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Weitere Entwicklungen zur umsatzsteuerlichen Behandlung der Vergütungen von Aufsichtsräten

Die Finanzverwaltung hat ihre Rechtsauffassung zu verschiedenen, offenen Fragen im Zusammenhang mit der Umsatzsteuerbesteuerung von Aufsichtsräten präzisiert. Vor diesem Hintergrund könnte sich für Unternehmen weiterer Handlungsbedarf ergeben.

Hintergrund

Im Jahr 2021 erfolgte ein Paradigmenwechsel im Hinblick auf die Besteuerung von Aufsichtsratsmitgliedern, die bis dahin regelmäßig als umsatzsteuerliche Unternehmer angesehen wurden. Nachdem die Rechtsprechung dieser Auffassung eine Absage erteilte, änderte auch die Finanzverwaltung die entsprechenden Regelungen im Umsatzsteueranwendungserlass (vgl. hierzu unseren Client Alert vom 9. November 2021). Danach unterliegt die Tätigkeit eines Aufsichtsrats nur dann der Umsatzbesteuerung, wenn die Vergütung mindestens zu 10% in variabler Form erfolgt.

Präzisierungen durch Finanzverwaltung

Die Finanzverwaltung hat in einem jüngeren Schreiben (BMF, Schr. v. 29.3.2022 - III C 2 - S 7104/19/10001:005) noch einmal zu verschiedenen, offenen Anwendungsfragen im Zusammenhang mit der Umsatzbesteuerung von Aufsichtsräten Stellung genommen und dabei Folgendes klargestellt:

Zeitpunkt der Leistung 

Maßgeblicher Leistungszeitpunkt für die Tätigkeit des Aufsichtsratsmitglieds ist der Ablauf des Geschäftsjahrs der Gesellschaft. Das Kalenderjahr ist somit hierfür unbeachtlich. Erhält das Mitglied für die Teilnahme an einer Aufsichtsratssitzung Auslagenersatz und Sitzungsgeld, ist der maßgebliche Leistungszeitpunkt der Tag der Aufsichtsratssitzung. Mithin werden zwei unterschiedliche Leistungszeitpunkte angenommen, was für die Abrechnung entsprechender Leistungen von Bedeutung ist.

Prüfung der 10%-Grenze anhand einer Prognose: Zur Bestimmung der relevanten Grenze der variablen Einkünfte sind nur solche Vergütungsbestandteile zu berücksichtigen, die sich auf Leistungen beziehen, welche in dem entsprechenden Geschäftsjahr ausgeführt wurden. Das Kalenderjahr ist mithin auch hierfür unbeachtlich. Für die Ermittlung der 10%-Grenze ist zudem eine Prognose der Einkünfte zum Beginn des Geschäftsjahres zu erstellen, bei der alle geplanten Sitzungsgelder zu berücksichtigen sind. Nachträgliche Änderungen, z.B. wenn ein Aufsichtsratsmitglied nicht an einer Sitzung teilnimmt, bleiben unberücksichtigt. Hieraus erwächst u.E. das Erfordernis einer genauen Dokumentation der Ermittlung einer entsprechenden Prognose.

Zeitlicher Anwendungsbereich

Die Präzisierungen der Finanzverwaltung sind grundsätzlich in allen offenen Fällen anzuwenden. Es wird jedoch eine Nichtbeanstandungsregelung für die Fälle eingeräumt, in denen das Geschäftsjahr der Gesellschaft vor dem 1. Januar 2022 begonnen hat. Im Hinblick auf den Leistungszeitpunkt wird es für die Geschäftsjahre, die vor dem 1.1.2022 geendet haben, nicht beanstandet, wenn noch auf den Termin der Hauptversammlung als maßgeblichen Zeitpunkt abgestellt wird.

Handlungsbedarf

Im Hinblick auf die vorgenannten Klarstellungen durch die Finanzverwaltung ergibt sich für die betroffenen Aufsichtsräte bzw. die Unternehmen folgender Handlungsbedarf:

Vielfach erfolgt die Abrechnung von Vergütungen von Aufsichtsräten und weiterer Gremienmitglieder in enger Abstimmung zwischen Unternehmen und Mitglied, wobei in der Praxis häufig das umsatzsteuerliche Gutschriftsverfahren Anwendung findet. Im Hinblick auf die durch die Finanzverwaltung angenommenen Leistungszeitpunkte ist somit in Abstimmung von Mitglied und Unternehmen der Abrechnungsprozess von teilnahmeabhängigen Sitzungsgeldern und eines Auslagenersatzes so umzustellen, dass er den neuen Verwaltungsgrundsätzen entspricht.

Entscheidend für die Frage, ob ein einzelner Aufsichtsrat als umsatzsteuerlicher Unternehmer qualifiziert oder nicht, ist fortan die Prognose der Einkünfte aus seiner Tätigkeit zu Beginn des Geschäftsjahres des Unternehmens. Diese Prognose ist somit in Abstimmung zwischen Mitglied und Unternehmen besonders sorgfältig durchzuführen und zu dokumentieren, um Diskussionen mit der Finanzverwaltung zur Qualifikation der Tätigkeiten und damit verbundene umsatzsteuerliche Risiken zu vermeiden.

 

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