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Covid-19 Coronavirus: Änderung des Infektionsschutzgesetzes des Bundes

Nachdem die bayerische Staatsregierung bereits letzte Woche Pläne verlauten ließ, ein bayerisches Infektionsschutzgesetz zu erlassen, das ausreichende Grundlagen schaffen sollte, um im Notfall die Aufrechterhaltung des Gesundheitssystems sicherzustellen und dessen Handlungsfähigkeit kurzfristig erhöhen zu können, plante auch die Bundesregierung, das bereits bestehende Infektionsschutzgesetz (auf Bundesebene) zu ändern. Der Entwurf eines Gesetzes zum „Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ wurde am Mittwoch vom Bundestag beschlossen, es soll noch in dieser Woche vom Bundesrat beraten und dann ggf. noch im Laufe dieser, jedenfalls aber Anfang der kommenden Woche in Kraft treten.

Das Infektionsschutzgesetz enthält die Grundlage für fast alle bisher im Kampf gegen das Coronavirus getroffenen Maßnahmen. Das derzeitige Infektionsschutzgesetz ist jedoch v.a. auf präventive Maßnahmen ausgelegt und ermächtigt ausschließlich die jeweiligen Landesbehörden, entsprechende Anordnungen zu treffen und Maßnahmen vorzunehmen. Jedoch habe der durch die Corona-Pandemie vorherrschende Ausnahmezustand gezeigt, dass diese Kompetenzverteilung im Rahmen einer sich dynamisch entwickelnden, grenzüberschreitenden Ausbruchssituation  nicht immer ausreichend ist, um der Gefährdung der öffentlichen Gesundheit effektiv vorzubeugen.

Durch die im Gesetzesentwurf vorgesehenen Änderungen des Infektionsschutzgesetzes, über die der Bundestag am Mittwoch den 25.03.2020 beschlossen hat, soll die Handlungsfähigkeit der Bundesbehörden erhöht werden. Nach dem Gesetzesentwurf kann die Bundesregierung unter bestimmten Voraussetzungen feststellen, dass eine epidemische Lage von nationaler Tragweite vorliegt. An diese Feststellung sind umfangreiche Kompetenzen des Bundes, insbesondere des Gesundheitsministeriums geknüpft. Dieses kann Anordnungen treffen oder umfangreiche Rechtsverordnungen erlassen, um Maßnahmen zur Grundversorgung mit Arzneimitteln, einschließlich Betäubungsmitteln, Medizinprodukten, Labordiagnostik, Hilfsmitteln, Gegenständen der persönlichen Schutzausrüstung und Produkten zur Desinfektion sowie zur Stärkung der personellen Ressourcen im Gesundheitswesen zu treffen.

Die Bundesregierung hat die epidemische Lage von nationaler Tragweite unverzüglich für beendet zu erklären, wenn (i) die Voraussetzungen für ihre Feststellung nicht mehr gegeben sind oder (ii) der Bundestag oder der Bundesrat dies verlangen. Sobald die epidemische Lage von nationaler Tragweite beendet worden ist, verlieren sämtliche Maßnahmen, die zuvor getroffen wurden, ihre Gültigkeit.

Erwähnenswert sind insbesondere die folgenden Neuerungen: 

  • Das Gesundheitsministerium kann Rechtsverordnungen zur Sicherstellung der Versorgung mit Arzneimitteln, Betäubungsmitteln, Medizinprodukten, Schutzausrüstung, Desinfektionsmittel und ähnlichen Gegenständen erlassen. In den Rechtsverordnungen können insbesondere regulatorische Erleichterungen für die Zulassung der Produkte, Melde- und Anzeigepflichten und Regelungen zur Preisbildung vorgesehen werden. Darüber hinaus können Regelungen zu einer Sicherstellung und Verwendung der vorgenannten Produkte durch den Staat und zu deren Produktion, insbesondere auch Produktionsverpflichtungen, getroffen werden.
  • Das Gesundheitsministerium kann Rechtsverordnungen zur Aufrechterhaltung der Gesundheitsversorgung oder der pflegerischen Versorgung erlassen und dabei insbesondere weitere Arbeitskräfte (Rekrutierung von Studierenden, Einbeziehung medizinisch oder pflegerisch geschulten Personals) mobilisieren und die Arbeit von Ärzten zu geeignetem Fachpersonal umverteilen.
  • Das Gesundheitsministerium kann in Bezug auf grenzüberschreitende Reisen Anordnungen (insbesondere Einreisebeschränkungen und Auflagen, wie z.Bsp. Auskunftspflichten der Einreisenden, Dulden ärztlicher Untersuchungen) erlassen. Darüber hinaus können Reiseveranstalter und Unternehmen, die im Bahn-, Bus- Schiff- oder Flugverkehr tätig sind, zur Mitwirkung und Durchsetzung solcher Maßnahmen verpflichtet werden.
  • Von besonderer Bedeutung für die Praxis könnte sich die in § 5 Abs. 2 Nr. 4 IfSG-E vorgesehene Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen erweisen. Hiernach können nähere Regelungen getroffen werden betreffend Maßnahmen zum Bezug, zur Beschaffung, Bevorratung, Verteilung und Abgabe bestimmter Produkte sowie diesbezügliche Melde- und Anzeigepflichten. Weiter können Verkaufsverbote erlassen werden oder Regelungen zur Abgabe, Preisbildung, Erstattung und Vergütung zu beachten sein. Laut Gesetzesbegründung soll diese Anordnungsbefugnis sich beispielsweise auf die Außerkraftsetzung sozialrechtlicher Vorgaben zur Austauschbarkeit von Arzneimitteln, die Geltung von Rabattverträgen oder auch auf die in der Arzneimittelpreisverordnung festgelegten Zuschläge beziehen. Es liegt aber auch nicht fern, hierin eine Ermächtigung zu sehen, die ein Vorgehen gegen übermäßige Preiserhöhungen ermöglicht, wie sie in der aktuellen Situation etwa bei Schutzmasken zu beobachten sind.
  • § 28 IfSG, auf dessen Grundlage auch bisher Schließungen und Ausgangssperren angeordnet wurden, wird ergänzt und sieht nun explizit vor, dass Anordnungen wie Quarantäne, Veranstaltungsverbote, Verbote von Menschenansammlungen, Ausgangssperren und Schließung von Badeanstalten, Schulen oder Kindergärten getroffen werden können. Interessant ist, dass die Schließung von Unternehmen (z.Bsp. Restaurants, Fitnesseinrichtungen) nicht explizit genannt wird.
  • Erstmals sollen Eltern einen Entschädigungsanspruch (gegen den Staat) geltend machen können, wenn sie ihre Kinder aufgrund geschlossener Betreuungseinrichtungen selbst betreuen müssen und dadurch einen Verdienstausfall erleiden. Erstattet werden maximal 67% des Verdienstausfalls (höchstens 2.016€/Monat) für einen Zeitraum von maximal 6 Wochen. Dieser Entschädigungsanspruch soll nach dem derzeitigen Entwurf ab 1. Januar 2021 wieder entfallen (wieder aus dem Gesetz gestrichen werden).

Aufgrund der geplanten Gesetzesänderung auf Bundesebene besteht wenig Raum für die konkurrierende Gesetzgebung der Länder. Das bisherige Argument der bayerischen Regierung, dass das Infektionsschutzgesetz keine Maßnahmen zur Verbesserung und Sicherstellung der medizinischen Versorgung im Notfall vorsieht, erscheint jedenfalls nach der Verabschiedung der jetzt auf Bundesebene vorgesehenen Änderungen fraglich. Es spricht einiges dafür, dass der Bund durch diese Gesetzesänderung von seiner Gesetzgebungskompetenz abschließend Gebrauch macht und die Gesetzgebungskompetenz der Länder entsprechend entfällt. Bereits erlassene Landesgesetze würden mit Inkrafttreten der Änderungen gem. Art. 31 GG verdrängt.