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Die Umsetzung der UmwandlungsRL (EU) 2019/2121 – Arbeitsrechtliche Auswirkungen

Bitte beachten: Update zu den in Kraft getretenen (Neu-)Fassungen des UmwG, MgVG und MgFSG erschienen am 2. März 2023 in unserem aktuellem Blog.

Ende April 2022 veröffentlichten das Bundesministerium der Justiz sowie das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ihre Referentenentwürfe (BMJ-RefE sowie BMAS-RefE) über die Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/2121 (UmwandlungsRL) zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (GesellschaftsrechtsRL). Gegenstand der UmwandlungsRL sind Regelungen zum grenzüberschreitenden Formwechsel, der grenzüberschreitenden Verschmelzung und zur grenzüberschreitenden Spaltung, die bis zum 31. Januar 2023 in nationales Recht umgesetzt werden müssen. Die Referentenentwürfe sind nun der erste Schritt dieser Umsetzung. Wir haben für Sie einen Blick auf die arbeitsrechtlich relevanten Vorschriften der Referentenentwürfe geworfen.

Änderungen des Umwandlungsgesetzes

Zentraler Inhalt des BMJ-RefE sind Regelungen zur grenzüberschreitenden Umwandlung, die in einem neuen Buch des UmwG statuiert werden sollen. In den §§ 305 ff. UmwG-E finden sich – entsprechend der bisherigen Systematik des UmwG – zunächst Regelungen zur grenzüberschreitenden Verschmelzung, gefolgt von den Regelungen zur grenzüberschreitenden Spaltung (§§ 320 ff. UmwG-E) und zuletzt zum grenzüberschreitenden Formwechsel (§§ 333 ff. UmwG-E). Spezielle Vorschriften zum Schutz von Arbeitnehmer- und Arbeitnehmervertretungsrechten bestehen hier nicht. Das BMJ geht in diesem Kontext zu Recht davon aus, dass diese über die jeweilige Verweisungskette auf die Regelungen zur innerstaatlichen Umwandlung (siehe §§ 305 Abs. 2, 320 Abs. 2 UmwG-E) zur Anwendung gelangen. So kann eine Eintragung der grenzüberschreitenden Umwandlung erst nach Prüfung der einzuhaltenden Voraussetzungen durch das Registergericht erfolgen. Der Rechtsanwender tut also gut daran, diese auch zu erfüllen.

Daneben soll der Gesetzgeber nach dem Willen des BMJ im Zuge der Umsetzung der UmwandlungsRL auch eine Reihe arbeitsrechtsspezifischer Vorschriften des UmwG verschieben. Dies ist sehr zu begrüßen, da die bisherige Verortung in den §§ 322 ff. (Übergangs- und Schlussvorschriften) nicht dem üblichen Gesetzesaufbau im deutschen Zivilrecht entspricht. Die Regelungen des § 323 Abs. 2 UmwG sowie des § 324 UmwG sollen nun in den „allgemeinen Teil“ zur Verschmelzung durch Aufnahme (§ 35a UmwG) verschoben werden und über § 125 Abs. 1 UmwG-E auch (weiterhin) auf die Spaltung Anwendung finden. Auf die grenzüberschreitenden Pendants sollen sie ebenfalls über §§ 305 Abs. 2 (ggf. i.V.m. § 320 Abs. 2) UmwG-E anwendbar sein. Die §§ 322, 323 Abs. 1, 325 UmwG-E sollen sich ebenfalls – systematisch stimmig – fortan im Abschnitt zur Spaltung zur Aufnahme finden (§§ 132, 132a UmwG-E).

Änderungen im Mitbestimmungsrecht

Begleitende arbeitsrechtliche Vorschriften zu grenzüberschreitenden Umwandlungen stellen grundsätzlich keine Neuheit dar. So wurde bereits im Jahr 2006 das Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung (MgVG) verabschiedet. Statt die mitbestimmungsrechtlichen Vorschriften zu den oben erwähnten drei Formen der grenzüberschreitenden Umwandlung nun in einem Gesetz zu regeln (etwa: Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitender Umwandlung – MgUG) soll nach dem Willen des BMAS ein weiteres Gesetz neben das MgVG treten. Dieses neue Gesetz mit dem – nicht gerade eingängigen – Namen „Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitendem Formwechsel und bei grenzüberschreitender Spaltung“ (MgFSG-E) orientiert sich im Wesentlichen an den Regelungen des MgVG bzw. – wie auch das MgVG – am SE-Beteiligungsgesetz (SEBG).

Der Anwendungsbereich des MgFSG-E ist nur dann eröffnet, wenn die hervorgehende Gesellschaft ihren Sitz im Inland haben soll (§ 3 Abs. 1 S. 1 MgFSG-E). Dies bedeutet, dass immer dann nicht das MgFSG-E Anwendung findet, wenn Zielstaat ein anderer Mitgliedstaat ist. Praktisch bedeutsam dürfte das MgFSG-E daher nur in wenigen Fällen werden. So dürfte bspw. ein Formwechsel von einer deutschen (Komplementär-)GmbH in eine luxemburgische S.à r.l. weitaus häufiger im mitbestimmungsrelevanten Umfeld auftreten, als der umgekehrte Fall. Eine Ausnahme bildet sicherlich der in der Begründung des BMAS erwähnte Fall des Formwechsels einer österreichischen GmbH in eine GmbH deutschen Rechts (vgl. S. 45 des BMAS-RefE).

Interessanteste Regelung des MgFSG-E ist mit Sicherheit die sogenannte „Vier-Fünftel-Regelung“. So sieht § 5 Hs. 2 Nr. 1 MgFSG-E vor, dass die Regelungen über die Mitbestimmung kraft Vereinbarung oder kraft Gesetzes Anwendung finden, wenn

„die formwechselnde oder die sich spaltende Gesellschaft in den sechs Monaten vor der Offenlegung des Plans für das grenzüberschreitende Vorhaben eine durchschnittliche Zahl von Arbeitnehmern beschäftigt, die mindestens vier Fünfteln des im Recht des Mitgliedstaats der formwechselnden oder der sich spaltenden Gesellschaft festgelegten Schwellenwerts entspricht, der die Mitbestimmung der Arbeitnehmer auslöst“.

[Hervorhebung hinzugefügt]

Da diese „Vier-Fünftel-Regelung“ (die im Übrigen auch Eingang in das MgVG finden soll) keine Erfindung des BMAS ist, sondern bereits in Art. 86l Abs. 1 bzw. Art. 160l Abs. 2 der GesellschaftsrechtsRL i.d.F. der UmwandlungsRL vorgesehen und daher durch sämtliche Mitgliedstaaten zwingend umzusetzen ist, hat diese Regelung (ggf. in im Detail abweichender Form) sehr wohl auch Relevanz für den oben erwähnten Beispielssachverhalt des Formwechsels einer deutschen GmbH in die Rechtsform der S.à r.l. nach luxemburgischen Recht. Die Regelung der GesellschaftsrechtsRL soll eine Umgehung von Mitbestimmungsrechten kurz vor Erreichen des nationalen Schwellenwerts verhindern (so ErwG Nr. 31 der UmwandlungsRL sowie BMAS-RefE, S. 44). Mit Ausnahme von Malta hat bislang noch kein Mitgliedstaat die UmwandlungsRL umgesetzt, sodass abzuwarten gilt, wie die konkrete Regelung im gewählten Zielstaat ausgestaltet sein wird.

Auswirkungen

Die Umsetzung der GesellschaftsrechtsRL macht es Unternehmen möglich, künftig rechtssicherer in der EU und dem EWR ihren Gesellschaftssitz und die Gesellschaftsform zu wechseln. Gerade für Unternehmen mit 400 oder weniger Arbeitnehmern (Vier Fünftel des Schwellenwerts des DrittelbG von in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmern) dürfte es hierbei einen angenehmen Nebeneffekt darstellen, künftig nicht mehr den deutschen Regelungen der unternehmerischen Mitbestimmung zu unterliegen – zumal diese nach Maßgabe des Koalitionsvertrags 2021 der Ampelkoalition drastisch verschärft werden sollen (vgl. S. 56 des Koalitionsvertrags).

Qual der Wahl zwischen grenzüberschreitender Umwandlung und Umwandlung in eine SE

Was erscheint nun aus mitbestimmungsrechtlicher Sicht für Unternehmen zweckmäßiger – ein grenzüberschreitender Formwechsel oder die Umwandlung in eine SE?

Für die SE spricht, dass die gesellschaftsrechtlichen Regelungen (etwa zur Organstellung, Aufsichtsrat, Hauptversammlung) im Kern „bekannt“ bleiben. So dürfte es zumindest mit zusätzlichen Kosten verbunden sein, sich etwa mit den Vorschriften zur luxemburgischen Société Anonyme vertraut machen zu müssen. Zudem ist Stand heute die Rechtsform der SE weiterhin geeignet, die Mitbestimmungsstrukturen weiterhin passend zur Unternehmensstruktur zu gestalten.

Für die ausländische Rechtsform sprechen hingegen folgende Gründe:

  • Erstens soll das SEBG nach dem Willen der Ampelkoalition im Hinblick auf die „strukturellen Änderungen“ i.S.v. § 18 Abs. 3 SEBG deutlich verschärft werden (vgl. ebenfalls S. 56 des Koalitionsvertrags). Ob und wann es dazu aber tatsächlich kommt, ist fraglich:
    • So will sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass „die Unternehmensmitbestimmung weiterentwickelt wird, sodass es nicht mehr zur vollständigen Mitbestimmungsvermeidung beim Zuwachs von SE-Gesellschaften kommen kann (Einfriereffekt)“. Unklar ist, ob die Koalitionäre hier ein Vorhaben auf europäischer Ebene, also zur Änderung der SE-BeteiligungsRL oder eine reine Änderung des nationalen Rechts ins Auge gefasst haben. Vieles spricht dafür, dass eine entsprechende Änderung auf europäischer Einigung basieren muss und eine weitergehende Regelung als § 18 Abs. 3 SEBG nicht mit der derzeitigen Richtlinie konform wäre. Dies entspricht wohl auch der Ansicht der Bundesregierung.
    • Interessant sind hierbei auch die Einschätzungen des BMAS im aktuellen Referentenentwurf. Zur Begründung des Missbrauchverbots in § 36 MgFSG-E (S. 62 des BMAS-RefE) führt das BMAS aus, dass eine strukturelle Änderung etwa auch dann vorliege, „wenn eine mitbestimmungsfreie hervorgehende Gesellschaft eine größere Zahl von Arbeitnehmern aus einer mitbestimmten Gesellschaft aufnimmt“. Ein sogenannter korporativer Akt, wie ihn die h.M. fordert (vgl. Löw/Stolzenberg, BB 2017, 245, 246 mit entsprechenden Nachweisen), wäre hiernach nicht notwendig. Hier deutet sich bereits an, wie das BMAS § 18 Abs. 3 SEBG „nachschärfen“ möchte.
    • Ebenfalls noch unklar ist, ob das SEBG sogar rückwirkend geändert werden soll, also in sämtlichen SEs, die nach ihrer Eintragung die nationalen Schwellenwerte des DrittelbG bzw. des MitbestG überschritten haben, zu Neuverhandlungen nach § 18 Abs. 3 SEBG verpflichtet werden sollen. Im Gewerkschaftslager wird dies jedenfalls als wichtiges Ziel angesehen, das auch auf Grundlage der derzeitigen Fassung der Richtlinie umsetzbar sei.
    • Richtigerweise hat die Bundesregierung erkannt, dass entsprechende Änderungen im SEBG eine Einigung auf eine Neufassung der SE-Arbeitnehmerbeteiligungsrichtlinie auf europäischer Ebene voraussetzen. Bekanntlich benötigt die Einigung auf den Inhalt von Richtlinien, gerade auf dem politisch diffizilen Bereich der Unternehmensmitbestimmung, jedoch eine lange Vorlaufzeit. Es gilt, etwaige Vorschläge der Europäischen Kommission, welche auf einen deutschen Vorstoß eingebracht werden könnten, im Auge zu behalten und frühzeitig in die Entscheidungsprozesse des Unternehmens einfließen lassen.
  • Sollten etwaige Änderungen im SEBG absehbar(er) werden, dürfte die Wahl der ausländischen Rechtsform für das jeweilige Unternehmen umso attraktiver werden. Denn die Frage, wann die nach deutschem Recht maßgeblichen Schwellenwerte überschritten werden und wann eine „strukturelle Änderung“ vorliegt, wäre nach einem Formwechsel in eine Gesellschaft ausländischen Rechts nicht weiter von Relevanz. So ist bei einem grenzüberschreitenden Vorhaben, bei der die hervorgehende Gesellschaft ihren Sitz im Ausland hat, nur der vierjährige Bestandsschutz bei nachfolgenden nationalen wie grenzüberschreitenden Umwandungen zu beachten (Art. 86l Abs. 7 bzw. Art. 160l Abs. 7 der GesellschaftsrechtsRL i.d.F. der UmwandlungsRL). Der Regelungskompetenz des deutschen Gesetzgebers ist die Gesellschaft im Hinblick auf die unternehmerische Mitbestimmung hingegen fortan entzogen.

Wichtig zu erwähnen ist, dass auch von den SEBG-Reformvorhaben der Koalitionäre betroffene SEs den eigentlichen Vorteil dieser Rechtsform nutzen kann. So ist der Wechsel von einer „deutschen“ SE etwa in eine „luxemburgische“ SE gesellschaftsrechtlich unproblematisch. Eine SE mit Sitz außerhalb Deutschlands unterliegt jedoch sodann nicht mehr den Anwendungsbereich des § 18 Abs. 3 SEBG. Ebenfalls denkbar sind „gemischte“ Konzernstrukturen, bei denen etwa die Konzernspitze eine EU-ausländische Gesellschaft als Komplementärin fungiert und auf Ebenen von Bereichsholdings jeweils die Rechtsform der SE Verwendung findet.

Fazit: Kein unmittelbarer Handlungsbedarf – jedoch sorgsame Beobachtung der weiteren Entwicklungen notwendig

Für Unternehmen und Rechtsabteilungen besteht – Stand Anfang Juli 2022 – kein unmittelbarer Handlungsbedarf aufgrund der beschriebenen Referentenentwürfe. Jedoch gilt es, die Entwicklungen auf deutscher sowie auf europäischer Ebene genau im Blick zu behalten. Über diese Entwicklungen informieren wir Sie selbstverständlich gerne weiterhin hier auf Insights Arbeitsrecht. Werfen Sie also auch in Zukunft einen Blick auf unseren A&O Arbeitsrechts-Blog.

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