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Erneuerbare Energien - Arbeitsrecht in Offshore-Windparks

Offshore-Windkraft zählt zu den vielversprechendsten Quellen für erneuerbare Energien. Zuletzt im Rahmen des Windkraft-Gipfels am 22. März 2023 wurde die Wichtigkeit und der geplante beschleunigte Ausbau der Windenergie beraten. Ein zweiter Windkraft-Gipfel soll im April folgen. Es ist erklärtes Ziel des Gesetzgebers, die Nutzung der Windenergie auf See auszubauen, welches sich auch in § 1 Abs. 1 WindSeeG wiederfindet. Nicht zuletzt mit der am 1. Januar 2023 in Kraft getretenen Novelle des Windenergie-auf-See-Gesetzes wurden die Offshore-Ausbauziele erneut angehoben. Ende letzten Jahres waren es laut Status des Offshore-Windenergieausbaus in Deutschland bereits 1.539 Offshore-Windenergieanlagen. Es ist zu erkennen, dass sich die Branche im Aufschwung befindet, was zukünftig ebenfalls zu weiterem Bedarf an Arbeits- und Fachkräften führen wird. Grund genug, sich im Hinblick auf arbeitsrechtliche Besonderheiten einmal diesem Betätigungsfeld zu widmen. 

Offshore-Windparks und die Regelung maritimer Zonen

Im folgenden Beitrag soll maßgeblich auf das anwendbare Arbeitsrecht mit Bezug auf Offshore-Windparks und daher gerade solche Windparks, welche in erheblichem Abstand von der Küste errichtet werden, eingegangen werden. Laut Status des Offshore-Windenergieausbaus in Deutschland aus dem Jahr 2022 stehen die deutschen Offshore-Windparks durchschnittlich 75 km entfernt von der Küste (sog. Basislinie). Damit befinden sie sich nur selten im sogenannten Küstenmeer (12 Seemeilen innerhalb der Basislinie), sondern hauptsächlich in der ausschließlichen Wirtschaftszone („AWZ“), welche nach der 12-Seemeilenzone des Küstenmeers beginnt und sich nicht weiter als 200 Seemeilen von der Basislinie entfernt erstrecken darf. Die Bundesrepublik Deutschland hat bereits im Jahr 1994 per Proklamation eine AWZ in der Nordsee und in der Ostsee errichtet, innerhalb welcher nun – im Einklang mit dem Seerechtsübereinkommen („SRÜ“) – Anlagen und Bauwerke zur Energieerzeugung errichtet werden dürfen. 

Doch welches Recht und insbesondere welche arbeitsrechtlichen Normen findet hier nun grundsätzlich Anwendung?

Allgemeine Grundsätze 

Einfach zu beantworten ist diese Frage, soweit die Windparks noch im Küstenmeer belegen sind. Innerhalb des 12-Seemeilenradius findet das Recht des Küstenstaates und somit auch das deutsche Arbeitsrecht vollumfänglich Anwendung. 

Doch welche Rechtsordnung findet für die weiter draußen liegenden Windparks Anwendung? Intuitiv könnte man meinen, Anwendung fände hier das Seearbeitsgesetz. Dies ist allerdings ein Irrtum, der Anwendungsbereich des Seearbeitsgesetzes erstreckt sich nur auf Arbeits- und Lebensbedingungen von Seeleuten an Bord von Kauffahrteischiffen. Offshore Windparks hingegen werden von dem Anwendungsbereich nicht umfasst. 

In der AWZ gilt stattdessen eingeschränkt deutsches Recht, allerdings nur eingeschränkt dahingehend, dass gem. Art. 56 Abs. 1 SRÜ den Küstenstaaten souveräne Rechte und Hoheitsbefugnisse nur zweckbezogen eingeräumt werden. Der Kompetenzbereich des Küstenstaates bezüglich der AWZ ist nach dem Seerechtsübereinkommen auf einzelne Funktionen der wirtschaftlichen Nutzung beschränkt. Dabei hat der Küstenstatt nach Art. 60 Abs. 2 SRÜ über Anlagen innerhalb der AWZ die ausschließlichen Hoheitsbefugnisse, einschließlich derjenigen in Bezug auf Zoll- und sonstige Finanzgesetze, Gesundheits-, Sicherheits- und Einreisegesetze und diesbezügliche sonstige Vorschriften. Eine weitere Konkretisierung dieser Hoheitsbefugnisse sieht das SRÜ jedoch nicht vor, sodass hinsichtlich ihres Umfangs erhebliche Unklarheiten und Auslegungsspielräume bestehen. 

Mit der weit überwiegender Meinung in der Literatur ist wohl davon auszugehen, dass ein Staat – soweit er seine Hoheitsbefugnisse ausüben möchte – dies ausdrücklich tun muss. Sowohl der Vorbehalt des Gesetzes als Ausfluss des Demokratieprinzips gemäß Art. 20 Abs. 1 GG als auch das Gebot der Rechtssicherheit als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips gemäß Art. 20 Abs. 3 GG erfordern es, dass durch Parlamentsgesetz klar geregelt wird, inwieweit sich deutsche Gesetze auf die AWZ erstrecken. Demnach hat zunächst der Gesetzgeber für den räumlichen Bereich der AWZ zu entscheiden, welche Erstreckung deutscher Gesetze er – im Rahmen der Befugnisse nach dem SRÜ – für zulässig und geboten hält. 

Arbeitszeit und Arbeitsschutzgesetz

Von der Möglichkeit der Erstreckung des Anwendungsbereiches der Parlamentsgesetze auch auf die AWZ hat der Gesetzgeber mit Hinblick auf das Arbeitsrecht in zwei Fällen Gebrauch gemacht. Zum einen mit Hinblick auf den allgemeinen Arbeitsschutz, durch die Regelung gem. § 1 Abs.1 S. 2 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), zum anderen mit Hinblick auf die Arbeitszeit durch die Regelung gem. § 1 Nr. 1 Arbeitszeitgesetz (ArbZG). 

Hiernach sind somit sowohl Arbeitsschutzgesetz als auch das Arbeitszeitgesetz auf die Beschäftigten einer Offshore Windanlage, sowohl bei ihrer Errichtung als auch bei ihrem Gebrauch, zunächst grundsätzlich anwendbar. 

Bezüglich des Arbeitszeitgesetzes wurde von Seiten des Gesetzgebers allerdings die Möglichkeit eingeräumt, hierfür Sonderregelungen zu schaffen. So sieht § 15 Abs. 2a ArbZG vor, dass die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates mit Hinblick auf Offshore Tätigkeiten Ausnahmen bezüglich Arbeitszeiten, Ruhepausen und Ruhezeiten, Nachtarbeiter sowie Sonn- und Feiertagsarbeit schaffen kann. Von dieser Möglichkeit wurde zeitgleich mit in Kraft treten des § 15a ArbZG Gebrauch gemacht, sodass am selbigen Tag die Offshore-Arbeitszeitverordnung in Kraft trat. Diese sieht weitgehende Ausnahmen vom Arbeitszeitgesetz in den zuvor genannten Fällen vor, sodass sich die Arbeitsschutzvorschriften in Bezug auf Arbeitszeit maßgeblich von den zu Land geltenden Vorschriften unterscheiden. 

Keine Anwendbarkeit des KSchG

Im Gegensatz zum Arbeitsschutz und Arbeitszeitgesetz fehlt eine entsprechende Erstreckungsklausel im Kündigungsschutzgesetz. 

Der Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes ist grundsätzlich betriebsbezogen und mangels Erstreckungsklausel damit auf innerdeutsche Betriebe beschränkt. Unter der Annahme, ein Offshore Windpark stelle einen eigenen Betrieb dar, wäre der Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes daher ausgeschlossen. 

Zu beachten ist hier allerdings, dass nach den gewöhnlichen Arbeitsbedingungen auf einem Offshore Windpark wohl kritisch zu hinterfragen wäre, ob dieser nach dem klassischen Betriebsbegriff im Regelfall einen eigenen Betrieb darstellt. So ist wohl davon auszugehen, dass die Arbeiten innerhalb eines Offshore Windparks nur in seltener Fällen eine abgeschlossene Einheit zur Verfolgung eines arbeitstechnischen Zwecks darstellen. Auch die Leitung in persönlichen und sozialen Angelegenheiten wird wohl selten innerhalb der Offshore Anlage selber angelegt sein, sondern regelmäßig aus dem Inland erfolgen. In der Praxis ist daher naheliegender, dass die Arbeitnehmer einer Offshore Windanlage einem auf dem Festland liegenden Hauptbetrieb zuzuordnen sind. Befindet sich dieser im deutschen Staatsgebiet, so ist es naheliegend, dass über die Zugehörigkeit zum deutschen Hauptbetrieb auch das Kündigungsschutzgesetz anwendbar ist. Höchstrichterliche Entscheidungen zu diesem Themengebiet sind bislang nicht ersichtlich, sodass Rechtsunsicherheiten verbleiben.

Unbenommen bleibt es, den Parteien des Arbeitsvertrages zudem das Kündigungsschutzgesetz für ausdrücklich anwendbar zu erklären. 

Keine Anwendbarkeit des BetrVG

Vergleichbar zum Kündigungsschutzgesetz beinhaltet auch das Betriebsverfassungsgesetz keine Erstreckungsklausel auf Gebiete innerhalb des deutschen Staatsgebietes. 

So sieht § 114 BetrVG zwar eine Erweiterung des Anwendungsbereiches auf Seeschifffahrtsunternehmen und deren Betriebe vor, der Anwendungsbereich der §§ 114 ff BetrVG lässt sich allerdings nicht auf die Nutzung von Offshore-Windparkanlagen erweitern, da diese nicht vom Begriff der Seeschifffahrt umfasst werden. An dieser Stelle ist auch nicht von einer planwidrigen Regelungslücke auszugehen; da sowohl im Jahr 2001 als auch im Jahr 2013 eine Reform des BetrVG erfolgte, ohne dass von Seiten des Gesetzgebers eine ausdrückliche Regelung der Arbeitsbedingungen von Offshore Mitarbeitern vorgesehen wurde. Eine analoge Anwendung der Vorschriften des BetrVG und auch der §§ 114 ff BetrVG verbieten sich daher bereits aus diesem Grund. 

Eine Erstreckung des BetrVG auf Arbeitnehmer innerhalb der AWZ ist somit differenziert zu betrachten. 

Unter der Annahme, bei den Offshore Anlagen handele es sich um eigenständige Betriebe i.S.d. BetrVG, ist eine Anwendbarkeit desselben mangels Erstreckungsklausel – vergleichbar zum Kündigungsschutzgesetz – zu verneinen. Praxisnäher ist wohl allerdings die Annahme, dass es sich bei entsprechenden Anlagen im Regelfall nicht um eigenständige Betriebe i.S.d. BetrVG handelt, sondern eine Zuordnung zu einem auf dem Festland gelegenen Betrieb erfolgen kann. In einem solchen Fall wäre es durchaus denkbar, unter Anwendung der bundesarbeitsgerichtlichen Rechtsprechung zu Betrieben im Ausland von der Anwendbarkeit des BetrVG auszugehen. 

Eine Anwendbarkeit ergibt sich ergänzend zudem für solche Arbeitnehmer, welche ohnehin maßgeblich im Festlandbetrieb tätig sind und lediglich für kurze Einsätze auf den Offshore Anlagen tätig werden. Solche Kurzeinsätze führen im Regelfall nicht zur Loslösung vom Originalbetrieb, sodass die einzelnen Mitarbeiter weiterhin in den Anwendungsbereich des BetrVG und in den Zuständigkeitsbereich des Betriebsrates des Festlandsbetriebes fallen. 

Fazit

Soweit nicht, wie in den Fällen des Arbeitszeit- und Arbeitsschutzgesetzes eine Anwendbarkeit arbeitsrechtlicher Vorschriften auch auf den Bereich der AWZ erweitert wurde, verbleiben bezüglich der Arbeitsbedingungen von Offshore-Mitarbeitern erhebliche Rechtsunsicherheiten. In Anbetracht der steigenden Bedeutung entsprechender Anlagen und der vermehrt benötigten Arbeitskraft, steht zu erwarten, dass sich auch die deutschen Gerichte in Zukunft ausführlicher mit diesem Thema beschäftigen werden müssen. 

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