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Steuerliche Fallstricke i.Z.m Restrukturierungen: Möglichkeiten der Eigenkapitalstärkung

Nicht zuletzt wegen der stark gestiegenen Energiepreise und der gestörten Lieferketten geraten aktuell immer mehr Unternehmen in wirtschaftliche Schieflage. Dieser Beitrag – der Teil einer Blog-Serie ist – soll im Überblick grundsätzliche Möglichkeiten aufzeigen, wie Gesellschafter die Eigenkapitalbasis von in wirtschaftliche Schieflage geratenen Kapitalgesellschaften stärken und eine ggf. bereits eingetretene oder sich anbahnende Überschuldung beseitigen bzw. abwenden können und welche steuerlichen Aspekte dabei zu beachten sind.

Vorgehen 

Da das Eigenkapital bilanziell die Residualgröße zwischen den Aktiva und den (übrigen) Passiva darstellt, kann das Eigenkapital entweder 

  • durch die Eliminierung von Passiva (etwa durch Forderungsverzicht, sog. qualifizierter Rangrücktritt oder sog. befreiende Schuldübernahme) oder 
  • durch die Schaffung eines zusätzlichen Aktivums (etwa Kapitalerhöhung bzw. Einzahlung in die Kapitalrücklage) gestärkt werden

Dabei gibt es zahlreiche steuerliche „Fallstricke“ zu beachten, um keine unerwünschten steuerlichen Folgen auszulösen. In weiteren Blogbeiträgen werden die einzelnen Möglichkeiten der Eigenkapitalstärkung nochmals separat und eingehender erläutert. Das Ziel dieses Beitrages ist es, einen zusammenfassenden Überblick über die wichtigsten Instrumente zu geben.

Forderungsverzicht

Der Verzicht eines Gesellschaftergläubigers auf eine ihm gegen die Kapitalgesellschaft zustehende Forderung stellt den wohl einfachsten Weg zur Stärkung des bilanziellen Eigenkapitals dar, da der Forderungsverzicht beim Schuldner schlicht zu einer Ausbuchung der Verbindlichkeit und damit zu einer Verringerung der Passiva führt.

Der hierbei entstehende (handelsbilanzielle) Ertrag kann für steuerliche Zwecke auf Ebene der Kapitalgesellschaft jedoch nur insoweit „neutralisiert“ werden, als die Forderung des verzichtenden Gesellschafters gegenüber seiner Kapitalgesellschaft werthaltig war. Denn nur insoweit liegt eine sog. „verdeckte Einlage“ vor, welche die steuerlichen Anschaffungskosten des Gesellschafters für seine Beteiligung erhöht und im Übrigen steuerlich neutral ist.

Häufig wird eine Forderung gegenüber einer wirtschaftlich in die Schieflage geratenen oder bereits überschuldeten Gesellschaft jedoch nicht oder nicht in voller Höhe werthaltig sein. Soweit dies der Fall ist, liegt keine sog. „verdeckte Einlage“ vor und der durch den bloßen Forderungsverzicht ausgelöste (außerordentliche) Ertrag erhöht das steuerliche Ergebnis der Kapitalgesellschaft. Soweit hierdurch ein steuerlicher Gewinn entsteht, können weitere Steuern und damit neue Verbindlichkeiten bzw. Passiva entstehen, die den Sanierungsbemühungen entgegenwirken.

Der Forderungsverzicht – so einfach und schnell er auch umzusetzen sein mag - wird daher nur selten das „Mittel der Wahl“ darstellen.
Vor diesem Hintergrund werden in der Praxis häufig die nachfolgenden Maßnahmen gewählt: 

Kapitalerhöhung/ Einzahlung in die Kapitalrücklage

Den direktesten Weg zur Stärkung der Eigenkapitalbasis stellt die Erhöhung des Kapitals einer Kapitalgesellschaft dar. Neben einer Stamm- oder Grundkapitalerhöhung sind auch Einzahlungen in die Kapitalrücklage möglich. Die gewünschte bilanzielle Wirkung setzt aber nicht den formalen Abschluss der Kapitalerhöhung voraus. Vielmehr begründet bereits der Beschluss der Gesellschafter bzw. die Zusage der Zuführung von frischem Kapital (bei unterstellter Werthaltigkeit) einen bilanzierungsfähigen Anspruch der Kapitalgesellschaft gegen ihre Gesellschafter, der das Eigenkapital erhöht. 

Die Erhöhung des Eigenkapitals ist grundsätzlich steuerneutral. Bei der Ausgestaltung der Kapitalerhöhung kann es vor dem Hintergrund des sog. Korrespondenzprinzips aber in bestimmten Konstellationen sinnvoll sein, die Kapitalerhöhung als Kombination aus einer Stamm- oder Grundkapitalerhöhung mit Agio auszugestalten oder bei einer „bloßen“ Einzahlung in die Kapitalrücklage disquotale Einzahlungen auf einem personenbezogenen Rücklagenkonto zu verbuchen, um nachlaufend negative steuerliche Konsequenzen zu vermeiden (zu diesem Thema werden wir am 1. Dezember 2022 einen ausführlicheren Blogbeitrag veröffentlichen).

Befreiende Schuldübernahme

Bei einer sog. befreienden Schuldübernahme schließen die Gesellschafter mit ihrer Kapitalgesellschaft zunächst einen Schuldübernahmevertrag ab. Der (Dritt-)Gläubiger der Gesellschaft stimmt im Anschluss der Schuldübernahme zu mit der Folge, dass zivilrechtlich die Gesellschafter als Neuschuldner an die Stelle der Kapitalgesellschaft treten, welche als Altschuldner aus dem Schuldverhältnis ausscheidet.

Der Abschluss des Schuldübernahmevertrags führt handelsbilanziell (bei entsprechender Werthaltigkeit) auf Ebene der Kapitalgesellschaft zunächst zur Aktivierung eines Freistellungsanspruchs gegenüber ihren Gesellschaftern und einem entsprechenden Ertrag, der für steuerliche Zwecke als verdeckte Einlage zu neutralisieren ist. Gleichzeitig erhöhen sich bei ihren Gesellschaftern deren Anschaffungskosten für die Beteiligung. Nach Zustimmung des (Dritt-)Gläubigers wird der Freistellungsanspruch zusammen mit der durch die Gesellschafter übernommen Verbindlichkeit ergebnisneutral aus der Bilanz der Kapitalgesellschaft ausgebucht wird. Im Ergebnis wird die Kapitalgesellschaft dadurch von ihrer ursprünglichen Verbindlichkeit gegenüber dem (Dritt-)Gläubiger befreit und das Eigenkapital entsprechend erhöht.

Bei dem Abschluss der Vereinbarungen und der Einholung der Gläubigerzustimmung ist insbesondere auf die zivilrechtliche Wirksamkeit und zeitliche Abfolge zu achten, um keine Angriffspunkte zu bieten. Andernfalls besteht das Risiko, dass die Finanzverwaltung darin einen Gestaltungsmissbrauch oder einen „verdeckten Forderungsverzicht“ der Gesellschafter zugunsten der Kapitalgesellschaft sehen könnte (zu diesem Thema werden wir am 8. Dezember 2022 einen ausführlicheren Blogbeitrag veröffentlichen).

Qualifizierter Rangrücktritt

Der sog. „qualifizierte Rangrücktritt“ führt (anders als der Forderungsverzicht) gerade nicht zu einer Ausbuchung der Verbindlichkeit aus der Bilanz des Schuldners. Es ändert sich „lediglich“ die Reihenfolge, nach welcher die Gläubiger des Schuldners im Falle einer Insolvenz des Schuldners zu befriedigen wären, ohne auf Ebene der Schuldner-Kapitalgesellschaft einen Ertrag auszulösen. Weitere (erwünschte) Konsequenz ist die Nicht-Berücksichtigung der betreffenden Verbindlichkeit für Zwecke der Ermittlung des insolvenzrechtlichen Überschuldungsstatus‘ der Kapitalgesellschaft.

Aus steuerlicher Sicht ist jedoch zu berücksichtigen, dass Verbindlichkeiten, die nur aus zukünftigen Gewinnen oder Einnahmen zu erfüllen sind, einem Ansatzverbot unterliegen und daher (obgleich die Verbindlichkeit zivilrechtlich noch existiert) erfolgswirksam aus der Steuerbilanz der Schuldner-Kapitalgesellschaft auszubuchen sind. Soweit hierdurch ein steuerlicher Gewinn entsteht, können weitere Steuern und damit neue Verbindlichkeiten bzw. Passiva entstehen. Bei der Vereinbarung des Rangrücktritts sollte daher der Wortlaut der Vereinbarung mit Bedacht gewählt werden, um nachteilige steuerliche Effekte zu verhindern.

Parent Company Guarantee

Einen Sonderfall bildet die sog. Parent Company Guarantee in Form einer sog. „harten Patronatserklärung“, da sie (zunächst) keine bilanziell wirksame Maßnahme darstellt. Vielmehr garantieren die Gesellschafter hierbei gegenüber ihrer Kapitalgesellschaft zunächst nur, diese mit ausreichend finanziellen Mitteln auszustatten, damit diese ihre Verbindlichkeiten erfüllen kann. 

Erst im Falle der Inanspruchnahme der Parent Company Guarantee reichen die Gesellschafter ihrer Kapitalgesellschaft (regelmäßig) ein subordiniertes Darlehen aus, welches der Kapitalgesellschaft ermöglicht, ihre Verbindlichkeiten zu erfüllen. Die getilgten Verbindlichkeiten sind dann aus der Bilanz der Kapitalgesellschaft auszubuchen. Obgleich hiernach aus bilanzieller Sicht zunächst nur die getilgte (Dritt-)Verbindlichkeit durch eine Verbindlichkeit gegenüber den Gesellschaftern ersetzt wird, bewirkt die Subordination des Gesellschafterdarlehens, wie beim sog. qualifizierten Rangrücktritt, die Nicht-Berücksichtigung des Gesellschafterdarlehens für Zwecke der Ermittlung des insolvenzrechtlichen Überschuldungsstatus und somit die eigenkapitalstärkende Wirkung.

Bei der Ausgestaltung der Parent Company Guarantee und der Rückzahlungsverpflichtung unter dem ausgereichten Gesellschafterdarlehen ist jedoch insbesondere sicherzustellen, dass die Subordination des Gesellschafterdarlehens, wie beim sog. qualifizierten Rangrücktritt, nicht zu einer Ausbuchung der Rückzahlungsverpflichtung aus der Bilanz der Kapitalgesellschaft für steuerliche Zwecke und in Folge zu einem ggf. steuerpflichtigen Gewinn führt (zu diesem Thema werden wir am 15. Dezember 2022 einen ausführlicheren Blogbeitrag veröffentlichen).

 

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