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“Let’s go on a Workation!”

Seit der Corona-Pandemie ist das Arbeiten aus dem Homeoffice in vielen Unternehmen zur Normalität geworden. Bei vielen Arbeitnehmern besteht auch weiterhin der Wunsch, den Arbeitsort frei wählen zu können. Die technischen Möglichkeiten erlauben es, je nach Tätigkeit von überall auf der Welt zu arbeiten. Immer mehr Arbeitnehmer möchten diese Möglichkeiten nutzen, indem sie Zeit im Ausland mit Arbeit verbinden. Angesichts der bevorstehenden Urlaubssaison bietet es sich beispielweise an, den Urlaub zu verlängern und aus dem Ausland zu arbeiten. Andere haben Familie im Ausland und daher das Bedürfnis, zumindest vorübergehend aus dem Homeoffice im Ausland zu arbeiten. Wir möchten mit diesem Beitrag einen Überblick dazu geben, was aus Sicht der Unternehmen bei einer solchen „Workation“ besonders zu beachten ist.

Was gilt aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht?

In jedem Fall sollte die Tätigkeit im Ausland nur vorübergehend erfolgen. Anderenfalls besteht das Risiko einer doppelten Sozialversicherungspflicht für die Arbeitnehmer. Im Sozialversicherungsrecht gilt grundsätzlich das sog. Territorialitätsprinzip. Danach ist auf Arbeitnehmer das Sozialversicherungsrecht des Staates anzuwenden, in dem die Arbeitstätigkeit ausgeübt wird (Beschäftigungsstaat). Je nach Beschäftigungsstaat und Staatsangehörigkeit der Arbeitnehmer kann jedoch die Sozialversicherungspflicht auch bei Arbeiten aus dem Ausland weiterhin nach deutschem Recht zu bemessen sein. Insoweit ist vor allem zwischen EU-Mitgliedsstaaten und Drittstaaten zu differenzieren.

  • Bei der Tätigkeit in einem anderen EU-Mitgliedsstaat unterliegt eine Person, die von ihrem Arbeitgeber in einen anderen Mitgliedsstaat der EU entsandt wird, um dort Arbeit für dessen Rechnung auszuführen, weiterhin dem Sozialversicherungsrecht des Mitgliedsstaats aus dem die Entsendung erfolgt. Voraussetzung ist, dass die voraussichtliche Entsendedauer 24 Monate nicht übersteigt und diese Person nicht eine andere entsandte Person ablöst (Art. 12 Abs. 1 VO (EG) 883/2004). Eine Entsendung setzt zwar begrifflich eine entsprechende Weisung des Arbeitgebers voraus (vgl. z.B. KassK/Schreiber, Art. 12 VO (EG) 883/2004 Rn. 19). Allerdings wird dies auch bei einem Einverständnis des Arbeitgebers mit der Verlagerung des Arbeitsortes in das Ausland anzunehmen sein. Dies lässt sich einer gemeinsamen Verlautbarung zur versicherungsrechtlichen Beurteilung entsandter Arbeitnehmer des GKV Spitzenverband, der Deutschen Rentenversicherung Bund, der Bundesagentur für Arbeit Berlin und der Gesetzlichen Unfallversicherung Berlin vom 18. März 2020 entnehmen (vgl. Seite 15 der Verlautbarung, abrufbar unter Link). Die VO (EG) 883/2004 gilt grundsätzlich auch für Staaten im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), wobei für einzelne Staaten Sonderregelungen in Bezug auf eine kürzere Entsendungsdauer anwendbar sein können. Für Grenzgänger oder gewöhnlich in einem anderen EU-Mitgliedsstaat erwerbstätige Personen gelten wiederum abweichende Regelungen.
  • Erfolgt die Arbeitstätigkeit in einem Drittstaat oder handelt sich um Staatsangehörige eines Drittstaates, ist zu prüfen, ob Deutschland ein Sozialversicherungsabkommen mit dem Drittstaat abgeschlossen hat. Nach den Sozialversicherungsabkommen sind in der Regel Entsendezeiträume unter weiterer Anwendung deutschen Sozialversicherungsrechts zwischen 12 bis 36 Monaten möglich. Gibt es kein Sozialversicherungsabkommen, kommt es für die Anwendbarkeit des deutschen Sozialversicherungsrechts auf die Voraussetzungen der Ausstrahlung nach § 4 SGB IV an. Dazu muss die Entsendung infolge der Eigenart der Beschäftigung oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt sein. Ist dies nicht der Fall, besteht das Risiko der Sozialversicherungspflicht in beiden Staaten.

Vor der Aufnahme der vorübergehenden Tätigkeit im EU/EWR-Ausland ist eine sog. A1-Bescheinigung zu beantragen. Diese dient dem Nachweis gegenüber der ausländischen Behörde, dass weiterhin das Sozialversicherungsrecht des Entsendestaats (Deutschland) maßgebend ist. Erfolgt die Tätigkeit in einem Drittstaat, sind je nach Drittstaat entsprechende Bescheinigungen zu beantragen. Außerdem können je nach Beschäftigungsstaat zusätzliche (bußgeldbewährte) Meldepflichten nach dortigem nationalen Recht bei der Entsendung eines Arbeitnehmers anwendbar sein. Arbeitgeber sollten daher etwaige Nachweis- und Meldepflichten vor Antritt der „Workation“ im Einzelfall prüfen.

Welche steuerlichen Konsequenzen ergeben sich?

Je nach Dauer der Tätigkeit oder des Aufenthalts im Ausland können lohnsteuerliche Pflichten der Arbeitnehmer im Ausland entstehen. Es ist zu prüfen, ob es ein Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und dem Beschäftigungsstaat gibt. Nach den meisten Doppelbesteuerungsabkommen ist die Vergütung weiterhin nach deutschem Steuerrecht zu versteuern, soweit der Arbeitnehmer in Deutschland ansässig ist, sich nicht länger als 183 Tage innerhalb eines Zeitraums von 12 Monaten oder im Kalenderjahr im Ausland aufhält und die Vergütung von einem Arbeitgeber mit Sitz in Deutschland gezahlt wird (vgl. § 15 des OECD-Musterabkommens). Andere Doppelbesteuerungsabkommen stellen auf die Dauer der Tätigkeit im Ausland ab (und nicht die Dauer des Aufenthalts). Wird die Grenze von 183 Tagen überschritten, kann das ausländische Steuerrecht anwendbar sein. Es besteht das Risiko der Doppelbesteuerung.

Darüber hinaus sind steuerrechtliche Auswirkungen für das Unternehmen zu berücksichtigen. Aus steuerrechtlicher Sicht ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die Arbeit von Arbeitnehmern im Ausland das Risiko beinhaltet, dass im Ausland eine Betriebsstätte begründet wird. In diesem Fall kann es zu einer Steuerpflicht des Unternehmens im Ausland kommen.

Was gilt hinsichtlich des Arbeitsschutzes und der Arbeitsbedingungen im Ausland?

Werden Arbeitnehmer vorübergehend im Ausland tätig, sind sowohl die deutschen Arbeitsschutzvorschriften als auch die Vorschriften des Beschäftigungsstaates zu berücksichtigen. Für das Arbeitsschutzrecht gilt im Grundsatz das Territorialitätsprinzip. Das deutsche Arbeitsschutzrecht gilt danach nur für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Ausnahmsweise kann es auch im Ausland gelten, wenn die Parteien die Geltung deutschen Rechts im Arbeitsvertrag vereinbart haben.

Aufgrund des Territorialitätsprinzips kann aber auch das im Ausland geltende Arbeitsschutzrecht zu berücksichtigen sein. Nach Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom-I-VO darf die Rechtswahl nicht dazu führen, dass dem Arbeitnehmer ein Schutz entzogen wird, der ihm durch zwingende Bestimmungen der nach objektiver Anknüpfung anwendbaren Rechtsordnung gewährt wird. Es ist insoweit ein Günstigkeitsvergleich vorzunehmen. Falls es sich jedoch bei den nationalen Vorschriften um zwingende Eingriffsnormen im Sinne des Artikel 9 der Rom-I-VO handelt, kann es zu einem Nebeneinander der anwendbaren Schutznormen kommen. Beispielsweise können das deutsche Arbeitszeitgesetz und ausländische Arbeitszeitregelungen anwendbar sein. Sicherheitshalber sollten demnach auch die Arbeitszeitregelungen des Beschäftigungsstaates beachtet werden, um Sanktionen durch ausländische Behörden zu vermeiden.

Wird ein Arbeitnehmer einer international tätigen Unternehmensgruppe in eine Niederlassung oder ein der Unternehmensgruppe angehörendes Unternehmen im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedsstaats entsandt oder im Wege grenzüberschreitender Leiharbeit tätig, ist mit Blick auf die geltenden Arbeitsbedingungen die Entsenderichtlinie zu berücksichtigen, welche die Durchsetzung angemessener Mindestarbeitsbedingungen bezweckt (Richtlinie 96/71/EG, geändert durch die Richtlinie (EU) 2018/957). Dauert die Entsendung mehr als 12 Monate an, können die Arbeitsbedingungen des Zielstaates anzuwenden sein. Zudem können Meldepflichten gegenüber nationalen Behörden bestehen. Daher sollte vor der Tätigkeit im Ausland die Anwendbarkeit der Richtlinie im Einzelfall geprüft werden, um insbesondere etwaige Meldepflichten einzuhalten.

Was sollte aus Sicht des Datenschutzrechts berücksichtigt werden?

Innerhalb des EWR sind die Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) zu beachten. Arbeitet der Arbeitnehmer im Ausland, ist der Arbeitgeber weiterhin als Verantwortlicher im Sinne des Artikel 4 Nr. 7 DSGVO anzusehen, da die Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Arbeitnehmer im Rahmen der Arbeitstätigkeit (z.B. E-Mails) grundsätzlich auf Weisung des Arbeitgebers erfolgt. Der Arbeitgeber muss daher sicherstellen, dass die Vorgaben der DSGVO an die ordnungsgemäße Datenverarbeitung und die Datensicherheit auch innerhalb des EWR eingehalten werden. Arbeitgebern ist daher zu empfehlen, die Beschäftigten auf die datenschutzrechtlichen Pflichten im Rahmen einer „Workation“ bzw. im Homeoffice hinzuweisen und sie entsprechend aufzuklären.

Darüber hinaus können auch lokale Datenschutzgesetze des Aufenthaltsortes anwendbar sein, die weitere Vorgaben machen und den Behörden Eingriffs- oder Einsichtsrechte geben. In manchen Ländern dürfen Behörden bei der Einreise in die Arbeitsmittel Einsicht nehmen oder Dokumente beschlagnahmen. Der Schutz von Geschäftsgeheimnissen ist dann nicht mehr sichergestellt.

Außerhalb des EWR oder eines Landes mit einem nach Artikel 45 DSGVO anerkannten angemessenen Datenschutzniveau, besteht das Risiko, dass die Datenverarbeitung den weiteren Voraussetzungen der Artikel 44 ff. DSGVO unterfällt und diesen nicht gerecht wird. Die Datenverarbeitung durch Arbeitnehmer im Ausland könnte als Übermittlung von Daten durch den Arbeitgeber an einen Empfänger in einem Drittland gewertet werden.

Vor dem Hintergrund dieser datenschutzrechtlichen Risiken sollten Arbeitgeber das Arbeiten aus dem Ausland grundsätzlich nicht ohne weiteres weltweit gestatten. Weniger Bedenken bestehen dagegen bei Ländern des EWR und solchen Ländern, für die ein Angemessenheitsbeschluss vorliegt. 

Welche sonstigen Aspekte sollten Arbeitgeber im Blick haben? 

Unter anderem können sich das auf das Arbeitsverhältnis anwendbare Recht und der Gerichtsstand durch die Auslandstätigkeit ändern. Daher sollte der Arbeitsvertrag eine explizite Regelung dazu enthalten, dass deutsches Arbeitsrecht gilt. Insoweit ist auch § 2 Abs. 3 des Nachweisgesetzes zu beachten, wonach bei einer Auslandstätigkeit bestimmte zusätzliche Angaben im Arbeitsvertrag notwendig sein können.

Ist das Arbeiten außerhalb der EU beabsichtigt, sind zudem Arbeits- und Aufenthaltserlaubnisse zur Tätigkeit im Ausland erforderlich.

Fazit

Bei einer „Workation“ sind insbesondere Konsequenzen aus Sicht des Arbeitsrechts, Sozialversicherungsrechts, Steuerrechts, Datenschutzrechts und Aufenthaltsrechts zu berücksichtigen. Arbeitgeber sollten daher die Beschäftigten dazu auffordern, sich frühzeitig vor einer geplanten „Workation“ zu melden, damit rechtzeitig die rechtlichen Anforderungen je nach Beschäftigungsstaat geprüft, etwaige Erlaubnisse und Bescheinigungen beantragt und notwendige Meldungen an ausländische Behörden erfolgen können. Eine klare Vereinbarung zwischen den Arbeitsvertragsparteien, dass der Auslandsaufenthalt in dem bestimmten Land nur vorübergehend und zeitlich befristet erfolgen sollte, ist in jedem Fall dringend zu empfehlen.

 

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