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Mindestlohnerhöhung – Haftet der GmbH-Geschäftsführer persönlich?

Der gesetzliche Mindestlohn ist in Deutschland am 1. Januar 2015 eingeführt worden und wird seither kontinuierlich angepasst. Die neueste Änderung erfolgte zum 1. Januar 2024, an dem der Mindestlohn auf EUR 12,41 brutto pro Stunde gestiegen ist.

Doch wen kann ein Arbeitnehmer1 in Anspruch nehmen, wenn der Arbeitgeber, der sich als GmbH organisiert hat, den Mindestlohn nicht zahlt? Kann der Arbeitnehmer sowohl auf seinen Arbeitgeber, die GmbH, als auch deren Geschäftsführer persönlich zurückgreifen? Nein, hat das Bundesarbeitsgericht im letzten Jahr entschieden. Arbeitnehmer müssen sich an die Gesellschaft halten und können nicht die Geschäftsführer der GmbH persönlich in Anspruch nehmen.

Rechtsgrundlage des Mindestlohns – Pflichten für Arbeitgeber 

Rechtsgrundlage des Mindestlohns ist § 11 MiLoG i.V.m. der jeweiligen Rechtsverordnung der Mindestlohnkommission. Aus Sicht der Arbeitgeber ist insbesondere § 20 MiLoG zu beachten. Danach besteht die Pflicht, den im Inland beschäftigten Arbeitnehmern ein Arbeitsentgelt mindestens in Höhe des Mindestlohns fristgerecht zu zahlen. Regelmäßig wird der Mindestlohn mit dem vereinbarten Zeitpunkt der Auszahlung des Arbeitslohns zu entrichten sein. Ferner hat der Arbeitgeber insbesondere im Rahmen von Teilzeitvereinbarungen und Bestimmungen zur Ableistung von Überstunden sicherzustellen, dass der Mindestlohn nicht unterschritten wird.

Hintergrund der Entscheidung vom 30. März 2023 – 8 AZR 120/22

Das BAG hatte sich nun in jüngerer Vergangenheit mit einem Fall zu beschäftigen, in dem der klagende Arbeitnehmer die Geschäftsführer seiner ehemaligen Arbeitgeberin persönlich in Anspruch nahm.

Weil er bereits mehrfach verspätet seine Vergütung erhalten hatte, machte der klagende Arbeitnehmer im Jahr 2017 ein Zurückbehaltungsrecht an seiner Arbeitsleistung geltend. Folglich erbrachte er für den Monat Juni 2017 keine Arbeit und seine Arbeitgeberin zahlte für diesen Monat keinen Lohn. Im November 2017 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Arbeitgeberin eröffnet. Im Anschluss daran reichte der Arbeitnehmer Klage gegen die beiden Geschäftsführer auf Schadensersatz ein und begründete seinen Anspruch damit, dass seine Arbeitgeberin ihm alle auf Juni 2017 anfallenden Arbeitsstunden in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns zahlen müsse.

Die Begründung des BAG

Der Arbeitnehmer ist über alle Instanzen, bis hin zum BAG, mit seiner Klage gescheitert.

Zur Begründung führt das BAG aus, dass es dem Grundsatz der gesetzlichen Wertung entspricht, dass die Haftung von Geschäftsführern einer GmbH auf das Innenverhältnis zu der Gesellschaft begrenzt ist. Die Außenhaftung für Verbindlichkeiten der Gesellschaft beschränke sich im Einklang mit § 13 Abs. 2 GmbHG auf das Gesellschaftsvermögen. Eine Durchgriffshaftung auf den GmbH-Geschäftsführer sei dem Haftungssystem des GmbHG fremd.

Während im Grundsatz keine Haftung gegenüber Dritten bestehe, sei der GmbH-Geschäftsführer im Innenverhältnis zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung verpflichtet, weshalb Schadensersatzansprüche im Einklang mit § 43 Abs. 2 GmbHG allein der Gesellschaft gegenüber dem Geschäftsführer zustünden. Etwas anderes könne laut dem 8. Senat nur dann gelten, wenn ein besonderer Haftungsgrund vorliege.

Einen solchen gebe es – laut BAG – bei Nichtzahlung des Mindestlohns, mangels Annahme eines Schutzgesetzes zugunsten der Arbeitnehmer gegenüber den Geschäftsführern, aber gerade nicht.

Zwar seien die Geschäftsführer grundsätzlich taugliche Täter i.S.v. § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG i.V.m. § 21 Abs. 1 Nr. 9 MiLoG für die bußgeldbewehrte Nichtzahlung des Mindestlohns. Für Geschäftsführer einer GmbH seien diese Normen anwendbar, da sich das persönliche Merkmal der Arbeitgeberstellung auf sie erstreckt.

Allerdings begründe diese Tatsache nach Ansicht des Gerichts keine Ausnahme von der allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Haftungssystematik. Denn § 21 Abs. 1 Nr. 9 MiLoG i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG sind nach dem BAG keine Schutzgesetze i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB im Verhältnis von Arbeitnehmern und GmbH-Geschäftsführern. Damit wird klargestellt, dass Schadensersatzansprüche, die aus einer nicht ordnungsgemäßen Geschäftsführung resultieren, (ausschließlich) der Verantwortungssphäre der entsprechenden Gesellschaft zuzuordnen sind. Im Falle der Annahme eines Schutzgesetzes würde eine ausufernde Haftung eines GmbH-Geschäftsführers folgen, da dies eine Inanspruchnahme des Geschäftsführers auch bei nur fahrlässiger Verwirklichung des Bußgeldtatbestands, auf Schadensersatz in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns zur Folge hätte. Arbeitnehmer sollen in dem Geschäftsführer aber gerade keinen weiteren Schuldner ihres Lohnanspruchs erhalten, da das Vertragsverhältnis lediglich zur Gesellschaft besteht. Im Ergebnis würde dies eine Durchgriffshaftung auf die Geschäftsführer im Rahmen des Vergütungsanspruchs darstellen. Diese sei im GmbHG vom Gesetzgeber allerdings gerade nicht vorgesehen und solle auch im Verhältnis zum MiLoG über § 823 Abs. 2 BGB nicht eröffnet werden.

Zudem könne nicht auf § 266a Abs. 2 und Abs. 3 StGB abgestellt werden, da es im Hinblick auf den Vergütungsanspruch an der erforderlichen treuhänderischen Bindung des Arbeitgebers fehle. Demgemäß könne dem Arbeitgeber bezüglich der Lohnzahlung und sonstiger Leistungen im Austauschverhältnis keine Vermögensbetreuungspflicht zukommen.

Vorrang der Innenhaftung

Das BAG lehnt in seiner Urteilsbegründung die Durchgriffshaftung eines GmbH-Geschäftsführers für Mindestlohnverstöße aufgrund des Haftungsregimes des GmbHG nachvollziehbar ab. Eine organschaftliche Pflichtverletzung führt regelmäßig lediglich zu einer Innenhaftung, sodass der persönlichen Haftung eines GmbH-Geschäftsführers im Außenverhältnis Ausnahmecharakter zukommt. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass die Innenhaftung nach § 43 Abs. 2 und Abs. 3 GmbHG bereits umfassend ist und keine Beschränkung hinsichtlich des Verschuldensmaßstabs und der Haftungshöhe vorsieht. Eine Abweichung von diesen wesentlichen Strukturprinzipien würde ein bewusstes Tätigwerden des Gesetzgebers erfordern. In Bezug auf den Mindestlohnanspruch sind keine Umstände erkennbar, die für eine über die bestehenden Haftungsgründe hinausgehende persönliche Einstandspflicht des GmbH-Geschäftsführers sprechen. Das BAG stärkt bzw. bestätigt damit das Haftungsregime des GmbHG. Zum Portfolio der Schutzgesetze gegenüber außenstehenden Dritten ist das Mindestlohngesetz damit nicht hinzuzurechnen.

Ausblick

Auch wenn das BAG die Durchgriffshaftung eines GmbH-Geschäftsführers für Mindestlohnverstöße überzeugend verneint hat, sollten sich GmbH-Geschäftsführer im Klaren darüber sein, dass dies nicht mit einer Haftungsfreistellung gleichzusetzen ist. Vielmehr kann in derartigen Konstellationen auch eine Haftung wegen Insolvenzverschleppung nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 15a Abs. 1 InsO in Betracht kommen.

Neben der persönlichen Haftung für Mindestlohnverstöße durch den GmbH-Gesellschafter sind auch ordnungs-, sozialversicherungs- und strafrechtliche Konsequenzen in den Blick zu nehmen. Insbesondere bei nicht oder nicht rechtzeitiger Zahlung des Mindestlohns kann der Verstoß nach § 21 Abs. 1 Nr. 11 MiLoG in Verbindung mit § 21 Abs. 3 MiLoG mit einer Geldbuße von bis zu EUR 500.000 geahndet werden. Für den Geschäftsführer droht dann eine Regresshaftung im Innenverhältnis. 

Fußnoten

1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird durchgehend das generische Maskulinum verwendet; es werden jedoch ausdrücklich alle Geschlechteridentitäten hiervon erfasst.

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