht hat.
  • Außerdem kann der Arbeitsvertrag mit dem Drittstaatsangehörigen unter der auflösenden Bedingung abgeschlossen werden, dass der erforderliche Aufenthaltstitel nicht mehr (z.B. wegen Entzuges oder Nichtverlängerung der Arbeits- bzw. Aufenthaltserlaubnis) vorliegt. Auch wenn die Wirksamkeit einer solchen auflösenden Bedingung rechtlich umstritten ist, erscheint eine solche Vereinbarung in tatsächlicher Hinsicht sinnvoll, um die Vertragsparteien zu incentivieren, sich frühzeitig um eine zeitliche Erweiterung des Aufenthaltstitels zu kümmern.
  • Ferner treffen den Arbeitgeber Mitwirkungspflichten bei der Beantragung des beschleunigten Fachkräfteverfahrens, § 81a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 AufenthG. 

Fachkräfteeinwanderungsgesetz und dessen Auswirkungen 

Das Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung wurde am 7. Juli 2023 im Bundesrat beschlossen. Die Idee des Gesetzgebers ist es die Fachkräfteeinwanderung auf drei Säulen zu begründen: die Fachkräftesäule, die Erfahrungssäule und die Potenzialsäule. Entsprechend sind dem Gesetz und auch den Seiten der Bundesregierung4 die drei wichtigsten Änderungen zu entnehmen: 

  • Qualifikation: Wer einen Abschluss hat, kann jede qualifizierte Beschäftigung ausüben. 
  • Erfahrung: Wer mindestens zwei Jahre Berufserfahrung und einen im Herkunftsland staatlich anerkannten Berufsabschluss hat, kann als Arbeitskraft einwandern. Der Berufsabschluss muss künftig nicht mehr in Deutschland anerkannt sein.
  • Potenzial: Es wird eine Chancenkarte zur Arbeitssuche geben, die auf einem Punktesystem basiert. Zu den im Punktesystem berücksichtigten Kriterien gehören Qualifikation, Deutsch- und Englischkenntnisse, Berufserfahrung, Deutschlandbezug, Alter und mitziehende Lebens- oder Ehepartner.

Unerwähnt bleibt hingegen die Arbeitskräftesäule, die u.a. den Staatsangehörigen der Westbalkanstaaten eine Arbeitsmarktzulassung für jede Art der Beschäftigung, auch der unqualifizierten, unbefristet ermöglicht. Insoweit lässt sich nicht nur eine Förderung der Fachkräftezuwanderung, sondern auch eine Entwicklung hin zu einer allgemeinen Arbeitsmigration erkennen.

Seit dem 18. November 2023 greifen die ersten Regelungen der neuen Bestimmungen. Unter anderem folgende, für Arbeitgeber relevante Neuerungen sind in Kraft:

  • Es gelten neue Bestimmungen für die Blaue Karte EU, insbesondere kann ein erweiterter Personenkreis diesen Aufenthaltstitel erlangen, § 18g AufenthG.
    • Die Blaue Karte EU ist ein Aufenthaltstitel für Drittstaatsangehörige, mit dem diese in der EU eine Erwerbstätigkeit aufnehmen können.
  • Es wurde die Beschränkung aufgehoben, dass ausländische Arbeitnehmer nur mit der ihnen jeweils vermittelten Befähigung arbeiten dürfen, §§ 18a, 18b AufenthG.
  • Die Zustimmungserteilung der Bundesagentur für Arbeit für die Beschäftigung von Berufskraftfahrenden aus Drittstaaten wurde vereinfacht.

Weitere Regelungen werden ab März 2024 bzw. ab Juni 2024 in Kraft treten.

Kritik & Handlungsoptionen des Arbeitgebers zur Erprobung

Insbesondere die Bestimmung, dass der jeweilige in einem Herkunftsland staatlich anerkannte Berufsabschluss in Deutschland nicht mehr anerkannt sein muss, birgt für die inländischen Arbeitgeber das Risiko, dass die inländischen Standards durch den jeweiligen ausländischen Arbeitnehmer nicht erfüllt werden. Andererseits ist es genauso möglich, dass die Standards übertroffen werden. Sicher ist jedenfalls, dass insofern zwar weniger Verwaltungsaufwand besteht und die Arbeitnehmer schneller bei dem jeweiligen Arbeitgeber eingesetzt werden können, hingegen die Qualität der Arbeit zunächst ungewiss bleibt. Für Arbeitgeber wird es sich daher anbieten mit dem jeweiligen ausländischen Arbeitnehmer, der einen Aufenthaltstitel besitzt, einen „Probearbeitstag“ oder auch ein befristetes Arbeitsverhältnis abzuschließen. Die Befristung ist rechtlich jedenfalls zulässig, denn nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 TzBfG liegt bei der Befristung zur Erprobung ein sachlicher Grund vor. Außerdem wird es in aller Regel gar keines sachlichen Grundes bedürfen, da nach § 14 Abs. 2 S. 1 Halbs. 1 TzBfG eine sachgrundlose Befristung bis zur Dauer von zwei Jahren grundsätzlich zulässig ist. Bei einem Probearbeitstag kommt hingegen an sich kein klassisches Arbeitsverhältnis zustande, da für das „Probearbeiten“ kein Arbeitsentgelt geschuldet wird, keine Verpflichtung zur Arbeitsleistung besteht, keine konkreten Arbeitszeiten eingehalten werden müssen und auch kein Weisungsrecht des potenziellen Arbeitgebers besteht. Das Probearbeiten sollte sich jedoch stets auf wenige Tage beschränken und wohl durchdacht bzw. im Voraus rechtlich geprüft sein, um die Vermutung der Umgehung arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften und die Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit all seinen – insbesondere auch versicherungsrechtlichen – Folgen zu vermeiden.

Ein tatsächliches Problem, das sich bereits im Vorfeld einer Beschäftigung stellt, ist, ob und wenn ja, wie zügig die jeweiligen Drittstaatsangehörigen einen Aufenthaltstitel erhalten. Aufgrund der sehr hohen Zuwanderungszahlen lässt sich wiederholt der Tagespresse entnehmen, dass die Ausländerbehörden überlastet sind und die Antragsbearbeitung mehrere Monate dauern kann. Wenngleich sich zuweilen den neuen Bestimmungen ein Bestreben dahingehend entnehmen lässt, Behördenprozesse praxisorientiert regeln zu wollen, wird auch die Einführung dieser Bestimmungen das Problem der zunehmenden Überlastung der Ausländerbehörden nicht effektiv lösen können. So mangelt es an Bestimmungen, die eine hinreichend funktionierende Migrationsverwaltung befördern. Darüber hinaus bestehen bei einer Vielzahl von Ausländerbehörden strukturelle Organisationsdefizite, die nun auch von Gerichten, beispielsweise von dem OVG Bautzen (Beschluss vom 14. Februar 2023 – 3 E 2/23), adressiert werden. 

Es ist zwar sehr zu begrüßen, dass der Gesetzgeber bürokratische Hürden abbaut und Arbeitgebern zumindest potenziell mehr Fachkräfte zur Verfügung stehen sollen. Den bestehenden Fachkräftemangel wird diese Reform aber kaum effektiv beseitigen können. Bei Betrachtung der eingangs beschriebenen Zahl von knapp 2 Millionen offenen Stellen ist die dem Referentenentwurf5 zu entnehmende Auslobung einer prognostischen jährlichen Einwanderung von qualifizierten Fachkräften in Höhe von 65.000 Personen aus Sicht der Arbeitgeber faktisch keine Änderung, die die arbeitgeberseitigen offenen Planstellen bedeutend verringern kann. Mithin bietet das Fachkräfteeinwanderungsgesetz zur Ernüchterung der Arbeitgeber in Bezug auf Arbeitnehmer aus dem Nicht-EU-Ausland in tatsächlicher Hinsicht nur geringe weitere Chancen.

Fazit und Ausblick

Die Beschäftigung von Drittstaatsangehörigen erfordert für Arbeitgeber insbesondere die Prüfung, ob der Ausländer einen Aufenthaltstitel besitzt und kein Beschäftigungsverbot oder eine diesbezügliche Beschränkung vorliegt. Neben weiteren für die Arbeitgeber bestehenden Anforderungen ist die stete Wirksamkeit des Aufenthaltstitels sicherzustellen. Zusätzlich zu dem von der Bundesregierung angebotenen Quickcheck zur ersten Prüfung der Möglichkeiten der Gewinnung einer ausländischen Fachkraft6, empfiehlt sich stets die Hinzuziehung eines fachkundigen Rechtsanwalts.

Die Reformen zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung verfolgen zwar den begrüßenswerten Zweck die Anzahl ausländischer Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen, sie können jedoch in ihrer bisherigen Ausgestaltung aus Arbeitgebersicht zu keiner umfassenden Beseitigung des Fachkräftemangels beitragen. Um die Einwanderung von Fachkräften zu beschleunigen, wird es seitens der Gesetzgebung unerlässlich sein, die Verfahren der Einwanderung effektiver zu gestalten.

Fußnoten

1 https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/arbeit-und-soziales/fachkraefteeinwanderungsgesetz-2182168

2  https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Wanderungen/_inhalt.html

3 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird durchgehend das generische Maskulinum verwendet; es werden jedoch ausdrücklich alle Geschlechteridentitäten hiervon erfasst.

4 https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/arbeit-und-soziales/fachkraefteeinwanderungsgesetz-2182168

5 Referentenentwurf des Bundesministeriums des Innern und für Heimat und des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung, S. 2.

6 https://www.make-it-in-germany.com/de/unternehmen/einreise/quick-check-arbeitgeber

 

 

Weitere relevante Expertise