Skip to content

Abfindungsberechtigung aus Sozialplan trotz Eigenkündigung des Arbeitnehmers

Kommentar zu LAG Nürnberg, Urteil vom 27.10.2020 - 7 Sa 157 /20: Die Anforderungen zur Darlegung einer vom Arbeitgeber veranlassten Eigenkündigung sind hoch

Problem

Wesentlicher Inhalt von im Zusammenhang mit Personalabbaumaßnahmen vereinbarten Sozialplänen sind Regelungen zum finanziellen Ausgleich für den betriebsbedingten Verlust von Arbeitsplätzen. Bei der Gestaltung haben die Betriebsparteien grundsätzlich einen weiten Spielraum.

Insbesondere können sie solche Arbeitnehmer ausschließen, die im Rahmen der Restrukturierung einen Aufhebungsvertrag abschließen oder eine Eigenkündigung aussprechen. Der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet davon aber eine Ausnahme, wenn die Eigenkündigung durch den Arbeitgeber veranlasst wurde. Das BAG geht von einer Veranlassung aus, ,,wenn der Arbeitgeber bei dem Arbeitnehmer im Hinblick auf eine konkret geplante Betriebsänderung die berechtigte Annahme hervorgerufen hat, mit der eigenen Initiative komme er einer sonst notwendigen betriebsbedingten Kündigung seitens des Arbeitgebers nur zuvor" (BAG, Urteil vom 26.10.2004 - 1 AZR 503/03, NZA 2005, 1264). Im Streitfall trägt der Arbeitnehmer die Darlegungslast dafür, dass er zur Eigenkündigung veranlasst wurde.

Doch welche Anforderungen sind an den klägerischen Vortrag zu stellen? Darüber hatte das LAG Nürnberg jüngst zu entscheiden. In dem Sachverhalt führte die Beklagte eine umfangreiche Restrukturierung durch und schloss mit dem Konzernbetriebsrat einen Sozialplan ab. Dieser Sozialplan sah ab einem bestimmten Stichtag auch Abfindungen für solche Arbeitnehmer vor, die im Hinblick auf die geplante Betriebsänderung von dem Arbeitgeber zur Eigenkündigung veranlasst wurden. Nachdem die Belegschaft in groben Zügen über die anstehenden Maßnahmen informiert wurde, kündigte der Kläger sein Arbeitsverhältnis und machte einen Anspruch auf Abfindung klageweise geltend. Gegen die Klageabweisung wandte er sich mit der Berufung.

Zusammenfassung

Das LAG Nürnberg hielt die Berufung für unbegründet. Dem Kläger stünde gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung einer Abfindung aus dem Sozialplan zu. Ein solcher Anspruch setze nämlich voraus, dass die Eigenkündigung des Klägers im Hinblick auf die geplante Betriebsänderung durch den Arbeitgeber veranlasst wurde. Dies sei vorliegend nicht der Fall gewesen. Nach allgemeinen Grundsätzen der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast sei es die Sache des Klägers, die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs vorzutragen und im Falle des Bestreitens durch die Beklagte zu beweisen. Der Kläger habe nicht hinreichend konkret dazu vorgetragen, auf welcher Grundlage die Beklagte bei ihm die berechtigte Annahme hervorgerufen habe, ihm drohe eine betriebsbedingte Kündigung. Dies sei Voraussetzung dafür, bei der Eigenkündigung des Klägers von einer Veranlassung derselben durch die Beklagte auszugehen.

Auf einer Betriebsversammlung sei schon nach eigenem Vorbringen des Klägers keine solche Maßnahme, insbesondere keine Stilllegung der von ihm geleiteten Abteilung oder auch nur die Streichung seines eigenen Arbeitsplatzes, bekanntgegeben worden. Soweit der Geschäftsführer der Beklagten gesagt habe, ein Geschäftsbereich sei als Spielball zu sehen, ergebe sich daraus auch nichts anderes. Es sei nicht zu erkennen, dass in dieser solchen Zustandsbeschreibung eine Betriebsänderung liegen könnte, die mit dem konkreten Verlust des Arbeitsplatzes des Klägers verbunden ist. Allenfalls liege darin eine Ankündigung unsicherer Zeiten für die Abteilungen, die diesem Geschäftsbereich zugeordnet sind. Soweit der Geschäftsführer auf der Betriebsversammlung die Aussage getroffen habe, die Braut für einen potenziellen Verkauf hübsch zu machen, sei auch hier nicht zu erkennen, wie der Kläger einen Zusammenhang zu dem konkreten Verlust seines Arbeitsplatzes herstellen wolle.

Gleiches gelte für den klägerischen Vortrag im Rahmen der mündlichen Verhandlung. Er zeige lediglich auf, wie Veränderungsprozesse im Unternehmen zu Unsicherheit bei der Belegschaft und bei dem ein oder anderen Mitarbeiter zur Eigeninitiative führen.

Praxisfolgen

Die Entscheidung liegt auf der Linie des BAG, das hohe Anforderungen an die Darlegungen eines Klägers oder einer Klägerin stellt, der oder die Sozialplanansprüche trotz ausgesprochener Eigenkündigung geltend macht.

Nicht jede Erklärung des Arbeitgebers im Rahmen einer Restrukturierung stellt eine Veranlassung zur Eigenkündigung dar. So genügt weder der bloße Hinweis auf eine unsichere Lage des Unternehmens oder auf notwendig werdende Betriebsänderungen noch der bloße Rat, sich eine neue Stelle zu suchen, um von einer Veranlassung auszugehen (BAG, BB 1995, 2534). Dass es sich um einen schmalen Grat handelt, zeigt eine ältere Rechtsprechung des BAG. Empfiehlt der Arbeitgeber nämlich den Arbeitnehmern auf einer Betriebsversammlung, sich nach anderen Arbeitsplätzen umzusehen, gilt eine deswegen erfolgte Eigenkündigung als veranlasst, wenn in der Folgezeit bereits einzelne Aufhebungsverträge abgeschlossen wurden (BAG, BB 1993, 792).

Im vorliegenden Fall ist die Entscheidung mangels hinreichend substantiierten Klägervortrages zu begrüßen. Wirkliche Rechtssicherheit bietet sie aber nicht. Es bleibt bei der eher schemenhaften Voraussetzung, dass die Eigenkündigung vom Arbeitgeber veranlasst worden sein müsse. Besonders praxisrelevant ist diese Frage bei zeitlich gestaffelten Personalabbaumaßnahmen. Wird ein Betriebsteil oder ein ganzer Betrieb in mehreren Schritten über einen längeren Zeitraum stillgelegt, stellt sich nicht nur die Frage, ob ein Arbeitnehmer einer betriebsbedingten Kündigung zuvorkommt, sondern auch zu welchem Zeitpunkt eine solche wirklich droht (was ein Ergebnis der durchzuführenden Sozialauswahl ist, d.h. in welcher ,,Welle" der einzelne Arbeitnehmer von einer Kündigung bedroht wäre) und zu welchem Zeitpunkt eine Eigenkündigung damit auch einen Sozialplananspruch auslöst. Insbesondere in diesen Konstellationen bleibt es Arbeitgebern somit anzuraten, in der Kommunikation der Ablaufschritte eines Personalabbaus sehr sorgfältig vorzugehen und es zu vermeiden, bestimmten Arbeitnehmergruppen den drohenden Wegfall ihres Arbeitsplatzes zu suggerieren, die entweder nicht sozialplananspruchsberechtigt sein sollen oder deren weiterer Einsatz unternehmerisch gewünscht ist. Die vorliegende Entscheidung zeigt somit deutlich auf, dass eine abgestimmte Kommunikationsstrategie nicht nur gegenüber dem Betriebsrat, sondern auch gegenüber der Belegschaft ein wesentlicher Faktor für das erfolgreiche Gelingen einer Restrukturierung ist.

Weitere relevante Expertise