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Zweites OLG-Urteil zu Mietzahlungen bei pandemiebedingten Schließungen – Anpassung nur im Ausnahmefall

Am selben Tag wie das OLG Dresden (Urteil v. 24.02.2021, Az. 5 U 1782/20) urteilte auch das OLG Karlsruhe (Urteil v. 24.02.2021, Az. 7 U 109/20) zu den Auswirkungen behördlicher Schließungsanordnungen auf die Mietzahlungspflicht von Gewerbemietern. Hierbei entschieden die Karlsruher Richter im Ergebnis anders ihre Dresdner Kollegen.

Wie im Dresdner Urteil ging es auch beim OLG Karlsruhe um die Mietzahlungspflicht des Bekleidungseinzelhändlers KiK, der seine Filialen vom 18.03.2020 bis zum 19.04.2020 aufgrund der damals geltenden Coronaverordnung in Baden-Württemberg für den Kundenverkehr schließen musste. Daraufhin entschied man sich, die Mietzahlung für den April einzustellen, woraufhin der Vermieter klagte. In erster Instanz wurde die Beklagte zur Zahlung der einbehaltenen Miete in vollem Umfang verurteilt. Diese Entscheidung wurde nunmehr nach Berufung der Beklagten durch das OLG bestätigt.

Ebenso wie die Vorinstanz sah das OLG Karlsruhe durch die Schließungsanordnung im Verordnungswege weder einen Mangel der Mietsache noch ein Leistungshindernis i.S.e. Unmöglichkeit begründet und bestätigte damit die Rechtsprechungslinie einer Vielzahl land- und amtsgerichtlicher Entscheidungen, die ihrerseits auf die Entscheidung der Vorinstanz des LG Heidelberg aufbauten.

Anders aber als das OLG Dresden verneinte das OLG Karlsruhe auch eine Anpassung der Mietzahlung nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 1 BGB. Zwar schaffe der neu eingeführte Art. 240 § 7 EGBGB eine tatsächliche Vermutung für eine schwerwiegende Änderung der Umstände. Diese Vermutung betreffe aber lediglich das sog. „reale Element“ des § 313 Abs. 1 BGB und sei zudem widerleglich. Die für die im Rahmen der Vertragsanpassung zusätzlich vorzunehmende Interessensabwägung und entscheidende Risikoverteilung dagegen sei von dieser Vermutung nicht erfasst. Hierbei betonte das OLG ausdrücklich, dass die Schließungsanordnung das Verwendungsrisiko des Mieters betreffe. Bei Prüfung der Zumutbarkeit sei zudem zu berücksichtigen, inwieweit Umsatzeinbußen durch den Erhalt staatlicher Hilfen wie Kurzarbeitergeld und andere Einsparungen kompensiert würden. Maßgeblich seien nach wie vor die Umstände des Einzelfalls. Im Prozess habe die Beklagte jedenfalls nicht dargetan, dass es für sie unzumutbar wäre, an der Mietzahlungspflicht in voller Höhe festzuhalten. Eine andere Bewertung sei mglw. bei einer drohenden Existenzvernichtung, u.U. bereits bei einer schweren Beeinträchtigung des wirtschaftlichen Fortkommens geboten. Ein solcher Fall eines schlechthin nicht mehr hinnehmbaren Ergebnisses, insb. einer Existenzgefährdung habe die Beklagte aber nicht vorgetragen. Des Weiteren sei auch nicht bewiesen, dass sich die Umsatzrückgänge allein auf die Schließungsanordnungen zurückführen ließen. Vielmehr sei insgesamt eine Änderung des Konsumentenverhaltens im Zusammenhang mit der Coronapandemie eingetreten, die alleine das Risiko des Mieters betreffe.

Hierbei bekräftigte das Gericht zudem anders als das LG München I (Urt. v. 12.02.2021, Az. 31 O 11516/20), dass bei dieser Abwägung auch das wirtschaftliche Gesamtbild eines Konzernes und nicht bloß die einzelne Filiale betrachtet werden dürfe, ohne dabei die konkreten Interessen aus dem Blick zu verlieren.

Weiter erteilte das OLG einer pauschalen hälftigen Teilung des Risikos aufgrund der Besonderheiten der Pandemie eine Absage. Eine solche Betrachtung umgehe die bei § 313 Abs. 1 BGB stets vorzunehmende Einzelfallbetrachtung.

Aufgrund der weiter umstrittenen Rechtsfragen die Auswirkungen der Schließungsanordnungen auf die Mietzahlungspflichten betreffend hat das OLG Karlsruhe die Revision zur Rechtsfortbildung zugelassen. Wie auch die am selben Tage zu den Fragen der Risikoverteilung ganz anders lautende Entscheidung des OLG Dresden zeigt, wird es bis zu einem höchstrichterlichen Urteil keine Rechtssicherheit geben.