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Gestaltungsspielraum bei der Inflationsausgleichsprämie

Arbeitsrechtliche Umsetzung des Einsatzes der freiwilligen Prämie - 
Bei der Gewährung der lnflationsausgleichsprämie muss sich der Arbeitgeber nicht allein der steuer- und sozialabgaberechtlichen Voraussetzungen, sondern auch der arbeitsrechtlichen Aspekte bewusst sein. Es besteht zudem Gestaltungsspielraum, der bei der Einführung der Prämie auch genutzt werden sollte.

Steuer- und sozialversicherungsprivilegierte Prämie nur "zusätzlich" zum vereinbarten Arbeitslohn

Die Einfügung der Inflationsausgleichsprämie in § 3 Nr. 11c EStG ermöglicht es Arbeitgebern, (rückwirkend) in der Zeit vom 26.10.2022 bis zum 31.12.2024 bis zu 3.000 € steuer- und sozial­leistungsfrei an ihre Arbeitnehmer zu zahlen. Mit der Schaffung dieser Möglichkeit möchte der Gesetzgeber inflationsbedingte, dauerhafte Lohnerhöhungen begrenzen, um nicht noch eine zusätzliche Lohn-Preis-Spirale in Gang zu setzen. Um die Steu­erfreiheit zu erlangen, muss die Prämie "zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn" gezahlt werden (§ 3 Nr. 11c EStG). Es ist also beispielsweise unzulässig, entgelt- oder sonstige ver­gütungsrelevante Leistungen zu kürzen und stattdessen eine Inflationsausgleichsprämie zu zahlen (vgl. § 8 Abs. 4 EStG). Wer hiergegen verstößt, riskiert zumindest weitreichende Steuer­nachzahlungen inklusive Säumniszuschlag. 

Erste Entscheidung: Einführung rein freiwillig

Arbeitgeberpräsident Dulger warnte zuletzt, dass viele Betriebe sich in der aktuellen Situation keine zusätzlichen Einmalzahlungen leisten könnten. Insoweit ist zunächst hervorzuheben, dass jeder Arbeitgeber frei in der Entscheidung darüber ist, seinen Arbeitnehmern zusätzlich die Inflations­ausgleichsprämie zukommen zu lassen. Zudem muss der Rahmen von 3.000 € nicht ausgeschöpft werden. Denkbar ist, beispielsweise zunachst nur 1.000 € auszuzahlen und im nächsten Geschäftsjahr - dann in Kenntnis der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung - erneut eine Entscheidung über eine etwaige weitere Prämie zu treffen.

Zweite Entscheidung: Einführung mittels Tarifver­trag, Betriebsvereinbarung oder individualvertraglich

Möchte man von der Möglichkeit der Inflationsausgleichs­prämie Gebrauch machen, stellt sich die Frage, welche betriebliche Rechtsgrundlage für die Prämie geschaffen werden soll. Die vergangenen Wochen haben gezeigt, dass die Inflationsausgleichsprämie wichtiger Baustein einer Einigung der Tarifparteien sein kann, auch wenn dies bisweilen nicht - wie wohl vom Gesetzgeber intendiert - zu einer moderate­ren prozentualen Tabellenentgelterhöhung geführt hat. Vorteil einer tariflichen Inflationsausgleichsprämie gegenüber einer (weiteren) prozentualen Erhöhung ist zudem, dass das Vergü­tungsniveau auf bisheriger Höhe bleibt, was sich insbesondere bei künftigen Verhandlungen auswirken wird. Außerdem bleibt die Inflationsausgleichsprämie bei der Berechnung von Zulagen und sonstigen Vergütungsbestandteilen, die typischerweise allein an das Grundgehalt anknüpfen, unberücksichtigt.

Kommt eine tarifvertragliche Grundlage nicht in Betracht, besteht aber ein Betriebsrat, ist die Einführung mittels einer Betriebsvereinbarung oder Regelungsabrede in der Regel die einfachste Lösung, da für die Festlegung der Verteilungsmaß­stäbe nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht besteht. Zuständig ist in der Regel ein eventuell bestehender Konzern- oder Gesamtbetriebsrat (so jedenfalls zu Corona­-Sonderzahlungen LAG Niirnberg vom 21.06.2021 - 1 TaBV 11/21). Besteht kein Betriebsrat, kann die Prämie natürlich auch rein individualvertraglich zugesagt werden.

Dritte Entscheidung: Differenzierung zwischen Mitarbeitergruppen?

Wer womöglich nicht allen Arbeitnehmern seines Unter­nehmens den Höchstbetrag der Inflationsausgleichsprämie gewähren will, kann Höhe und Auszahlungsmodalitäten der Prämie grundsätzlich an weitere Kriterien knüpfen. Bei der Auswahl der Kriterien ist aber besondere Vorsicht geboten: Erfolgt die Prämienzahlung nach einem erkennbaren und generalisierenden Prinzip, greift der arbeitsrechtliche Gleich­behandlungsgrundsatz. Bei der Auswahl der Kriterien, von denen der Arbeitgeber (bzw. die Betriebsparteien) das "Ob" und "Wie" der Zahlung abhängig machen will, muss daher überprüft werden, ob eine Ungleichbehandlung durch sach­liche Gründe gerechtfertigt ist. Da die Sonderzahlung die wirt­schaftliche Belastung abfedern soll, könnte Ansatzpunkt sein, welche Arbeitnehmer durch die gestiegenen Preise besonders betroffen sind. Das Anknüpfen an die Einkommenssituation oder an soziale Gesichtspunkte wie Unterhaltspflichten wäre somit denkbar. Eine Differenzierung nach Leistungskriterien verbietet sich hingegen. Dies ist für den Arbeitgeber besonders relevant, da die rechtlichen Konsequenzen bei der Missach­tung des Gleichbehandlungsgrundsatzes folgenschwer sind. Die gesamte ausgenommene Gruppe könnte einen Anspruch auf die Sonderzahlung geltend machen, sollte der Arbeitgeber keine nachvollziehbare sachliche gerechtfertigte Unterschei­dung darlegen/beweisen können.

Umsetzung: Fallstricke bei der Auszahlung

Bei der Zahlung der Prämie ohne kollektivrechtliche Grund­lage ist ein besonderes Augenmerk darauf zu legen, dass kein dauerhafter Anspruch des Arbeitnehmers entsteht. Da die Inflationsausgleichsprämie in mehreren Teilzahlungen bis 2024 gewährt werden kann, besteht die Gefahr des Entstehens einer betrieblichen Übung. Um dies zu verhindern, sollte die Zahlung mit einem verständlich und klar formulierten Vorbe­halt versehen werden.

Unabhängig von der rechtlichen Grundlage der Ein­führung ist im Rahmen der Einführung zudem eindeutig festzuhalten, dass die Prämie zur Milderung der zusätzlichen Belastung im Zusammenhang mit den derzeit hohen Ver­braucherpreisen geleistet wird. Eine entsprechende Zweckbe­stimmung erfordert § 3 Nr. 11c EStG, nach dessen Wortlaut die Prämie ,,zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise" gewährt werden muss.

Schlussbemerkung

Die Inflationsausgleichsprämie stellt ein probates Mittel dar, Mitarbeiter ohne Abgabenlast in Krisenzeiten zu unter­stützen. Die Prämie hat außerdem gegenüber prozentualen Entgelterhöhungen den Vorteil, dass das bisherige Grundver­gütungsniveau unangetastet bleibt, was bei späteren Entgelt­runden von Vorteil ist. 

Sollten Tarifverhandlungen noch ausstehen, ist zunächst Zurückhaltung geboten, um einem Tarifabschluss nicht zuvorzukommen und sich dem Risiko auszusetzen, dass bereits vorgenommene Leistungen nicht mehr in die Verhand­lungen eingebracht werden können und schlimmstenfalls nicht einmal anrechenbar sind.

 

Thomas Ubber / Dr. Hendric Stolzenberg, in: DER BETRIEB // Nr. 49 // 05.12.2022

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