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Abhilfeklagen werden Prozessrisiko für Unternehmen erhöhen

Der bisher unveröffentlichte Referentenentwurf zur Umsetzung der EU-Verbandsklagenrichtlinie sieht erstmals im deutschen Rechtsschutzsystem eine Verbandsklage auf Leistung vor. Dabei werden Verbraucher neben Schadensersatz auch beispielsweise Reparatur, Vertragsauflösung, Preisminderung oder Kaufpreiserstattung einklagen können.

Bisher war das deutsche Kollektivrechtsschutzsystem auf Musterfeststellungsverfahren beschränkt, die es Gerichten erlauben, Feststellungen für eine Vielzahl von Verfahren zu treffen. Kläger mussten trotzdem im Anschluss an das rechtskräftige Musterfeststellungsurteil bisher ihre Forderungen individuell durchsetzen, soweit kein Vergleich erreicht werden konnte. Viele Verbraucher scheuten solche Bemühungen.

Bestimmte Verbände sollen nun laut Presseberichten erstmalig direkt Abhilfe für betroffene Verbraucher einklagen können. Darüber hinaus soll die Verbandsklage auch kleinen Unternehmen (bis 50 Beschäftigte oder zehn Million Euro Jahresumsatz) offenstehen. Verbraucher bzw. klagende Unternehmen sollen sich bis spätestens zum Beginn der mündlichen Verhandlung der Verbandklage anschließen können (Opt-in).

Das Verfahren soll in drei Phasen gegliedert sein. Sofern das befasste Gericht die Klage für begründet hält, erlässt es als erstes ein Abhilfegrundurteil. In einer anschließenden Vergleichsphase, können die Parteien den Rechtsstreit einvernehmlich beilegen. Können sich die Parteien nicht einigen, soll das Gericht in einer dritten Phase einen Sachwalter bestellen. Dieser soll dann den vom Gericht festgestellten Gesamtschadensersatzbetrag an die Verbraucher verteilen.

Neu ist auch, dass Gerichte eine Anordnung der Vorlage von Beweismitteln sanktionieren können dürfen. Damit geht der Referentenentwurf über die bisherige Regelung in § 142 ZPO hinaus.

Besonders relevant könnte werden, dass Abhilfeklagen auch grenzüberschreitend innerhalb der EU möglich sein sollen. Ausländische Gesetzgeber können über die Mindestanforderungen der EU-Verbandsklagenrichtlinie hinaus günstigere Voraussetzungen für potentielle Kläger schaffen.

Mit der Einführung der Abhilfeklage steigt das Risiko, dass Unternehmen sich aufwendig auch gegen unberechtigte Ansprüche verteidigen müssen. Die Verbandsklagerichtlinie muss bis zum 25. Dezember 2022 in deutsches Recht umgesetzt werden und ab Juni 2023 sollen die neuen Regelungen in Kraft treten.