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Das Zukunftsfinanzierungsgesetz: Neuerungen für deutsche ECM-Transaktionen

Am 15.12.2023 ist das Zukunftsfinanzierungsgesetz in Kraft getreten. Die bedeutenden aktien- und kapitalmarktrechtlichen Neuerungen erhöhen die Flexibilität bei ECM-Transaktionen.

Überblick über die wesentlichen Änderungen

Am 15.12.2023 ist das Zukunftsfinanzierungsgesetz (ZuFinG) in wesentlichen Teilen in Kraft getreten. Das Gesetz soll die Leistungsfähigkeit des deutschen Kapitalmarktes stärken und die Attraktivität des deutschen Finanzstandorts als bedeutenden Teil eines starken Finanzplatzes Europa erhöhen. Insbesondere Start-ups, Wachstumsunternehmen sowie kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) als Treiber von Innovation soll der Zugang zum Kapitalmarkt und die Aufnahme von Eigenkapital erleichtert werden.

Neben Erleichterungen bei Kapitalerhöhungen werden auch aktuelle Marktentwicklungen, wie etwa die fortschreitende Digitalisierung und die Hindernisse des deutschen Aktienrechts für SPAC-Börsengänge, adressiert. Die wesentlichen Änderungen durch das ZuFinG für deutsche ECM-Transaktionen betreffen folgende Bereiche:

  • Erleichterungen bei Kapitalerhöhungen;
  • Einführung von Mehrstimmrechtsaktien;
  • Schaffung einer Börsenmantelaktiengesellschaft als deutsche SPAC;
  • Einführung einer elektronischen Aktie (sog. e-Aktie).

Erleichterungen bei Kapitalerhöhungen

Höheres Volumen für Barkapitalerhöhungen mit vereinfachtem Bezugsrechtsausschluss

Das ZuFinG hebt die Volumenbegrenzung für die Durchführung von Barkapitalerhöhungen mit vereinfachtem Bezugsrechtsausschluss von bislang 10% auf 20% des Grundkapitals an (§ 186 Abs. 3 S. 4 Aktiengesetz (AktG) n.F.). Da sich Kapitalerhöhungen unter Ausschluss der Bezugsrechte der bestehenden Aktionäre sehr viel schneller und kostengünstiger durchführen lassen als Bezugsrechtsemissionen – bei marktüblichen Privatplatzeirungen an qualifizierte institutionelle Investoren entfällt insbesondere das Erfordernis eines Wertpapierprospekts – stellt die Anhebung der Volumenbegrenzung eine erhebliche und für die Transaktionspraxis bedeutende Erweiterung und Vereinfachung der Eigenkapitalaufnahme dar. Mittelbar bringt die Neuregelung zudem entsprechend mehr Flexibilität bei der Veräußerung eigener Aktien (§ 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG), bei der Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen, Gewinnschuldverschreibungen und Genussrechten (§ 221 Abs. 4 S. 2 AktG) sowie beim genehmigten Kapital (§ 203 Abs. 1 AktG).

Um das erweiterte Volumen je nach Marktgegebenheiten flexibel ausnutzen zu können, sollten Emittenten sich von ihrer Hauptversammlung entsprechend erweiterte Ermächtigungen zum Bezugsrechtsausschluss im Rahmen genehmigter Kapitalia sowie Ermächtigungen zur Begebung von Wandel- und Optionsanleihen einräumen bzw. bestehende Ermächtigungen entsprechend anpassen lassen.

Mit der Anhebung des Schwellenwertes für die Durchführung bezugsrechtsfreier Kapitalerhöhungen wird eine Harmonisierung mit dem in der EU-ProspektVO1 vorgesehenen Schwellenwert für die prospektfreie Zulassung von neuen Aktien (Art. 1 Abs. 5 lit. a) EU-ProspektVO) herbeigeführt. Bislang konnten deutsche Emittenten die in der EU-ProspektVO vorgesehene 20%-Schwelle nicht vollständig nutzen, da aufgrund der aktienrechtlichen Beschränkung in § 186 Abs. 3 S. 4 AktG a.F. ab Erreichen der 10%-Schwelle ein prospektpflichtiges Bezugsrechtsangebot erforderlich war.

Gemäß dem derzeit auf europäischer Ebene diskutierten Entwurf zum sog. EU Listing Act soll allerdings nunmehr der in Art. 1 Abs. 5 lit. a) EU-ProspektVO enthaltene Schwellenwert für die prospektfreie Zulassung von Aktien von 20% auf 40% erhöht werden. Sofern diese Erhöhung wie vorgesehen umgesetzt wird, wird das Aktiengesetz zukünftig wiederum hinter dem auf europäischer Ebene geschaffenen Rahmen zurückbleiben.

Änderungen zum bedingten Kapital

Die Volumenbegrenzungen für die Schaffung von bedingtem Kapital werden durch das ZuFinG ebenfalls ausgeweitet (§ 192 Abs. 3 S. 1 AktG n.F.):

a) Für Unternehmenszusammenschlüsse (§ 192 Abs. 2 Nr. 2 AktG) wird die Höchstgrenze des bedingten Kapitals von 50% auf 60% angehoben. Das ZuFinG soll eine höhere Flexibilität bei Unternehmenszusammenschlüssen unter Verwendung von Aktien als Gegenleistung oder für die Bedienung von Bezugs- und Abfindungsrechten bieten und bezieht sich dabei zur Begründung auf Kritik an der bisherigen Grenze als Hindernis im Vergleich zum flexibleren Recht der Vereinigten Staaten.

b) Für Mitarbeiterbeteiligungsprogramme (§ 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG) wird die Grenze für ein bedingtes Kapital zur Gewährung von Bezugsrechten von zuvor 10% auf nunmehr 20% erhöht. Dies soll Unternehmen, insbesondere auch Wachstumsunternehmen, einen größeren Spielraum bei der Inzentivierung und der liquiditätsarmen Vergütung hochqualifizierter Mitarbeiter verschaffen.

Die Schaffung von bedingtem Kapital zur Gewährung von Umtausch- oder Bezugsrechten auf Grund von Wandelschuldverschreibungen bleibt dagegen weiterhin beschränkt auf die Hälfte des Grundkapitals (§ 192 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 AktG n.F.).

Neues Rechtsschutzsystem bei Durchführung bezugsrechtsfreier Kapitalerhöhungen

Das ZuFinG führt ein neues Rechtsschutzsystem für den Fall ein, dass Aktionäre die Durchführung einer bezugsrechtsfreien Kapitalerhöhung mit der Begründung angreifen, dass der auf eine Aktie entfallende Wert der Einlage unangemessen niedrig ist oder Sondervorteile gewährt werden (§ 243 Abs. 2 AktG). Während Aktionäre in diesem Fall bislang eine Anfechtungsklage nach §§ 243 ff. AktG gegen den Hauptversammlungsbeschluss erheben konnten (§ 255 Abs. 2 AktG a.F.), ist dies nun nicht mehr zulässig (§ 255 Abs. 2 AktG n.F.).

a) Wird eine bezugsrechtsfreie Kapitalerhöhung durch die Hauptversammlung der Gesellschaft beschlossen und dabei das Bezugsrecht in anderer Weise als nach § 186 Abs. 3 S. 4 AktG ausgeschlossen und ist der auf eine Aktie entfallende Wert der Einlage unangemessen niedrig, soll den Aktionären stattdessen ein Barausgleichsanspruch gegen die Gesellschaft zustehen (§ 255 Abs. 4 AktG n.F.).

(i) Die Angemessenheit der Ausgleichzahlung kann nach Wirksamwerden der Kapitalerhöhung im Spruchverfahren überprüft werden (§ 255 Abs. 7 AktG n.F.). Zur Begründung führt der Gesetzgeber an, dass die bei Kapitalerhöhungen regelmäßig komplizierteren Bewertungsfragen im Rahmen eines Freigabeverfahrens als Eilverfahren nicht kurzfristig zu klären seien und gleichzeitig das Interesse der Gesellschaft und des Kapitalgebers an einer zügigen Durchführung der Kapitalerhöhung überwiege. Es sei damit interessengerecht, das Überprüfungsverfahren erst nach Wirksamwerden der Kapitalerhöhung durchzuführen.

(ii) Um mögliche Barausgleichspflichten zu mittigeren, kann die Gesellschaft im Kapitalerhöhungsbeschluss alternativ zu einer Barausgleichszahlung auch die Gewährung zusätzlicher Aktien als Ausgleich vorsehen (§§ 255a, 255b AktG n.F.). Diese Aktien werden im Wege einer Sachkapitalerhöhung geschaffen, wobei die ausgleichsberechtigten Aktionäre den ihnen von dem Spruchgericht zugesprochenen Ausgleichsanspruch gegen Ausgabe neuer Aktien einlegen (§ 255b AktG n.F.).

(iii) Zur Klärung der Frage, ob der Ausgabebetrag der neuen Aktien zu niedrig ist, ist bei börsennotierten Gesellschaften grundsätzlich ein Vergleich des volumengewichteten Börsenkurses der Aktien der Gesellschaft während der letzten drei Monate vor dem der Entscheidung über die Durchführung der Kapitalerhöhung vorausgehenden Tag anzustellen (§ 255 Abs. 5 S. 1, 4 AktG n.F., § 5 Abs. 1 Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz-Angebotsverordnung2 (WpÜGAngebV)), Nur wenn der Börsenkurs an diesem Tag niedriger ist als der ermittelte Referenzkurs, soll dieser Börsenkurs maßgeblich sein (§ 255 Abs. 5 S. 5 AktG n.F.).

(iv) Ein Ausgleichsanspruch scheidet aus, wenn der Ausgabebetrag den Börsenkurs nicht wesentlich unterschreitet (§ 255 Abs. 5 S. 2 AktG n.F.). Der Finanzausschuss hat dabei im Gesetzgebungsverfahren klargestellt, dass die grundsätzliche Bewertung einer Kapitalerhöhung weiterhin im pflichtgemäßen Ermessen des Vorstandes steht und der Wert der Einlage auch die Vereinbarung eines Abschlages enthalten kann. Ein solcher Abschlag kann über die zu § 186 Abs. 2 S. 4 AktG entwickelten Grundsätze hinausgehen und der Ausgabebetrag der Aktien damit den Börsenkurs unter Umständen auch um mehr als drei bis fünf Prozent des Börsenpreises unterschreiten.

b) Wird eine Kapitalerhöhung mit vereinfachtem Bezugsrechtsausschluss gemäß § 186 Abs. 3 S. 4 AktG durch die Hauptversammlung der Gesellschaft beschlossen, bestehen die vorgenannten Ausgleichsansprüche nicht. Auch wenn der Wortlaut des § 255 Abs. 2 AktG n.F. insoweit nicht eindeutig ist, dürfte die Anfechtungsklage nach §§ 243 ff. AktG wegen Nichterfüllung der Voraussetzungen des § 186 Abs. 3 S. 4 AktG – insbesondere bei Einräumung eines zu hohen Abschlags auf den Börsenkurs – indes statthaft bleiben.

c) Im für die ECM-Transaktionspraxis besonders relevanten Fall, dass die Kapitalerhöhung durch Vorstand und Aufsichtsrat unter Ausnutzung eines bereits bestehenden genehmigten Kapitals beschlossen wird, finden die vorgenannten Neuregelungen keine Anwendung. Hier verbleibt es mithin bei den bereits zuvor einschlägigen eingeschränkten Rechtsschutzmöglichkeiten.

Einführung von Mehrstimmrechtsaktien

Das ZuFinG sieht unter Streichung des bislang in § 12 Abs. 2 AktG a.F. normierten Grundprinzips, wonach Mehrstimmrechte unzulässig waren, die Einführung von Mehrstimmrechtsaktien in das deutsche Aktienrecht vor. Dies soll insbesondere inhabergeführten Unternehmen den Zugang zum Kapitalmarkt erleichtern und ihre Bereitschaft zur Finanzierung am Kapitalmarkt steigern.

Insbesondere für familien- oder gründergeführte mittelständische oder Wachstumsunternehmen kann die Befürchtung eines Kontrollverlusts ein Hindernis für einen Börsengang darstellen. Mehrstimmrechte ermöglichen es Gründern und Inhabern familiengeführter Unternehmen, sich auch nach einem Börsengang weitgehende Kontrolle über „ihr“ Unternehmen zu erhalten. Unter der bisherigen Rechtslage war dies nur über den Umweg einer KGaA-Struktur oder die Ausgabe von stimmrechtslosen Vorzugsaktien möglich.

Namensaktien können künftig durch eine entsprechende Satzungsbestimmung sowohl bei der Unternehmensgründung als auch später im Rahmen der Durchführung einer Kapitalerhöhung als Mehrstimmrechtsaktien in Form einer eigenen Aktiengattung ausgestaltet werden. Da der Hauptversammlungsbeschluss zur Ausgabe bzw. Ausstattung von Aktien mit Mehrstimmrechten der Zustimmung sämtlicher Aktionäre bedarf (§ 135a Abs. 1 S. 3 AktG n.F.), ist eine Einführung jedoch nur bis zum Zeitpunkt eines Börsenganges denkbar, da bei Streubesitz eine Vollversammlung sowie ein einstimmiger Beschluss praktisch nicht erreichbar sein wird. Darüber hinaus ist auch die Ausgabe von Mehrstimmrechtsaktien aus genehmigtem Kapital nicht möglich (§ 202 Abs. 1 S. 2 AktG n.F.). 

Im Sinne des Minderheiten- und Anlegerschutzes unterliegt die Ausgestaltung und Wirkweise von Mehrstimmrechtsaktien Beschränkungen, und zwar:

a) Das potenzielle Stimmrechtsgewicht von Mehrstimmrechtsaktien ist auf höchstens das Zehnfache des einfachen Stimmrechts je Aktie (d.h. 1:10) beschränkt (§ 135a Abs. 1 S. 2 AktG n.F.);

b) das Mehrstimmrecht wirkt sich nicht auf die Kapitalmehrheit aus, da es nur eine höhere Stimmzahl, nicht jedoch zusätzliches den Aktien zugrundeliegendes Kapital vermittelt; insoweit kommt Mehrstimmrechtsaktien bei Beschlüssen mit zusätzlichem Kapitalmehrheitserfordernis lediglich eine Vetoposition zu, z.B. bei der Einberufung einer Hauptversammlung, Kapitalerhöhungs und  herabsetzungsbeschlüssen oder der Zustimmung zu einem Unternehmensvertrag;

c) im Rahmen der Bestellung eines Abschluss- oder Sonderprüfers berechtigen auch Mehrstimmrechtsaktien nur zu einer Stimme (§ 135a Abs. 4 AktG n.F.);

d) bei börsennotierten Gesellschaften sowie Gesellschaften, deren Aktien in den Freiverkehr einbezogen sind, erlöschen die Mehrstimmrechte bei Übertragung der jeweiligen Mehrstimmrechtsaktie (§ 135a Abs. 2 S. 1 AktG n.F.). Zudem erlöschen die Mehrstimmrechte spätestens zehn Jahre nach der Börsennotierung bzw. der Einbeziehung der Aktien in den Freiverkehr, wobei diese Frist durch Satzungsregelung verkürzt (§ 135a Abs. 2 S. 2 AktG n.F.) oder – frühestens ein Jahr vor Ablauf der Frist – durch eine Satzungsänderung mit Dreiviertel-Kapitalmehrheit um bis zu weitere zehn Jahre verlängert werden kann (§ 135a Abs. 2 S 3, 4 AktG n.F.).

Bei nicht-börsennotierten Gesellschaften gilt weder der gesetzliche Erlöschensgrund der Übertragung, noch sind Mehrstimmrechtsaktien befristet. Gleichwohl steht es der Gesellschaft frei, satzungsmäßige Beschränkungen festzulegen (§ 135a Abs. 3 AktG n.F.). 

Sofern es zum Erlöschen von Mehrstimmrechten kommt, verringert sich die Gesamtzahl der Stimmrechte an der betreffenden Gesellschaft. Entsprechend verändert sich auch das Stimmgewicht der Aktionäre. Dies kann dazu führen, dass ein Aktionär die Kontrollschwelle gemäß § 29 Abs. 2 WpÜG überschreitet und damit grundsätzlich verpflichtet wäre, ein Pflichtangebot i.S.d. § 35 WpÜG zu veröffentlichen. In den Erläuterungen zum ZuFinG wird indes auf die Möglichkeit zur Befreiung vom Pflichtangebot wegen Verringerung der Gesamtzahl der Stimmrechte an der Zielgesellschaft gemäß § 37 WpÜG i.V.m. § 9 S. 1 Nr. 5 WpÜGAngebV verwiesen.

In Bezug auf Mehrstimmrechtsaktien enthält das ZuFinG teilweise strengere Beschränkungen als die entsprechenden Bestimmungen im derzeit auf europäischer Ebene diskutierten Entwurf zum sog. EU Listing Act. So sieht dieser etwa keine ausdrückliche Begrenzung der Mehrstimmrechtsaktien auf das zehnfache Stimmrecht vor, sondern fordert nur generell Schutzmaßnahmen zugunsten von Aktionären mit einfachem Stimmrecht. Andererseits ist der Anwendungsbereich der Regelungen des EU Listing Act zu Mehrstimmrechtsaktien auf nicht-börsennotierte Aktiengesellschaften beschränkt, die eine Zulassung zu einem KMU-Wachstumsmarkt anstreben, wohingegen die Regelungen des ZuFinG grundsätzlich allen Gesellschaften im Anwendungsbereich des Aktiengesetzes zugänglich sind – unabhängig von deren Börsennotierung.

Schaffung einer Börsenmantelaktiengesellschaft als deutsche SPAC

Wegen bestehender Beschränkungen des deutschen Aktienrechts, insbesondere in den Bereichen der Kapitalaufbringung und -erhaltung, erfolgten deutsche SPAC-Transaktionen bislang ausschließlich unter Verwendung ausländischer Rechtsformen, insbesondere der Societas Europaea (SE) nach luxemburgischem Recht. Dementsprechend wurde der Wertpapierprospekt jeweils durch die ausländische Aufsichtsbehörde gebilligt und sodann im Wege des sog. EU-Passporting nach Deutschland notifiziert (Art. 24 EU-ProspektVO). Das ZuFinG schafft nunmehr eine neue Rechtsformvariante in Form der Börsenmantelaktiengesellschaft (BMAG), deren gesetzlicher Zweck die Erreichung der eigenen Börsenzulassung ist (§ 44 Abs. 1 S. 1 Börsengesetz (BörsG) n.F.), und möchte damit auch originäre SPAC-Transaktionen in Deutschland ermöglichen.

Die im neu eingefügten Abschnitt 4a des Börsengesetzes geschaffenen Spezialregelungen zur BMAG sind in ergänzender Anwendung des allgemeinen Aktienrechts (§ 44 Abs. 7 BörsG n.F.) ausschließlich anwendbar auf Aktiengesellschaften bzw. Societas Europaea (SE) nach deutschem Recht (§ 44 Abs. 4 BörsG n.F.):

a) deren Satzung die folgenden Bestimmungen enthält:

(i) Gegenstand der Gesellschaft ist die Verwaltung des eigenen Vermögens, die Vorbereitung und Durchführung des eigenen Börsengangs sowie die Vorbereitung und der Abschluss der Übernahmetransaktion, die den im Börsenzulassungsprospekt beschriebenen Kriterien entspricht und sich auf ein Unternehmen bezieht, das nicht an einer Wertpapierbörse notiert ist (Zieltransaktion);

(ii) der Bestand der Gesellschaft ist abhängig von der Durchführung der Zieltransaktion innerhalb der in der Satzung der Gesellschaft festgelegten Frist zwischen 24 und 36 Monaten ab der Zulassung der Aktien der Gesellschaft zum Handel am regulierten Markt;

(iii) die Möglichkeit zur Abhaltung einer virtuellen Hauptversammlung ist vorgesehen; und

b) deren Wertpapiere an einem regulierten Markt nach § 32 BörsG zugelassen wurden.

Die BMAG muss grundsätzlich als Aktiengesellschaft verfasst sein und in ihrer Firma die Bezeichnung „Börsenmantelaktiengesellschaft" oder eine allgemeinverständliche Abkürzung tragen (§ 44 Abs. 5 BörsG n.F.). Aufgrund der entsprechenden Anwendbarkeit der Regelungen zur Aktiengesellschaft auf die Societas Europaea (SE) nach Art. 10 SEVO3 ist die Sonderform der BMAG jedoch auch Societas Europaea (SE) nach deutschem Recht zugänglich (§ 44 Abs. 8 BörsG n.F.).

Entscheidende Voraussetzung für das Fortbestehen der BMAG ist die Zieltransaktion, über deren Durchführung die Hauptversammlung mit einer Dreiviertel-Kapitalmehrheit entscheidet (§ 46 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1 BörsG n.F.) und bei der das Stimmrecht der Initiatoren, d.h. der Gründer und Vorstandsmitglieder, die Aktien oder sonstige Bezugsrechte halten, ausgeschlossen ist (§ 46 Abs. 3 S. 2 BörsG n.F.).

Droht die satzungsgemäße Frist für den Bestand der BMAG abzulaufen, ohne dass eine Zieltransaktion durchgeführt wurde, kann diese durch satzungsändernden Beschluss um jeweils bis zu 12 Monate auf insgesamt bis zu 48 Monate verlängert werden (§ 44 Abs. 3 S. 4 BörsG n.F.). Läuft die Frist aus, stellt dies einen Auflösungsgrund für die BMAG sowie einen Grund für einen möglichen Widerruf der Börsenzulassung durch die Geschäftsführung der Börse nach § 39 BörsG dar (§ 47b Abs. 1 S. 1 BörsG n.F.) dar. Wird dagegen der Erwerb von Vermögenswerten im Wert von mindestens 80% der geleisteten Einlagen vollständig bis zum Ablauf der Frist durchgeführt, wird die Gesellschaft ohne den BMAG-Zusatz nach den Vorschriften des Aktiengesetzes fortgeführt (§ 47b Abs. 1 S. 2 BörsG). 

Das ZuFinG bewältigt dabei auch die bisher bestehenden Hürden des deutschen Aktienrechts in Bezug auf SPAC-Transaktionen:

a) Als Ausnahme zum allgemeinen Kapitalaufbringungsgrundsatz muss die geleistete Einlage durch einen geeigneten Treuhänder auf einem Treuhandkonto (escrow account) gehalten werden und ist damit der Verfügung durch den Vorstand weitgehend entzogen (§ 45 Abs. 1, Abs. 2 BörsG n.F.).

b) Darüber hinaus sieht das ZuFinG eine Sonderregelung für Aktionäre vor, die dem Beschluss zur Durchführung der Zieltransaktion widersprochen haben und ihr vertraglich eingeräumtes Recht auf Rückgewähr ihrer Investition geltend machen und aus der BMAG ausscheiden wollen. Während eine solche Einlagenrückgewähr nach bisheriger Rechtslage nur unter Auflösung der Gesellschaft möglich gewesen wäre, haben widersprechende BMAG-Aktionäre nunmehr die Möglichkeit, der Gesellschaft innerhalb von zwei Monaten ab Fassung des Hauptversammlungsbeschlusses die Übertragung ihrer Aktien gegen Rückzahlung von Einlage und Agio anzudienen (redemption right), was mit dem Kapitalerhaltungsgrundsatz für vereinbar erklärt wird (§ 47 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 BörsG n.F.). Zudem wird die Grenze des § 71 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 S. 1 AktG für die Zwecke des Erwerbs eigener Aktien durch die BMAG zur Erfüllung der Ansprüche der Aktionäre aus dem Andienungsrecht von 10% auf 30% des Grundkapitals angehoben (§ 47 Abs. 2 AktG n.F.).

c) Die Zulässigkeit der Ausgabe selbstständiger Optionsscheine (naked warrants) auf zusätzliche Aktien der Gesellschaft, welche unabhängig von einer Optionsschuldverschreibung (§ 221 Abs. 1 S. 1 AktG) begeben werden, ist vor dem Hintergrund des Verbots der Ausgabe von der Aktionärsstellung entkoppelter Bezugsrechte (§ 187 Abs. 2 AktG) grundsätzlich umstritten. Die Regelungen zur BMAG lassen die Ausgabe von selbstständigen Optionsscheinen dagegen ausdrücklich zu, soweit diese aus bedingtem Kapital gemäß § 192 AktG bedient werden (§ 47a Abs. 1 AktG n.F.). Die Mindesthaltefrist für solche Optionsscheine gem. § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG wird dabei für unanwendbar erklärt (§ 47a Abs. 2 BörsG n.F.).

Einführung der elektronischen Aktie (e-Aktie)

Mit der Einführung der e-Aktie schafft der Gesetzgeber keine neue Aktiengattung, sondern öffnet das Aktiengesetz und das vor zwei Jahren neu eingeführte Gesetz über elektronische Wertpapiere (eWpG) nun auch für die elektronische Begebung von Aktien durch die Eintragung in ein elektronisches Wertpapierregister. Für Inhaberschuldverschreibungen bestand diese Möglichkeit bereits seit Juni 2021.

Die Registrierung der emittierten Aktien im elektronischen Wertpapierregister tritt dabei an die Stelle der zuvor erforderlichen Ausstellung einer Wertpapierurkunde (§ 2 Abs. 1 eWpG). Das eWpG unterscheidet dabei zwei Arten von elektronischen Wertpapierregistern: Das zentrale Register und das Kryptowertpapierregister. Während beim zentralen Register die registerführende Stelle über eine eigene Registeränderungsbefugnis verfügt und diese zentral ausübt, ist es für Kryptowertpapierregister charakteristisch, dass sie dezentral sowie weitgehend algorithmenbasiert und automatisiert geführt werden. Zentrale Register dürfen nur von Wertpapiersammelbanken und Zentralverwahrern (in Deutschland: Clearstream Banking AG) geführt werden, wohingegen Kryptowertpapierregister grundsätzlich von jedem Unternehmen geführt werden können, welches über eine entsprechende Erlaubnis für die Erbringung von Finanzdienstleistungen verfügt. Der registerführenden Stelle kann dabei zusätzlich die Führung des Aktienregisters als separates Register für Namensaktien (statt der Führung durch den Emittenten selbst) übertragen werden (§ 30a eWpG n.F.).

Namensaktien können sowohl durch Eintragung in ein zentrales Register als auch durch Eintragung in ein Kryptowertpapierregister unter Verwendung der Blockchain-Technologie emittiert werden. Für Inhaberaktien steht dahingegen nur das zentrale Register zur Verfügung; Inhaberkryptoaktien sieht das ZuFinG dementsprechend nicht vor (§ 1 Nr. 2, 3 eWpG n.F.). Dies beruht im Wesentlichen auf geldwäscherechtlichen Bedenken des Gesetzgebers, da die Feststellung des wirtschaftlich Berechtigten bei Inhaberaktien, die mittels Blockchain-Technologie prinzipiell ohne Intermediäre ein- bzw. umgebucht werden können, erheblich erschwert würde. Daneben treten gesellschaftsrechtliche Herausforderungen, wie beispielsweise die Identifizierung des Aktionärs, die sich bei Namensaktien durch das Führen eines Aktienregisters nicht stellen. Mögliche Einsparungspotenziale (v.a. in Bezug auf Transaktions- und Verwaltungskosten) durch die Emission von Kryptoaktien und dem damit einhergehenden weitgehenden Verzicht auf Intermediäre bleiben damit ausschließlich Emittenten von Namensaktien vorbehalten.

Möchten Emittenten ihre Aktien als e-Aktien in ein elektronisches Wertpapierregister eintragen lassen, so muss die physische Verbriefung in der Satzung ausgeschlossen sein (§ 10 Abs. 6 S. 1 AktG n.F.). Emittenten, die Namensaktien in der Form von Kryptoaktien ausgeben möchten, müssen dies ausdrücklich in der Satzung zulassen (§ 10 Abs. 6 S. 2 AktG n.F.). Dahingegen bedarf es keiner solchen expliziten Satzungsbestimmung für die Zulässigkeit der Begebung und Registrierung elektronischer Aktien in einem Zentralregister (§§ 10 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, Abs. 6 AktG n.F.).

Schließlich stellt das ZuFinG klar, dass es auch möglich sein soll, bereits emittierte und durch Wertpapierurkunde verbriefte Aktien durch e-Aktien zu ersetzen (§ 6 Abs. 3, Abs. 4 eWpG).

Weitere Änderungen

Neben diesen wesentlichen Neuerungen durch das ZuFinG für das Aktien- und Kapitalmarktrecht finden sich auch zahlreiche weniger bedeutende Änderungen in anderen Gesetzen wieder, wie etwa die Folgenden:

a) Für Börsennotierungen wird der Mindestbetrag der zuzulassenden Aktien von 1,25 Mio. € auf 1 Mio. € herabgesenkt (§ 2 Abs. 1 S. 1 BörsZulV n.F.).

b) Während bislang grundsätzlich eine Börsenzulassung zusammen mit einem Kreditinstitut, Finanzdienstleistungsinstitut, einem Wertpapierinstitut oder einem nach § 53 Abs. 1 S. 1 oder § 53b Abs. 1 S. 1 KWG tätigen Unternehmen zu beantragen war (§ 32 Abs. 2 S. 1 BörsG), können Börsenordnungen künftig vorsehen, dass Emittenten einen entsprechenden Antrag allein stellen können (§ 32 Abs. 2a BörsG n.F.). Dies gilt jedoch nur für Zulassungen außerhalb von Teilbereichen des regulierten Marktes mit besonderen Pflichten, d.h. an der Frankfurter Wertpapierbörse nur für den General Standard und nicht für den Prime Standard.

 

Fußnoten

1 Verordnung (EU) 2017/1129 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt zu veröffentlichen ist und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/71/EG, in ihrer derzeit gültigen Fassung.

2 Verordnung über den Inhalt der Angebotsunterlage, die Gegenleistung bei Übernahmeangeboten und Pflichtangeboten und die Befreiung von der Verpflichtung zur Veröffentlichung und zur Abgabe eines Angebots.

3 Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE), in ihrer derzeit gültigen Fassung.