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VAT in the Digital Age: EU-Kommission veröffentlicht weitreichenden Reformvorschlag (Teil 1)
Autor
28 Februar 2023
Hintergrund
Das derzeitige Mehrwertsteuersystem in der Europäischen Union ist im Hinblick auf die Regelungen zum grenzüberschreitenden Handel fast 30 Jahre alt. Der zunehmende technologische Wandel sowie die sich dynamisch entwickelnden, digitalen Geschäftsmodelle – mit vielschichtigen, grenzüberschreitenden Transaktionsformen – führen dazu, dass die in diesem Bereich geltenden, umsatzsteuerlichen Besteuerungsprinzipien an ihre Grenzen stoßen. So geht die EU-Kommission davon aus, dass den Mitgliedstaaten im Jahr 2020 Umsatzsteuereinnahmen in Höhe von 93 Mrd. EUR entgangen sind, wovon ein bedeutsamer Teil auf betrügerische Strukturen im Zusammenhang mit dem Handel innerhalb der EU zurückzuführen sein sol.
Vor diesem Hintergrund zielt die Initiative "VAT in the Digital Age" darauf ab, das EU-Mehrwertsteuersystem an die Herausforderungen und Chancen der Digitalisierung anzupassen, den grenzüberschreitenden elektronischen Handel zu fördern, die Steuerbetrugsbekämpfung zu verstärken und die Verwaltungslasten für Unternehmen und Steuerverwaltungen zu verringern.
Die EU-Kommission legte nun am 8. Dezember 2022 ihren lange erwarteten Vorschlag zu den in diesem Zusammenhang geplanten Änderungen der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (2006/112/EG), der Mehrwertsteuer-Durchführungsverordnung (Nr. 282/2011) sowie der Verordnung über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden und die Betrugsbekämpfung auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer (Nr. 904/2010) vor.
Überblick zum Maßnahmenpaket
Der Richtlinienvorschlag sieht Maßnahmen in drei Bereichen vor:
- Einführung von transaktionsnahen digitalen Meldepflichten sowie die verpflichtende Nutzung der elektronischen Rechnungsstellung (E-Invoice) für grenzüberschreitende Umsätze;
- Neuregelungen zur umsatzsteuerlichen Behandlung von plattformbasierten Geschäftsmodellen in den Bereichen der kurzfristigen Vermietung und der Personenbeförderung;
- Maßnahmenpaket zur Stärkung einer einheitlichen EU-Mehrwertsteuerregistrierung (Single VAT Registration), u.a. durch Ausweitung des OSS-Verfahrens.
Digitale Meldepflichten und E-Invoicing
Bisher sind Rechnungen in Papierform und elektronische Rechnungen im geltenden Recht einander gleichgestellt. Zusätzlich ist bislang vorgesehen, dass der Rechnungsempfänger der Ausstellung elektronischer Rechnungen zustimmen muss.
Der Richtlinienvorschlag zielt nun darauf ab, die elektronische Rechnungsstellung als Standardverfahren für die Ausstellung von Rechnungen bei grenzüberschreitenden B2B-Umsätzen festzulegen.
Zunächst soll hierzu ab dem 1. Januar 2024 die Richtliniendefinition der elektronischen Rechnung angepasst bzw. vereinheitlicht werden. Elektronische Rechnungen müssen danach in einem strukturierten, elektronischen Format ausgestellt und übermittelt werden, welches eine automatische und elektronische Verarbeitung ermöglicht. Zusätzlich soll das bisher vorgesehene Zustimmungserfordernis des Rechnungsempfängers entfallen.
Ab dem 1. Januar 2028 soll das E-Invoicing für grenzüberschreitende B2B-Transaktionen innerhalb der EU obligatorisch werden. Dabei soll die Frist zur Ausstellung von solchen Rechnungen nur noch zwei Werktage ab Leistungszeitpunkt betragen. Daneben sollen die bisher vorgesehenen, obligatorischen Rechnungsbestandteile um weitere Pflichtangaben (z.B. Benennung des Bankkontos, auf das die Zahlung zur Begleichung der Rechnung erfolgt, die vereinbarten Zeitpunkte und Beträge jeder Zahlung im Zusammenhang mit einem konkreten Umsatz sowie bei einer geänderten Rechnung die Rechnungsnummer der ursprünglichen Rechnung) ergänzt werden.
Gleichzeitig mit dem verpflichtenden E-Invoicing-System soll ein neues digitales Meldesystem (DMP-System, „Digitale Meldepflichten“) eingeführt werden. Ziel des neuen Meldesystems ist es, Informationen über Umsätze in Quasi-Echtzeit an die Steuerverwaltungen zu übermitteln und die Verwendung elektronischer Rechnungen fördern. Folglich soll es auch nicht mehr möglich sein, Sammelrechnungen (d.h. Rechnungen, bei denen verschiedene, in einem Kalendermonat zu unterschiedlichen Zeitpunkten ausgeführte Umsätze zum Monatsende konsolidiert abgerechnet werden) zu erteilen. Innergemeinschaftliche Umsätze müssen transaktionsbasiert zwei Arbeitstage nach Ausstellung der Rechnung bzw. an dem Tag, an dem die Rechnung hätte ausgestellt werden müssen, elektronisch durch den Steuerpflichtigen gemeldet werden. Das neue DMP-System soll das bisherige System der Zusammenfassende Meldung ersetzen.
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In einem weiteren Blogbeitrag möchten wir auf die Neuregelungen zur umsatzsteuerlichen Behandlung von plattformbasierten Geschäftsmodellen sowie auf die Single VAT Registration näher eingehen und den sich aus der Initiative ergebenden Handlungsbedarf für Unternehmen kurz skizzieren.
