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Fortbildungskosten und Rückzahlungsvereinbarung

Fortbildungen sind im Arbeitsverhältnis für beide Parteien ohne Frage wichtig und gut. Die meisten Arbeitgeber:innen unterstützen ihre Mitarbeitenden bei der beruflichen Weiterentwicklung und Weiterbildung. Wenn es um die Übernahme der Kosten geht, kommt es jedoch häufig zu Streit. Insbesondere die Verknüpfung der Kostenübernahme mit einer gewissen Bindungsdauer an das Unternehmen und deren rechtliche Ausgestaltung ist immer wieder Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. Können Rückzahlungsvereinbarungen überhaupt wirksam vereinbart werden? Sind Rückzahlungspflichten im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch ein wirksamer Anreiz, Mitarbeitende an ein Unternehmen zu binden? 

Unangemessene Benachteiligung bei krankheitsbedingter Eigenkündigung

Die Rückzahlung von Fortbildungskosten war Gegenstand des BAG-Urteils vom 1. März 2022 – 9 AZR 260/21. Darin hat das BAG die Klage eines Unternehmens auf Erstattung von Fortbildungskosten gegen eine Arbeitnehmerin wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB abgewiesen.

Im dem BAG Urteil zugrunde liegenden Fall hatte eine Altenpflegerin in einer Rehaklinik eine berufliche Fortbildung besucht. Die Kosten der Fortbildung beliefen sich auf EUR 4.090,00. Die Arbeitsvertragsparteien hatten einen „Fortbildungsvertrag“ geschlossen. Die darin vereinbarte Bindungsdauer sollte sechs Monate betragen – so lange sollte also das Arbeitsverhältnis nach Beendigung der Fortbildungsmaßnahme fortbestehen.

Für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis innerhalb dieser sechs Monate aufgrund eines vom Arbeitgeber nicht zu vertretenden Umstands enden sollte, nahmen die Parteien eine Klausel in den Vertrag auf, nach der die Fortbildungskosten unter bestimmten Voraussetzungen durch die Arbeitnehmerin zurückzuzahlen waren. Die Klausel sah dabei auch eine anteilige Reduzierung der Rückzahlung vor, das heißt also eine Staffelung der Rückzahlungshöhe für den Fall des Ausscheidens der Arbeitnehmerin innerhalb der sechsmonatigen Bindungsdauer.

Am 3. Dezember 2019 schloss die beklagte Arbeitnehmerin die Fortbildung ab. Mit Schreiben vom 29. November 2019 kündigte sie ihr Arbeitsverhältnis zum 1. Februar 2020. Die Arbeitgeberin forderte sie daraufhin mit Schreiben vom 30. Dezember 2019 auf, die Fortbildungskosten anteilig in Höhe von EUR 2.726,68 zurückzuzahlen, somit einen Anteil von 4/6 der Gesamtkosten.

Das BAG hat die Klage abgewiesen. In den Gründen heißt es, dass der Fortbildungsvertrag zwar eine Rückzahlungspflicht für sämtliche Eigenkündigungen der Arbeitnehmerin enthalte, die nicht auf einem vom Arbeitgeber zu vertretenden Grund beruhen. Jedoch sei damit auch der Fall erfasst, dass die Arbeitnehmerin eine Kündigung ausspreche, weil sie unverschuldet und ohne Verursachungsbeitrag der Arbeitgeberin aus Gründen in ihrer Person dauerhaft nicht (mehr) in der Lage sei, die Qualifikation, die sie mit der von der Arbeitgeberin finanzierten Weiterbildung erworben habe, im Rahmen der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung zu nutzen. Das BAG sah in dieser Konstellation einer Rückzahlungspflicht eine unangemessene Benachteiligung der Arbeitnehmerin im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Der Umstand, dass sich die Investition in die Fortbildung eines Mitarbeitenden aufgrund unverschuldeter dauerhafter Leistungsunfähigkeit für ein Unternehmen nicht amortisiere sei dem unternehmerischen Risiko zuzurechnen. Die Beschränkung der durch Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleisteten arbeitsplatzbezogenen Berufswahlfreiheit der Arbeitnehmerin werde bei deren Leistungsunfähigkeit auch nicht durch den Ausbildungsvorteil ausgeglichen. Sei es der Arbeitnehmerin aus gesundheitlichen Gründen ohne ihr Verschulden daher dauerhaft nicht möglich, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, wäre sie bei Wirksamkeit der Rückzahlungsklausel im Fortbildungsvertrag verpflichtet, nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums ohne Gegenleistung des Arbeitgebers am Arbeitsverhältnis festzuhalten, um die Rückzahlungspflicht abzuwenden. Das BAG bewertete dies als unangemessene Benachteiligung der beklagten Arbeitnehmerin. 

Grundsätzlich umfasste die Rückzahlungsvereinbarung im entschiedenen Fall schon die wichtigsten Elemente einer wirksamen Rückzahlungsvereinbarung. Dazu zählen eine angemessen lange Bindungsdauer im Verhältnis zur Dauer der Fortbildung, eine Staffelung der Rückzahlungsbeträge, eine Unterscheidung von aus der Sphäre der Arbeitnehmerin und aus der Sphäre der Arbeitgeberin stammenden Gründen für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die Arbeitgeberin hatte jedoch die für das BAG entscheidende Konstellation übersehen, dass die Arbeitnehmerin nämlich unverschuldet aufgrund Krankheit nicht mehr in der Lage war, die erworbene Qualifikation im Beruf zu nutzen und daher eine Eigenkündigung aussprach.

Rückzahlungsvereinbarung als Allgemeine Geschäftsbedingungen

Einmal mehr zeigt sich an dieser Entscheidung, wie sorgfältig bei der vertraglichen Ausgestaltung einer Rückzahlungsvereinbarung vorzugehen ist. Grundsätzlich will ein Unternehmen seinen Mitarbeitenden die Möglichkeit und die passenden attraktiven Bedingungen für den Besuch von Fortbildungsveranstaltungen zur Weiterqualifizierung gewähren. Dies mit dem Ziel, einerseits die stetige Fortbildung der Mitarbeitenden zu sichern, aber auch, um bei Bewerbern als attraktiver Arbeitgeber zu punkten. Doch wie kann damit wirksam auch eine Bindung der Mitarbeitenden erreicht werden, ohne diese in ihrer Berufsfreiheit einzuschränken? 

Hierbei stellt sich stets die Frage, ob eine feste Bindungsdauer und die Vereinbarung einer Rückzahlungsklausel eine unangemessene Benachteiligung der Mitarbeitenden im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB darstellt. Da es sich bei solchen Fortbildungsverträgen zumeist um Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) handeln wird, unterliegen sie der strengen Kontrolle der §§ 307 ff. BGB. Das BAG hat für diese Kontrolle einen typisierenden Maßstab aufgestellt.

Eine Bindung an das die Kosten der Fortbildung tragende Unternehmen oder andernfalls die Rückzahlung der Fortbildungskosten durch die Mitarbeitenden ist danach grundsätzlich zulässig. Die Regeln sind jedoch streng. Und es gibt auch nur ein „Alles-oder-Nichts-Prinzip“: Hält die Rückzahlungsvereinbarung dem strengen Maßstab des BAG nicht stand, ist sie insgesamt nichtig und das Unternehmen hat keinen Rückzahlungsanspruch.

Umgehung der AGB-Kontrolle durch Individualabrede?

Ein findiges Unternehmen könnte nun auf die Idee kommen, diesen strengen Maßstab durch eine Individualabrede zu umgehen. Diese sind – genauso wie Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge – nicht am Maßstab der §§ 307 ff. BGB zu prüfen. Aber: Arbeitnehmer:innen sind Verbraucher, so dass Vereinbarungen mit ihnen stets nach AGB-Recht zu prüfen sind. Nur wenn wirklich beinahe jedes Wort einer Rückzahlungsvereinbarung zwischen den Parteien verhandelt wäre, könnte man um eine AGB-Kontrolle herumkommen. In der Praxis wird das jedoch kaum der Fall sein.

Wie mache ich es richtig?

Das BAG hat in einer Vielzahl von Entscheidungen genaue und sehr kleinteilige Regeln zur Ausgestaltung von Rückzahlungsverpflichtungen aufgestellt. Um eine Rückzahlungsvereinbarung zu schaffen, die dem Prüfungsmaßstab des BAG standhält und keine unangemessene Benachteiligung der Mitarbeitenden darstellt, sind daher mit äußerster Sorgfalt insbesondere folgende Punkte bei der Vertragsgestaltung zu beachten: 

Konkrete Bindungsdauer

Die zulässige Bindungsdauer ist abhängig von Dauer und Qualität der Fortbildungsmaßnahme. Grundsätzlich gilt: Je länger die Fortbildung, desto länger darf die Bindungsdauer sein. Es ist also eine Staffelung vorzunehmen: Wenn die Qualifizierungsmaßnahme zum Beispiel einen Monat beträgt, so lässt das BAG als Richtwert eine Bindungsdauer von bis zu sechs Monaten zu. Dauert die Fortbildung zwei Monate, kann eine Bindungsdauer von bis zu zwölf Monaten angemessen sein. Die Obergrenze zieht das BAG jedoch bei einer Höchstbindungsdauer von 60 Monaten, das auch dem in § 624 BGB festgelegten gesetzlichen Höchstmaß von fünf Jahren für eine Vertragsbindung entspricht. Dieses darf auch ein:e Arbeitgeber:in nicht überschreiten. Erfahrungsgemäß knüpfen die allermeisten Rückzahlungsklauseln jedoch ohnehin an eine kürzere Bindungsdauer an. 

Abhängig ist die Bindungsdauer auch davon, ob die Fortbildung für eine Steigerung des Marktwertes der Mitarbeitenden sorgt. Denn nur, wenn mit der Fortbildung insgesamt der Marktwert der Mitarbeitenden gesteigert wird, ist eine Bindung an das Unternehmen über die Dauer der Fortbildung hinaus überhaupt zulässig. Nicht für jede Art von Fortbildung, die die Mitarbeitenden besuchen, ist also eine Bindung an das Unternehmen rechtlich möglich. Der Besuch einer Fortbildung, die nicht unmittelbar der beruflichen Weiterqualifizierung dient und damit gar nicht den Marktwert des Arbeitnehmers steigert, kann nicht zu einer zulässigen Bindung des Arbeitnehmers an das Unternehmen über die Dauer der Fortbildung hinaus führen.

Staffelung der Rückzahlung

Zu regeln ist außerdem, dass im Falle einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Rückzahlungspflicht der Mitarbeitenden besteht in Abhängigkeit von der bereits verstrichenen Zeit nach Beendigung der Fortbildung, d. h. eine ratierliche Kürzung vorzunehmen ist. In dem vom BAG entschiedenen Fall hatten die Parteien vorgesehen, dass bei einer Bindungsdauer von sechs Monaten eine anteilige Kürzung in Höhe von 1/6 pro vollem Monat der vereinbarten Bindungsdauer zu erfolgen hatte. Daran hatte das BAG nichts auszusetzen.

Differenzierung nach dem Grund für die Beendigung

Bei der Ausgestaltung der Rückzahlungsvereinbarung ist außerdem eine Differenzierung nach dem Grund für eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses während der vereinbarten Bindungsdauer als Voraussetzung für die Rückzahlungspflicht vorzunehmen. Kommt es zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses, so lässt das BAG eine Rückzahlungsverpflichtung der Mitarbeitenden nur zu, wenn dies ganz klar wegen eines „Verschuldens“ der Mitarbeitenden geschieht. So wird etwa eine Rückzahlungspflicht im Falle der arbeitgeberseitig ausgesprochenen verhaltensbedingten Kündigung nicht als unangemessen beurteilt. Dagegen darf eine betriebsbedingte Kündigung durch das Unternehmen nicht mit einer Rückzahlungspflicht der Arbeit verknüpft sein. Genauso wenig ist nunmehr die Konstellation zulässig, dass Mitarbeitende durch ein dauerhaftes, unverschuldetes Leistungshindernis nicht (mehr) dazu in der Lage sind, die in der Fortbildung gewonnene Zusatzqualifikation im Job anzuwenden und deshalb das (sinnentleerte) Arbeitsverhältnis durch Eigenkündigung beenden.

Wann ist eine Rückzahlungsvereinbarung nicht zulässig?

Wie bereits angedeutet, ist eine Rückzahlungsvereinbarung dann nicht zulässig, wenn die Mitarbeitenden durch die Fortbildung gerade erst in die Lage versetzt werden, ihren Job zu erfüllen. Auch, wenn die Mitarbeitenden andere Schulungen besuchen, die überwiegend im Interesse des Unternehmens liegen, wird man eine Zulässigkeit einer Rückzahlungsverpflichtung verneinen müssen. Wenn Mitarbeitende durch die Fortbildung ihren Marktwert gar nicht steigern, sie also mit dieser Qualifikation auf dem Arbeitsmarkt nicht besser dastehen würden, ist eine Rückzahlungspflicht ebenfalls nicht vertretbar.

Auch bei Ausbildungsverträgen können keine wirksamen Rückzahlungsvereinbarungen getroffen werden. Die Ausbildung ist gerade der Kern des Vertragsverhältnisses und es widerspräche Sinn und Zweck des Ausbildungsvertrages, hier eine Rückzahlung von Fortbildungskosten im Falle einer vorzeitigen Beendigung des Ausbildungsverhältnisses zu vereinbaren. 

Alternativen zu Rückzahlungsvereinbarungen?

Personalpolitisch senden Rückzahlungsvereinbarungen ein fatales Signal: Fortbildung wird zwar gewünscht und gefördert, aber nur wenn das Unternehmen davon langfristig einen Nutzen hat. Zur Bindung von Mitarbeitenden sind sie nur bedingt geeignet, da von ihnen immer auch eine gewisse Zwangsverpflichtung ausgeht, die dem heute verbreiteten Arbeits- und Lebensgefühl vieler Mitarbeitenden zuwiderläuft. Wird dem Unternehmen nur die Treue gehalten, um eine Zahlungspflicht zu umgehen, so kann eine Rückzahlungsvereinbarung wohl kaum als nachhaltiges Incentive eingestuft werden. Auch wenn dieser Blog-Beitrag die rechtlichen Rahmenbedingungen für wirksame Rückzahlungsvereinbarungen über Fortbildungskosten in Grundzügen aufzeigen konnte: Allemal nachhaltiger ist die Motivation der Mitarbeitenden durch eine gute und positive Unternehmenskultur. 

 

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