Skip to content

Schriftform heißt nicht immer gleich Schriftform – Formvorschriften im Arbeitsrecht

Autor
Image of Anne Pelzer
Anne Pelzer

Associate

Frankfurt am Main

Profil ansehen →

07 September 2022

Spätestens seit der vielbeachteten – und im Bundestag wie auch in der Öffentlichkeit umstrittenen – Änderung des Nachweisgesetzes (NachwG) zum 1. August 2022 ist das Schriftformerfordernis in der deutschen Arbeitsrechtswelt wieder in aller Munde. Trotz der Offenheit der „Arbeitsbedingungenrichtlinie“ der EU für die Möglichkeit, den Nachweis der wesentlichen Arbeitsbedingungen auch auf elektronischem Wege zu übermitteln, hat sich der deutsche Gesetzgeber dagegen entschieden und verlangt (weiterhin) die schriftliche Niederlegung der wesentlichen Vertragsbedingungen sowie die handschriftliche Unterzeichnung der Niederschrift durch den Arbeitgeber.

Doch was genau bedeutet eigentlich Schriftformerfordernis? Für welche Verträge, Erklärungen und Dokumente in arbeitsrechtlichen Rechtsbeziehungen ist es zwingend erforderlich? Was ist der Unterschied zur Textform? Und wie kann die Schriftform – in Zeiten stetig fortschreitender Digitalisierung – eigentlich durch die elektronische Form ersetzt werden? 

Grundsätze 

Längst nicht jeder (arbeitsrechtliche) Vertrag oder jedes arbeitsrechtliche Dokument bedarf zu seiner Wirksamkeit der Schriftform. Im deutschen Recht gilt der Grundsatz der Formfreiheit. Grundsätzlich müssen Verträge und andere Dokumente nur dann schriftlich abgefasst und unterzeichnet werden, wenn dies entweder durch Gesetz vorgeschrieben ist oder die Parteien einvernehmlich (und wirksam) die Einhaltung der Schriftform vereinbart haben. Sinn und Zweck der Formerfordernisse sind vorrangig der individuelle Schutz und die Warnung der Vertragsparteien vor Übereilung, aber nicht zuletzt auch die Wahrung von Klarheits- und Beweissicherungsinteressen.

Die Nichteinhaltung einer gesetzlich vorgeschriebenen Form führt nach § 125 S. 1 BGB grundsätzlich zur Nichtigkeit des betreffenden Rechtsgeschäfts. Gemäß § 125 S. 2 BGB gilt diese Rechtsfolge im Zweifel auch für rechtsgeschäftlich vereinbarte Formvorschriften. Ausnahmen sind nur in wenigen Konstellationen denkbar, etwa wenn das Berufen auf die Formnichtigkeit rechtsmissbräuchlich wäre.

Die verschiedenen Formerfordernisse 

Das Gesetz sieht verschiedene Formerfordernisse vor, welche überblicksartig wie folgt zusammengefasst werden können:

Schriftform, § 126 BGB

Die gesetzliche Schriftform ist in § 126 BGB geregelt. Nach dessen Abs. 1 muss die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift (oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens) unterzeichnet werden. Ein Dokument, das dem gesetzlichen Schriftformerfordernis genügen soll, muss also in der Regel handschriftlich (wet ink) unterschrieben werden. Erforderlich ist dabei die zweifelsfreie Kennzeichnung des Ausstellers. Abkürzungen (im Sinne von Handzeichen oder Paraphen) genügen nicht. Die eigenhändige Unterschrift erfüllt insofern eine Abschluss- und eine Zuordnungsfunktion. Durch sie wird ausgedrückt, dass der Text räumlich abgeschlossen und inhaltlich bestätigt sein soll; zudem werden die Identität des Ausstellers und die Echtheit des inhaltlichen Ursprungs bezeugt. Werden über den niedergelegten Vertrag zwei oder mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen, genügt es, wenn jede Partei (lediglich) die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet.

Elektronische Form, § 126a BGB

Das Gesetz sieht in § 126a BGB die Möglichkeit der elektronischen Form durch eine qualifizierte elektronische Signatur vor.

Es gibt drei Arten der elektronischen Signatur: Die einfache elektronische Signatur, die fortgeschrittene elektronische Signatur und die qualifizierte elektronische Signatur. Nur die qualifizierte elektronische Signatur genügt dem Erfordernis der elektronischen Form gem. § 126a BGB. Die beiden anderen Varianten erfüllen nicht die (strengen) Voraussetzungen an die elektronische Form i.S.v. § 126a BGB, sondern allenfalls diejenigen der Textform.

Eine qualifizierte elektronische Signatur ist nur durch die Anwendung einer geeigneten Signatursoftware möglich. Zusätzlich ist vorab eine Identifizierung bei einem auf der Homepage der Bundesnetzagentur angezeigten qualifizierten Vertrauensdiensteanbieter nötig; dies erfolgt entweder durch In-Person-Feststellung oder per Video-Identifizierung. Darüber hinaus findet während des Signiervorgangs eine Validierung (z.B. per Code als SMS auf dem Mobiltelefon bei sog. cloudbasierten Lösungen oder per PIN-Eingabe auf einem Kartenlesegerät) statt. Nicht jede elektronische Signatur kann daher die Schriftform ersetzen. Die überwiegend im unternehmerischen Rechtsverkehr verwendeten Signieranbieter wie „DocuSign“ oder „Adobe Sign“ sind zwar grundsätzlich auch in der Lage, die qualifizierte elektronische Signatur zu gewährleisten. Voraussetzung ist dabei aber, wie bereits erläutert, dass zuvor eine Identifizierung des Unterzeichnenden mittels In-Person-Feststellung oder per Video-Identifizierung erfolgt. Das ist in der Praxis nur selten der Fall.

Textform, § 126b BGB

Für die Erfüllung der Voraussetzungen der Textform muss die Erklärung als lesbares Textdokument festgehalten werden (aber nicht notwendigerweise auf Papier, sondern auf einem „dauerhaften Datenträger“ im Sinne des § 126b S. 2 BGB wie beispielsweise USB-Stick, E-Mail oder SMS). Eine Unterschrift ist nicht erforderlich, solange die Person des Ausstellers bezeichnet wird. Zusätzlich muss der Abschluss der Erklärung erkennbar werden. Im Vordergrund steht bei der Textform demzufolge die Informations- und Dokumentationsfunktion. Die Textform kann durch jede strengere Form des BGB ersetzt werden, umgekehrt kann sie aber nicht die Schriftform oder die elektronische Form ersetzen.

Vereinbarte Schriftform, § 127 BGB

Schließlich ist es möglich und in der Praxis auch in verschiedensten Fallgestaltungen üblich, dass die Vertragsparteien für ein Rechtsgeschäft, das gesetzlich an sich keiner Formvorgabe unterliegt, individuelle, „gewillkürte Formvorgaben“ vereinbaren. Das Gesetz gibt den Parteien diese Freiheit und ordnet in § 127 Abs. 1 BGB lediglich eine Auslegungsregel für den Fall an, dass die Parteivereinbarung keine näheren Anforderungen an die jeweils gewählte Formvorgabe enthält. § 127 Abs. 2 und 3 BGB enthalten zudem Erleichterungen für die rechtsgeschäftliche Formvorschrift. Auch im Arbeitsrecht spielen solche „gewillkürten Formvorgaben“ seit jeher eine – streitanfällige – Rolle.

Ersetzen der Schriftform durch die elektronische Form 

Nach § 126 Abs. 3 BGB kann die Schriftform durch die elektronische Form ersetzt werden, wenn sich nicht aus dem Gesetz etwas anderes ergibt. Notwendig ist jedoch, dass die mit der Schriftform verbundenen Zwecksetzungen – jedenfalls im Wesentlichen – eingehalten werden. Die damit einhergehenden gesetzlichen Hürden und Erschwernisse haben allerdings dafür gesorgt, dass die praktische Bedeutung der elektronischen Form im täglichen Rechtsverkehr bis dato gering geblieben ist.

Ein gesetzlicher Ausschluss der elektronischen Form findet sich beispielsweise in § 2 Abs. 1 S. 3 NachwG. Danach muss der Arbeitgeber den Mitarbeitenden die wesentlichen Vertragsbedingungen tatsächlich handschriftlich unterzeichnet aushändigen. Die Möglichkeit der Übermittlung im Wege der elektronischen Form ist damit ausgeschlossen. Ob den mit der Schriftform verfolgten Zwecksetzungen damit tatsächlich in höherem Maße Rechnung getragen wird, als es bei gesetzgeberischer Billigung des Nachweises in elektronischer Form oder Textform der Fall gewesen wäre, wird die Zukunft zeigen. Bis auf weiteres ist mit einer Gesetzesänderung wohl nicht (mehr) zu rechnen.

Zusammenfassung der wesentlichen Formerfordernisse in der arbeitsrechtlichen Rechtsbeziehung 

In arbeitsrechtlichen Rechtsbeziehungen gibt es eine Fülle an Rechtsgeschäften, die unterschiedlich strengen Formvorschriften unterliegen. Aufgrund dessen kann im Rahmen dieses Beitrags lediglich auf eine Auswahl an arbeitsrechtlichen Rechtsgeschäften, die einer Formvorschrift unterliegen, eingegangen werden.

Nur Schriftform (nicht durch elektronische Form ersetzbar)

  • Nachweis der wesentlichen Arbeitsbedingungen gem. § 2 Abs. 1 NachwG

Gem. § 2 Abs. 1 S. 1 NachwG hat der Arbeitgeber die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und den Mitarbeitenden auszuhändigen. Gem. § 2 Abs. 1 S. 3 NachwG ist der Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen in elektronischer Form ausgeschlossen. Das bedeutet jedoch nicht zwingend, dass der Arbeitsvertrag selbst der Schriftform bedarf. Dieser kann weiterhin grundsätzlich formlos abgeschlossen werden. In diesem Fall muss den Mitarbeitenden, die ihr Arbeitsverhältnis nach dem 1. August 2022 beginnen, für die überwiegenden Arbeitsbedingungen im Sinne des § 2 Abs. 1 NachwG am ersten Arbeitstag ein handschriftlich unterschriebener Nachweis über die wesentlichen Arbeitsbedingungen übergeben werden. Aufgrund dieses administrativen Aufwandes kann es sich anbieten, bereits den Arbeitsvertrag selbst mit den wesentlichen Vertragsbedingungen zu versehen und im Anschluss handschriftlich zu unterzeichnen. Die Regelungen des NachwG verpflichten indes ausschließlich den Arbeitgeber, sodass nur dieser handschriftlich unterzeichnen muss. 

  • Kündigung des Arbeitsverhältnisses sowie Aufhebungsvertrag gem. § 623 BGB

Auch für den Abschluss eines Aufhebungs- bzw. Auflösungsvertrages (§ 623 Hs. 2 Alt. 2 BGB) und eine Kündigung (§ 623 Hs. 2 Alt. 1 BGB) bedarf es der Schriftform. Die elektronische Form ist ausdrücklich ausgeschlossen. Bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages haben beide Parteien den Aufhebungsvertrag daher handschriftlich zu unterzeichnen. Die Kündigung muss ebenfalls handschriftlich durch den Arbeitgeber unterzeichnet werden. Eine Abbedingung der Vorgabe ist weder durch die Vertragsparteien selbst noch durch kollektivrechtliche Vereinbarungen (Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag) möglich.

  • Arbeits-/Dienstzeugnis gem. § 630 BGB, § 109 GewO

Die Erstellung des Arbeitszeugnisses hat ebenfalls gem. §§ 630 S. 4 BGB, 109 Abs. 3 GewO ausschließlich schriftlich zu erfolgen. Die elektronische Form ist ausgeschlossen. Für sonstige Dienstverpflichtete, die zwar nicht als Mitarbeitende, aber als „arbeitnehmerähnliche Personen“ einzuordnen sind, gilt im Ergebnis dasselbe gemäß § 630 S. 3 BGB.

Schriftform (aber Ersetzung durch elektronische Form möglich)

  • Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses bei Betriebsübergang, § 613a BGB

Der Widerspruch der Mitarbeitenden gegen den Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber ist gem. § 613a Abs. 6 BGB schriftlich zu erklären. Nach allgemeiner Ansicht ist die Ersetzung durch die elektronische Form möglich, wenngleich sie nach gegenwärtiger Praxis (insbesondere angesichts der oben beschriebenen technischen Anforderungen) für einzelne Mitarbeitende noch seltener in Betracht kommen wird als für Arbeitgeber.

  • Arbeitnehmerüberlassungsvertrag gem. § 12 AÜG

§ 12 Abs. 1 S. 1 AÜG ordnet für den Überlassungsvertrag die Schriftform an, wobei gerade kein Ausschluss der Ersetzung durch die elektronische Form vorgesehen ist.

  • Befristung oder auflösende Bedingung eines Arbeitsvertrages gem. Teilzeit- und Befristungsgesetz

Das Schriftformerfordernis im Falle einer Befristung folgt aus § 14 Abs. 4 TzBfG und erstreckt sich nach dem BAG sowohl auf den Abschluss, als auch auf die Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrags bzw. einer Befristungsabrede. Zwar wird von diesem Formerfordernis grundsätzlich nur die Befristungsabrede erfasst. Da aber die meisten Arbeitsverträge eine Abrede zur Altersbefristung (Arbeitsverhältnis endet auch ohne Kündigung mit Ablauf des Monats, in dem Mitarbeitende die Regelaltersgrenze erreichen) enthalten, muss damit regelmäßig auch der Arbeitsvertrag, der diese Abrede enthält, schriftlich abgeschlossen werden, um die Wirksamkeit der Befristungsabrede zu gewährleisten. Wiederum fehlt eine Ausschlussregelung wie in § 623 BGB, sodass von der Ersetzbarkeit durch elektronische Form ausgegangen werden kann.

  • Abschluss von Betriebsvereinbarungen, § 77 BetrVG

Betriebsvereinbarungen sind gemäß § 77 Abs. 2 BetrVG von den Betriebsparteien „schriftlich niederzulegen“ und grundsätzlich von beiden Seiten zu unterzeichnen. Das deutet zunächst auf die zwingende Einhaltung der Schriftform hin. Seit dem 18. Juni 2021 enthält die Vorschrift jedoch einen neuen S. 3, wonach Betriebsvereinbarungen ausdrücklich auch in elektronischer Form geschlossen werden können. Arbeitgeber und Betriebsrat haben in Abweichung von § 126a Abs. 2 BGB dasselbe Dokument elektronisch zu signieren. Ein vom jeweiligen Betriebspartner elektronisch signiertes separates, gleichlautendes Dokument genügt nicht, da die Mitarbeitenden nachvollziehen können sollen, dass beidseitig ein gleichlautender Text unterzeichnet wurde.

Entsprechendes gilt im Übrigen für Beschlüsse der Einigungsstelle, die seit dem 18. Juni 2021 ebenfalls gemäß § 76 Abs. 3 S. 4 BetrVG in elektronischer Form niedergelegt und durch den Vorsitzenden der Einigungsstelle mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen werden können.

Textform

  • Unterrichtung der Mitarbeitenden über den Betriebsübergang, § 613a BGB

Während der Widerspruch der Mitarbeitenden im Kontext eines Betriebsübergangs grundsätzlich der Schriftform bedarf, reicht für die Unterrichtung der betroffenen Mitarbeitenden durch den bisherigen Arbeitgeber oder den neuen Inhaber die Textform aus, § 613a Abs. 5 BGB. Weil die Informations- und Dokumentationsfunktion bei der Unterrichtung im Vordergrund steht, hat der Gesetzgeber die Textform hier als ausreichend erachtet. 

  • Abrechnung über das Arbeitsentgelt, § 108 GewO

Praxisrelevant, wenngleich juristisch vergleichsweise wenig problembehaftet, ist schließlich die Entgeltabrechnung, auf deren Erteilung Mitarbeitende gem. § 108 Abs. 1 S. 1 GewO einen Anspruch haben. Sie hat in Textform zu erfolgen. Die Abrechnung muss mindestens Angaben über den Abrechnungszeitraum und die Zusammensetzung des Arbeitsentgelts enthalten. Die Vorschrift büßt an Relevanz ein, da die Verpflichtung zur Abrechnung gem. § 108 Abs. 2 GewO entfällt, wenn sich die Angaben gegenüber der letzten ordnungsgemäßen Abrechnung nicht geändert haben.

Fazit

Im Ergebnis bleibt festzuhalten: Schriftform heißt nicht immer gleich Schriftform. Im Arbeitsverhältnis gibt es eine Fülle unterschiedlich strenger Formvorschriften für eine erhebliche Bandbreite möglicher Rechtsgeschäfte, die in der Praxis tagtäglich vollzogen werden. Bei Bearbeitung derartiger Rechtsgeschäfte sollte stets darauf geachtet werden, ob die gewählte Form auch tatsächlich mit den Anforderungen der gesetzlichen oder vertraglich vereinbarten Formvorschrift in Einklang steht. Insbesondere die strengen Anforderungen an die elektronische Form gem. § 126a BGB machen eine Ersetzung der Schriftform durch die elektronische Form in praktischer Hinsicht äußert aufwendig und unattraktiv. 

 

Weitere relevante Blog Themen

Weitere relevante Expertise