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Das „S“ in ESG im Rahmen von M&A-Transaktionen

Environmental, Social and Corporate Governance (ESG) ist schon längst ein „hot topic“. Während das Hauptaugenmerk auf Themen rund um Environmental („E“) und Corporate Governance („G“) liegt, fristet das Thema Social („S“) im Rahmen von M&A-Transaktionen bisher aber eher ein Schattendasein. Allerdings ist zu beobachten, dass auch dieses Thema an Bedeutung gewinnt und etwa Private-Equity-Investoren zunehmend auf soziale Aspekte ihrer Portfoliounternehmen achten. So ist immer häufiger eine „S“-Due Diligence Bestandteil von ESG Due Diligence Prozessen im Rahmen von M&A-Transaktionen.

Nachfolgend finden Sie einen Überblick, was unter „S“ in ESG zu verstehen ist und worauf es bei einer solchen „S“-Due Diligence im Rahmen einer M&A-Transaktion ankommt.

Welche Kriterien verbergen sich hinter dem „S“?

In jüngster Zeit ist zu beobachten, dass soziale Kriterien zunehmend Gegenstand der Gesetzgebung sind. So verpflichtet das zum 1. Januar 2023 in Kraft tretende Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) in Deutschland ansässige Unternehmen – mit in der Regel 3.000 oder mehr inländischen Arbeitnehmer:innen – auch zur Einhaltung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten. Daneben gilt in Deutschland bereits seit 2017 eine Berichtspflicht zu Corporate Social Responsibility (CSR). Diese CSR-Berichtspflicht gilt ebenfalls nur für Unternehmen ab einer bestimmten Mitarbeiterstärke und bedeutet nicht zwingend, dass der jeweilige Beitrag des Unternehmens innerhalb des entsprechenden ESG-Kriteriums auch ganzheitlich messbar ist. Dies ist vor allem deshalb oft wenig aussagekräftig, da trotz der gesetzgeberischen Aktivitäten für die Beurteilung sozialer Aspekte bisher kein einheitlicher Reporting-Standard existiert und es sich bei einem Großteil der sozialen Kriterien um qualitative oder binäre Daten handelt, welche sich auf Beiträge oder bloße Intentionen beziehen, wohingegen vor allem „E“-Kriterien zumeist anhand konkreter Zahlen quantifizierbar und daher messbar sind.

Schwierig ist hierbei insbesondere, dass die „sozialen KPIs“ ein weites Spektrum unterschiedlichster arbeits(schutz-)rechtlicher, gesellschaftlicher, politischer und geopolitischer Aspekte abdecken, wie beispielsweise Verringerung von Ungleichheit, Schaffung einer integrativen Arbeitsatmosphäre und Förderung einer größeren Diversität in der Belegschaft. Aber auch die konkreten Arbeitsbedingungen oder die Förderung wohltätiger Zwecke werden regelmäßig vom „S“ erfasst.

Typischen Themen und „soziale KPIs“ sind dabei vor allem:

  • Arbeitsbedingungen und Well-Being: Insbesondere die Einhaltung fundamentaler Menschenrechte und der Menschenwürde, aber auch die Unterstützung der Mitarbeiter:innen bei der beruflichen und persönlichen Weiterentwicklung, gute Work-Life-Balance (z.B. durch flexible Arbeitszeitgestaltung oder Mobile Working) sowie das Verhältnis zwischen festangestellten Arbeitnehmer:innen und Leiharbeitnehmer:innen. Relevant ist hier auch, ob eine Tarifbindung besteht sowie das Verhältnis mit etwaigen Arbeitnehmer:innenvertretungen.
  • Faire Bezahlung: Insbesondere Verhältnis zwischen der Vergütung des Managements und der durchschnittlichen Vergütung der Mitarbeiter:innen (CEO pay ratio).
  • Gesellschaftliche Betätigung: Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung über die Kernleistung des Unternehmens hinaus (vor allem im Rahmen von Spenden- und Sponsoring-Aktivitäten für soziale, kulturelle und ökologische Projekte (Corporate Giving)), aber auch die Förderung von Mitarbeiter:innen bei der Übernahme gemeinnütziger Tätigkeiten (Corporate Volunteering).
  • Lieferketten: Beachtung sozial verantwortungsvoller Bedingungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette und Implementation eines entsprechenden Risk-Management-Systems.
  • Arbeitsschutz / Arbeitssicherheit: Insbesondere eine sichere und ergonomische Gestaltung von Arbeitsplätzen sowie die Durchführung von Sicherheitsunterweisungen und -trainings.
  • Gleichbehandlung und Diversität: Insbesondere Kennziffern zur Geschlechterquote in Führungspositionen sowie die Implementation und praktische Umsetzung von Gleichbehandlungs- und Diversity-Policies.

Beachtung branchenspezifischer und geographischer Besonderheiten

Zu beachten ist, dass diese „S“-Kriterien auf allgemeinen Standards basieren und daher nicht als starrer Prüfungskatalog zu verstehen sind. Es kommt im Rahmen einer „S“-Due Diligence vielmehr darauf an, diese eher generalisierenden Vorgaben mit Blick auf die konkreten Belange des Targets zu präzisieren und auf die Bedürfnisse der jeweiligen Transaktion zuzuschneiden. Der allgemeine Kriterienkatalog dient damit als „Baukasten“, wobei die Gewichtung bzw. Bedeutung der jeweiligen „sozialen KPIs“ insbesondere von der Branche und den geographischen Besonderheiten des jeweiligen Zielunternehmens (Targets) abhängt.

Spielen in Deutschland insbesondere Themen wie Diversität oder Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz eine ganz wesentliche Rolle, ist dies beispielsweise in anderen Ländern völlig anders. Bei einem Unternehmen, das auf dem Gebiet des produzierenden Gewerbes tätig ist, kann ein besonderer Fokus auf Risiken in der Lieferkette (insbesondere Zwangs- und Kinderarbeit) liegen, während ein im Finanzsektor tätiges Unternehmen diesen Risiken regelmäßig nicht im gleichen Umfang ausgesetzt sein wird. Hier kann dagegen ein erhöhter Fokus auf flexibler Arbeitszeitgestaltung und Work-Life-Balance liegen.

Als Orientierungshilfe bei der „sozialen Bewertung“ eines Unternehmens können dabei zunächst die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen, die ILO-Kernarbeitsnormen (zur Erweiterung der ILO-Kernarbeitsnormen und deren Auswirkungen auf ESG siehe hier), die zehn Prinzipien des UN Global Compact sowie die ISO 26000 herangezogen werden. Besonders geeignet ist zudem der Entwurf ESRS S1 („Own Workforce“) der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG). Dieser enthält Kriterien und Leistungsindikatoren zur Berichterstattung sowie entsprechende Anwendungshinweise. Ausgehend davon kann dann unter Rückgriff auf maßgebliche Branchenerfahrung und umfassende Kenntnisse geographischer Besonderheiten ein maßgeschneiderter „S“-Kriterienkatalog erstellt werden.

Durchführung einer „S“-Due Diligence im Rahmen einer Legal Due Diligence

Viele Investoren schrecken vor einer zusätzlichen Due Diligence Prozessen, wie etwa einer „S“-Due Diligence, zurück, da sie befürchten, dass hierdurch weitere (hohe) Transaktionskosten oder Verzögerungen im Transaktionsprozess entstehen. Allerdings zeigt die praktische Erfahrung, dass die Due Diligence-Phase einer Transaktion unter Berücksichtigung auch von „S“-Kriterien nicht nennenswert verlängert wird. Die Risikobewertung kann auf der Grundlage eines passgenauen „S“-Kriterienkatalogs erfolgen, wobei häufig auf Daten und Dokumente zurückgegriffen werden kann, welche im Verlauf der Legal Due Diligence ohnehin bereits zur Verfügung gestellt worden sind. So werden beispielsweise zum Zwecke der arbeitsrechtlichen Legal Due Diligence in der Regel entsprechende HR-Policies zu Gleichbehandlung und Diversity wie auch Informationen zu Leiharbeitnehmern sowie der Arbeitszeitgestaltung bereitgestellt. Daneben bietet es sich an, unternehmensspezifische Fragestellungen anhand des „S“-Kriterienkatalogs im Rahmen einer „ESG-Expert Session“ mit dem Management zu adressieren (vor allem im Hinblick auf „softe“ Themen wie beispielsweise die gesellschaftliche Betätigung des Unternehmens). Anschließend können die daraus gewonnenen Erkenntnisse für einen umfassenden „S“-Report verarbeitet werden.

Dieser mit der Durchführung einer „S“-Due Diligence verbundene (meist unwesentliche) Mehraufwand wird regelmäßig durch die zahlreichen Vorteile einer umfassenden sozialen Bewertung des Zielunternehmens kompensiert, da die Ergebnisse aus der „S“-Due Diligence unmittelbar in den M&A-Transaktionsprozess und etwaige Bewertungsfragen einfließen können. Etwaige identifizierte „S“-Risiken, z.B. ein Risiko kritischer Arbeitsbedingungen bei einem Zulieferer im Rahmen der Lieferkette, können adressiert werden und es können Maßnahmen angestoßen werden, entweder vor Signing durch den Verkäufer oder nach Closing durch den Käufer. Letzteres kann dann auch im Rahmen der Kaufpreisverhandlung berücksichtigen werden, wenn der Käufer Ressourcen für entsprechende post-merger integration (PMI) Maßnahmen einkalkulieren muss. Eine weitere Möglichkeit sind ESG-spezifische Freistellungen, etwa von etwaigen künftigen Bußgeldern oder Vertragsstrafen, die aus einem Verstoß gegen das LkSG resultieren können (§ 24 LkSG).

Fazit

Das „S“-Kriterium fristet bislang zu Unrecht ein Schattendasein im ESG-Universum und wird künftig – nachhaltige – Bedeutung erfahren. Insbesondere vor dem Hintergrund drohender Reputationsschäden, die sich aus sozialen Risiken ergeben können, sollte im Rahmen einer Transaktion auch immer eine umfassende „S“-Due Diligence durchgeführt werden. Dabei ist es wichtig, mittels eines individuellen „S“-Kriterienkatalog unter Berücksichtigung branchenspezifischer und geographischer Besonderheiten ein transparentes und aussagekräftiges Bild über die soziale Struktur des Zielunternehmens zu gewinnen. So können entsprechende Risiken rechtzeitig identifiziert und im Rahmen der Unternehmensbewertung und Vertragsverhandlung berücksichtigt werden.

 

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