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Das neue UmwG / MgVG / MgFSG – Update März 2023

Bereits in unserem Blogbeitrag vom 1. Juli 2022 haben wir einen ersten Blick auf die arbeitsrechtlich relevanten Vorschriften der Referentenentwürfe geworfen. Sowohl die am 1. März 2023 in Kraft getretene Fassung des UmwG als auch das MgFSG in der finalen Fassung enthalten mitbestimmungsrechtlichen „Sprengstoff“.

Änderungen des Gesellschaftsrechts

Die Richtlinie (EU) 2019/2121 (UmwandlungsRL) zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (GesellschaftsrechtsRL) in Bezug auf grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen ist am 1. Januar 2020 in Kraft getreten und musste bis zum 31. Januar 2023 in deutsches Recht umgesetzt werden. Diese Frist wurde durch den deutschen Gesetzgeber leicht überschritten. Am 20. Januar 2023 beschloss der Bundestag das Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Gesetze (UmRUG). In seiner Sitzung vom 10. Februar 2023 gab auch der Bundesrat grünes Licht. Am 1. März 2023 ist es nun in Kraft getreten. Einen umfassenden Überblick über die Änderungen des Umwandlungsgesetzes gibt unser Client Alert zum Umwandlungsrecht vom 24. Januar 2023.

Änderungen des Mitbestimmungsrechts

Ohne Verzögerung sind hingegen am 31. Januar 2023 das Gesetz zur Umsetzung der Bestimmungen der Umwandlungsrichtlinie über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitenden Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen (MgFSG) und eine geänderte Fassung des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung (MgVG) in Kraft getreten. Das Verfahren nach dem MgFSG orientiert sich hierbei im Wesentlichen an den Regelungen des MgVG, welches sich wiederum am SE-Beteiligungsgesetz (SEBG) orientiert.

Die verabschiedete Fassung des MgFSG und des geänderten MgVG sind abgesehen von wenigen redaktionellen Änderungen im Kern identisch mit dem Inhalt des Referentenentwurfs (zu diesem bereites unser Blog vom 1. Juli 2022). Insbesondere hat sich der Anwendungsbereich des MgFSG bzw. MgVG nicht verändert. Die Gesetze finden bei sog. „Hereinumwandlungen“ Anwendung. Damit bleibt es dabei, dass das MgFSG und das MgVG aufgrund des vergleichsweise hohen Mitbestimmungsniveaus in Deutschland praktisch nur in wenigen Fällen bedeutsam werden. Auch sieht die endgültige Fassung weiter die sog. 4/5-Regelung vor, nach der ein Beteiligungsverfahren durchzuführen ist, sofern die betroffene(n) Gesellschaft(en) bereits mitbestimmt war(en) oder eine Arbeitnehmerzahl aufweisen, die einen Wert von 4/5 der Schwellenwerte der nach dem Recht des Ursprungsstaates – bzw. im Falle einer grenzüberschreitenden Verschmelzung des Wegzugs- oder des Zielstaates – maßgeblichen Gesetze erreichte.

Diese relevanten materiellen Änderungen, welche sich im Vergleich zum Referentenentwurf ergeben, stellen im Gesamtgefüge des Europäischen Mitbestimmungsrechts in mehrfacher Hinsicht Neuland dar.

Die Verfahrensvorschriften über den Ablauf des Beteiligungsverfahrens sind weitgehend identisch mit denen in §§ 4-20 SEBG:

Das Beteiligungsverfahren nach MgFSG und MgVG beginnt jeweils mit der Wahl eines besonderen Verhandlungsgremiums (BVG), § 6 MgFSG und § 6 MgVG.  Dieses führt auf Arbeitnehmerseite die Verhandlungen mit der Leitung der Gesellschaft(en), mit dem Ziel, eine Vereinbarung über die Mitbestimmung abzuschließen. Die Bildung des BVG wird durch eine schriftliche Aufforderung der Leitung der Gesellschaft(en) eingeleitet.

Mussten nach dem Referentenentwurf nur die Arbeitnehmervertretungen und Sprecherausschüsse durch die Leitung der Gesellschaft zur Bildung des besonderen Verhandlungsgremiums informiert werden, hat sich die Informationspflicht (§ 6 Abs. 2 MgFSG) auch auf die in inländischen Betrieben vertretenen Gewerkschaften ausgeweitet. Sollte also die Leitung wissen, dass eine Gewerkschaft in den inländischen Betrieben vertreten ist, hat sie auch diese zu unterrichten. Verstöße hiergegen können mit einem Bußgeld in Höhe von bis zu EUR 20.000 geahndet werden (§ 39 MgFSG). Unklar ist, wie mit dem Fall umzugehen ist, in denen sich die Leitung nicht sicher ist, ob eine Gewerkschaft im Inland vertreten ist. Sich bei den Arbeitnehmern nach ihrer Gewerkschaftszugehörigkeit zu erkundigen, dürfte angesichts des hohen Stellenwerts von Art. 9 Abs. 3 GG auch unter Hinweis auf § 6 Abs. 2 MgFSG kaum in Betracht kommen. Im Zweifel sollten alle potentiell im Betrieb vertretene Gewerkschaften informiert werden. Da eine Ordnungswidrigkeit aber vorsätzliches Handeln voraussetzt, scheidet nach unserer Auffassung eine Ordnungswidrigkeit aus, wenn der Leitung die Gewerkschaftszugehörigkeit der Arbeitnehmer des Betriebs nicht bekannt ist.

In einem Punkt ist das MgFSG enger an das SEBG als an das MgVG angelehnt: Bei grenzüberschreitendem Formwechsel und grenzüberschreitender Spaltung können das BVG und die Leitung eine Vereinbarung nur unter der Beachtung des Bestandsschutzes nach § 24 Abs. 2 MgFSG aushandeln. Die Vereinbarung muss gewährleisten, dass für alle Komponenten der Mitbestimmung zumindest das gleiche Ausmaß gewährleistet wird, das in der formwechselnden oder der sich spaltenden Gesellschaft besteht. Die Regelung zum grenzüberschreitenden Formwechsel und zur grenzüberschreitenden Spaltung orientiert sich am Fall der SE-Gründung durch Umwandlung (vgl. § 21 Abs. 6 SEBG) und sieht vor, dass abweichende Regelungen unwirksam sind. Anders als bei der SE sind Gegenstand der Vereinbarung nach dem MgFSG ausschließlich Regelungen zur Mitbestimmung der Arbeitnehmer in der hervorgehenden Gesellschaft und nicht die Regeln der betrieblichen Mitbestimmung über einen SE-Betriebsrat oder einem alternativen Unterrichtungs- und Anhörungsverfahren nach § 21 Abs. 2 SEBG. Das MgVG kennt hingegen eine solche Einschränkung nicht. Hier ist eine Absenkung der Mitbestimmung mit Zustimmung des BVG möglich.

Wichtigste Neuerung: Ausgeweitete Missbrauchskontrolle(n)

Juristisches Neuland hat der deutsche Gesetzgeber in mehrfacher Hinsicht im Bereich der Missbrauchskontrolle betreten.

Beim Punkt Missbrauchskontrolle müssen zunächst zwei Konstellationen voneinander unterschieden werden, in denen jeweils andere Regelungen Anwendung finden: Die „Herausumwandlung“, also eine Umwandlung einer beteiligten Gesellschaft deutschen Rechts in eine Zielgesellschaft ausländischen Rechts und die „Hereinumwandlung“, der Fall, dass Deutschland der Zielstaat ist.

Missbrauchskontrolle bei Herausumwandlung

Für die Herausumwandlung sind zunächst die Umsetzungsvorschriften von Art. 86l, 133, 160l UmwandlungsRL des ausländischen Zielstaates maßgeblich. Ebenfalls findet im Rahmen der sogenannten Vorabbescheinigung des deutschen Registergerichts eine Missbrauchskontrolle statt. Die finale Fassung des UmwG enthält in Abweichung vom Referentenentwurf und auch zum Regierungsentwurf (!) in § 316 Abs. 3 (i.V.m. § 329 S. 1) UmwG und § 343 Abs. 3 UmwG folgende Regelung:

In dem [grenzüberschreitenden Verschmelzungs-/Spaltungs-/Formwechselverfahren] muss das Gericht bei Vorliegen von Anhaltspunkten prüfen, ob [die/der grenzüberschreitenden Verschmelzung/Spaltung/Formwechsel] zu missbräuchlichen […] Zwecken, die dazu führen oder führen sollen, sich Unionsrecht oder nationalem Recht zu entziehen oder es zu umgehen, […] vorgenommen werden soll. Liegen solche Zwecke vor, so lehnt es die Eintragung gemäß Absatz 1 ab. Ist es für die Prüfung notwendig, zusätzliche Informationen zu berücksichtigen oder zusätzliche Ermittlungen durchzuführen, so kann die in Absatz 1 Satz 1 vorgesehene Frist um höchstens drei Monate verlängert werden.

Anhaltspunkte im Sinne von Satz 1 liegen insbesondere vor, wenn

1. ein gemäß […] der Richtlinie (EU) 2017/1132 durchzuführendes Verhandlungsverfahren erst auf Aufforderung des Gerichts eingeleitet worden ist;

2. die Zahl der Arbeitnehmer mindestens vier Fünftel des für die Unternehmensmitbestimmung maßgeblichen Schwellenwerts beträgt, im Zielland keine Wertschöpfung erbracht wird und der Verwaltungssitz in Deutschland verbleibt;

3. die Gesellschaft nach [der/m grenzüberschreitenden Verschmelzung/Spaltung/Formwechsel] Schuldnerin von Betriebsrenten oder -anwartschaften ist und kein anderweitiges operatives Geschäft hat.

Der jeweilige Satz 4 Nr. 1 dürfte vor dem Hintergrund von Erwägungsgrund Nr. 36 unionsrechtlich unproblematisch sein. Auch der jeweilige Satz 4 Nr. 3 dürfte von der Richtlinie, konkret durch Erwägungsgrund Nr. 24, gedeckt sein. Die Regelung in Satz 4 Nr. 2 stellt hingegen keine Umsetzung der Richtlinie dar. Diese enthält keine entsprechende „Indizienregelung“ für die in Satz 4 Nr. 2 vorgesehenen Kriterien. Der „große Wurf“ des nationalen Gesetzgebers erscheint mit Blick auf die Rechtfertigungsanforderungen an einen entsprechenden Eingriff in die Niederlassungsfreiheit äußerst bedenklich. Insbesondere bleibt völlig unberücksichtigt, dass bereits im Zuzugsstaat eine Missbrauchskontrolle nach den dort maßgeblichen Umsetzungsvorschriften der Richtlinie erfolgt. Es erscheint nur folgerichtig, dass der Unionsgesetzgeber die nun vom deutschen Gesetzgeber verwendeten Kriterien in seine – äußerst lang ausfallenden – Aufzählung in Erwägungsgrund Nr. 36 der UmwandlungsRL nicht aufgenommen hat.

Missbrauchskontrolle bei Hineinumwandlung

Auch für die Hineinumwandlung hält die finale Fassung des nationalen Umsetzungsgesetzes eine Überraschung bereit. Diese betrifft – kurioserweise – jedoch ausschließlich die grenzüberschreitende Spaltung und den grenzüberschreitenden Formwechsel. Der für die Spaltung relevante § 36 MgFSG lautet:

§ 36 Missbrauchsverbot

Ein grenzüberschreitendes Vorhaben darf nicht dazu missbraucht werden, Arbeitnehmern Mitbestimmungsrechte zu entziehen oder vorzuenthalten. Missbrauch liegt insbesondere vor, wenn innerhalb von vier Jahren ab Wirksamwerden des grenzüberschreitenden Vorhabens strukturelle Änderungen erfolgen, die bewirken, dass ein Schwellenwert der Mitbestimmungsgesetze im Sitzstaat überschritten wird oder sonst Arbeitnehmern Mitbestimmungsrechte vorenthalten oder entzogen werden. Bei einem Verstoß gegen das Missbrauchsverbot sind Verhandlungen über die Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer entsprechend den §§ 6 bis 24 zu führen. Wird in diesen Verhandlungen keine Einigung erzielt, sind die §§ 25 bis 30 über die Mitbestimmung kraft Gesetzes entsprechend anzuwenden.

Zunächst: Das MgVG enthält ebenso wenig wie das SEBG eine vergleichbare Vorschrift, welche auf das Überschreiten eines Schwellenwerts der Mitbestimmungsgesetze im Sitzstaat abstellt. Sie enthalten aber Vorschriften, die der Vermeidung der missbräuchlichen Verwendung entsprechender Vorhaben dienen.

Das SEBG sieht in § 18 Abs. 3 SEBG vor, dass im Falle geplanter „struktureller Änderungen“, die „geeignet sind, Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer zu mindern“, Neuverhandlungen stattfinden und im Falle des Scheiterns dieser Verhandlungen die Auffangregelungen der §§ 22 ff. SEBG und §§ 34 ff. SEBG Anwendung finden. Zudem enthält das SEBG in § 43 ebenfalls ein Missbrauchsverbot. Die Vermutung eines Missbrauchs ist aber nur für die Fälle vorgesehen, „wenn ohne Durchführung eines Verfahrens nach § 18 Abs. 3 innerhalb eines Jahres nach Gründung der SE strukturelle Änderungen stattfinden, die bewirken, dass den Arbeitnehmern Beteiligungsrechte vorenthalten oder entzogen werden“. Eine Bezugnahme auf die Schwellenwerte der nationalen Mitbestimmungsgesetze ist (weiterhin) nicht enthalten. Wichtig zu erwähnen ist hierbei jedoch, dass ein Verstoß gegen § 43 SEBG – anders als ein Verstoß gegen § 36 MgFSG – ein Vergehen darstellt, das mit Freiheitsstrafte von bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe bestraft werden kann, § 45 Abs. 1 Nr. 2 SEBG.

Das MgVG enthält wie erwähnt überhaupt kein allgemeines Missbrauchsverbot, sondern in Umsetzung der UmwandlungsRL seit dem 31. Januar 2023 lediglich die zwei speziellen Missbrauchstatbestände der §§ 30, 30a MgVG. § 30 MgVG sieht ein erneutes Beteiligungsverfahren für den Fall vor, dass innerhalb von vier Jahren nach der grenzüberschreitenden Umwandlung eine innerstaatliche Umwandlung erfolgt. § 30a MgVG ordnet zudem an, dass im Falle einer nachfolgenden grenzüberschreitenden Umwandlung ebenfalls erneut ein Beteiligungsverfahren nach der Maßgabe der Vorschriften des Zielstaates durchzuführen ist. Bei nachfolgenden grenzüberschreitenden Umwandlungen ist das Beteiligungsverfahren also auch dann durchzuführen, wenn diese erst nach dem Ablauf von vier Jahren nach der ersten grenzüberschreitenden Umwandlung erfolgt.

Das MgFSG enthält in §§ 32, 33 MgFSG vergleichbare Vorschriften zu §§ 30, 30a MgVG. Umso mehr stellt sich daher der Frage, warum es bei grenzüberschreitenden Hereinformwechseln/-spaltungen eines weiteren Schutzes bedarf und wo der Anwendungsbereich des § 36 MgFSG liegen soll. Sofern die Tatbestände der §§ 32, 33 MgFSG einschlägig sind, dürfte § 36 MgFSG als allgemeineres Missbrauchsverbot hinter diesen zurücktreten. Der Begriff der strukturellen Änderung ist jedoch weiter als der einer nachfolgenden innerstaatlichen Umwandlung i.S.d. § 32 MgFSG (dieser umfasst die Verschmelzung durch Aufnahme, Spaltung zur Aufnahme, Spaltung zur Neugründung und Formwechsel). § 36 MgFSG soll hingegen bei jeder strukturellen Änderung, d.h. jedem sogenannten korporativen Akt innerhalb von vier Jahren nach dem Wirksamwerden des grenzüberschreitenden Vorhabens Anwendung finden. Zudem geht § 36 MgFSG in einem anderen Punkt deutlich über §§ 32, 33 MgFSG hinaus. So wird ein erneutes Beteiligungsverfahren nicht nur dann ausgelöst, wenn die strukturelle Änderung geeignet ist, Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer zu mindern (diesen Umfang hat § 18 Abs. 3 SEBG), Arbeitnehmern also hypothetisch nach der strukturellen Änderung weniger Rechte zustehen könnten als vorher. Vielmehr sieht § 36 MgFSG nun auch dann eine Beteiligungsverfahren vor, falls die strukturelle Änderung bewirkt, dass „ein Schwellenwert der Mitbestimmungsgesetze im Sitzstaat überschritten wird“. Im Ergebnis bedeutet dies eine deutliche Absenkung im Vergleich zur 4/5-Regelung. Wird beispielsweise auf eine im Wege des grenzüberschreitenden Hereinformwechsels geschaffene deutsche GmbH mit 265 Arbeitnehmern eine andere deutsche GmbH mit 236 Arbeitnehmern verschmolzen, wäre der nationale Schwellenwert des § 1 DrittelbG von in der Regel >500 Arbeitnehmern überschritten. Nach § 22 MgFSG – sowie den abschließenden (!) unionsrechtlichen Vorgaben des Art. 86l Abs. 7 i.V.m. Abs. 2 – wäre in dieser Konstellation hingegen nicht erneut ein Beteiligungsverfahren durchzuführen, da die 4/5 Schwelle (also >400 Arbeitnehmer) bei keiner Gesellschaft erreicht würde.

§ 36 MgFSG dürfte nicht unionsrechtskonform sein. Schließlich fehlt es in der UmwandlungsRL und auch der ursprünglichen GesellschaftsRL an jeglicher Erwähnung struktureller Änderungen, die Ausgangspunkt einer entsprechenden Regelung bilden könnten. Im Fall von § 18 Abs. 3 SEBG war dies Erwägungsgrund Nr. 18 der SE-BeteiligungsRL 2001/86/EG.

Eine Nachverhandlungspflicht bei nachträglichem Erreichen mitbestimmungsrelevanter Schwellenwerte könnte beispielsweise im Rahmen einer EU-Rahmenrichtlinie, die europaweite Mindeststandards für die Unternehmensmitbestimmung bei grenzüberschreitender Umwandlung und in europäischen Gesellschaften vorsieht, geregelt werden. Nach Art. 4 Umwandlungsrichtlinie muss die EU-Kommission im Rahmen der Evaluation der Richtlinie bis 2027 zu solchen Mindeststandards Stellung nehmen.

Allein zur Klarstellung sei aber auch in diesem Kontext erwähnt: An der Rechtslage, dass allein das Überschreiten der nationalen Schwellenwerte kein erneutes Verhandlungsverfahren auslöst, ändert sich nichts. Auch die derzeitige Bundesregierung teilt diese Auffassung. So hatte die Bundesregierung auf die Stellungnahme des Bundesrates vom 16. September 2022, in der bemängelt wurde, „das Regelungsgefüge enthalte keinen hinreichenden Mechanismus, um dem ‚Einfrieren von Mitbestimmung‘ angemessen zu begegnen“, wie folgt reagiert (vgl. BT-Drs. 20/3817, S. 67):

Die Problematik des ‚Einfrierens der Mitbestimmung‘, die der Prüfbitte zugrunde liegt, hat der EU-Gesetzgeber durch eine Ausweitung der Verhandlungspflicht vor Erreichen der Schwellenwerte des Wegzugsstaates im Ansatz erkannt, aber nicht hinreichend gelöst. Im Einklang mit den Vorgaben der Umwandlungsrichtlinie sehen § 5 Nr. 1 des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung (MgVG – neu) und § 5 Nr. 1 MgFSG den Verhandlungsmechanismus auch in solchen Konstellationen vor, in denen eine beteiligte Gesellschaft in den sechs Monaten vor der Offenlegung des Umwandlungsplans eine durchschnittliche Zahl von Arbeitnehmern beschäftigt hat, die wenigstens vier Fünfteln eines Schwellenwerts im Mitbestimmungsrecht des Wegzugstaates entspricht (‚Vier-Fünftel-Regelung‘).

Mitbestimmungsregelungen in der aus grenzüberschreitender Umwandlung hervorgehenden Gesellschaft gelten nach der Richtlinie grundsätzlich dauerhaft, sowohl im Fall der Mitbestimmung kraft Vereinbarung, als auch im Fall der Mitbestimmung kraft Gesetzes. Nachverhandlungen sind gesetzlich nur bei nachfolgenden Umwandlungen (§§ 32, 33 MgFSG) und im Missbrauchsfall (§ 36 MgFSG) vorgesehen. Verhandlungen bei nachträglichem Überschreiten der nationalen Schwellenwerte des Wegzugsstaates sind nach den Vorgaben der Umwandlungsrichtlinie hingegen nicht vorgesehen.

Im Ergebnis kann die vom Bundesrat beschriebene Problematik des ‚Einfriereffekts‘ rechtssicher nur durch einen europäischen Rechtsakt gelöst werden. Dies könnte im Rahmen einer sog. EU-Rahmenrichtlinie, die europaweite Mindeststandards für die Unternehmensmitbestimmung bei grenzüberschreitender Umwandlung und in europäischen Gesellschaften vorsieht, geregelt werden. Nach Art. 4 Umwandlungsrichtlinie muss die EU-Kommission im Rahmen der Evaluation der Richtlinie bis 2027 zu solchen Mindeststandards Stellung nehmen.

Es bleibt abzuwarten, ob der nicht vor dem Jahr 2027 zu erwartende Bericht der Kommission tatsächlich entsprechende Maßnahmen vorsieht oder ob die Kommission anderweitig tätig wird. Die Antwort der Bundesregierung liest sich jedenfalls nicht so, als wolle man sich auf europäischer Ebene selbst verstärkt für eine „Weiterentwicklung der Unternehmensmitbestimmung“ und einer „Mitbestimmungsvermeidung beim Zuwachs von SE-Gesellschaften“ einsetzen (so der Wortlaut des Koalitionsvertrags).

 

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