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Arbeitsrechtliche Herausforderungen bei Arbeitnehmerbefragungen im Rahmen von internen Untersuchungen

Interne Untersuchungen sind ein unverzichtbares Instrument zur gründlichen und zügigen Aufklärung von Compliance-Verstößen und anderem Fehlverhalten im Unternehmen. 

Im Zentrum interner Untersuchungen steht dabei die Befragung von Arbeitnehmern1. Allerdings fehlt es an spezialgesetzlichen Rahmenbedingungen hierfür. Die letzten Kodifizierungsbestrebungen durch das Verbandssanktionengesetz sind im Gesetzgebungsprozess gescheitert. Umso schwieriger ist es für Arbeitgeber, arbeitsrechtliche „Fallstricke“ zu vermeiden. Dieser Beitrag soll einen Überblick ermöglichen. 

 

Pflicht zur Teilnahme und Auskunft

Arbeitnehmer trifft grundsätzlich eine arbeitsvertragliche Pflicht zur Teilnahme an einer internen Untersuchung und zur wahrheitsgemäßen Beantwortung von Fragen. Die Auskunftspflicht folgt dabei aus §§ 675, 666 BGB, arbeitsrechtlichen Nebenpflichten (§ 241 Abs. 2 BGB) und dem Weisungsrecht des Arbeitgebers. Eine Verweigerung der Teilnahme oder die Abgabe falscher Auskünfte kann arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen und im Einzelfall sogar eine Kündigung rechtfertigen.

Es ist jedoch zu beachten, dass Arbeitnehmer in vielen Konstellationen Gefahr laufen, sich selbst zu belasten und mithin ein gesteigertes Interesse daran haben, die Aussage unter Verweis auf die Selbstbelastungsfreiheit zu verweigern. Ob Arbeitnehmern tatsächlich ein Recht zur Aussageverweigerung zusteht, ist bisher nicht höchstrichterlich geklärt. Maßgeblich sind insofern die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Frage, ob die wahrheitsgemäße Beantwortung der Fragen eine übermäßige Belastung für die Arbeitnehmer darstellt. Teilweise gehen Arbeitsgerichte vor diesem Hintergrund davon aus, dass Arbeitnehmer nicht verpflichtet sind, Fragen zu beantworten, die sie strafrechtlich belasten könnten.

Erfolgt keine Belehrung über das Aussageverweigerungsrecht durch den Arbeitgeber, sind die durch Arbeitnehmer gemachten Angaben – etwa in einem sich anschließenden Kündigungsschutzprozess – grundsätzlich nicht verwertbar. Für die Praxis ist mithin eine entsprechende Belehrung durch Arbeitgeber dringend zu empfehlen. In einer solchen Belehrung sollten Arbeitnehmer vor ihrer Befragung darauf hingewiesen werden, dass ihre Auskünfte in einem Straf- oder arbeitsgerichtlichen Verfahren gegen sie verwendet werden können und sie die Auskunft auf solche Fragen, deren Beantwortung sie selbst oder ihre Angehörigen gefährden würde wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden, verweigern dürfen. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Aussagen im Rahmen der Arbeitnehmerbefragungen auch später arbeitsgerichtsfest verwertbar sind.

Um sicherzustellen, dass Arbeitnehmer sich später nicht von den getätigten Aussagen distanzieren können, ist es in der Praxis üblich, ein Protokoll über die Befragung anzufertigen und von den Arbeitnehmern gegenzeichnen zu lassen. Auch empfiehlt es sich, Befragungen stets mindestens zu zweit durchzuführen, um einfacher den Inhalt der Gespräche beweisen zu können.

Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats

Sofern ein Betriebsrat im betroffenen Betrieb besteht, sind bei der Durchführung der Arbeitnehmerbefragung im Rahmen von internen Untersuchungen auch etwaige Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu beachten. Zwar besteht kein allgemeines Beteiligungsrecht des Betriebsrats bei internen Untersuchungen, allerdings kommen in Einzelfall verschiedene Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats in Betracht:

§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG eröffnet ein Mitbestimmungsrecht bei der "Festlegung von Ordnung und Verhalten im Betrieb". Hierzu zählt in der Regel auch die Befragungen von Arbeitnehmern im Zusammenhang mit Compliance-Verstößen und anderem Fehlverhalten. Etwas Anderes gilt lediglich dann, wenn der aufzuklärende Sachverhalt allein das Arbeitsverhalten der Arbeitnehmer betrifft und keinen kollektiven Bezug aufweist. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn nur einzelne Arbeitnehmer gezielt angesprochen und zur Auskunft aufgefordert werden.

Sofern bei der Erfassung oder Auswertung von arbeitnehmerseitigen Informationen technische Einrichtungen verwendet werden, die arbeitnehmerbezogene Daten verarbeiten, ist an ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG zu denken. In diesem Fall muss der Arbeitgeber den Betriebsrat rechtzeitig und umfassend über den Einsatz der Software informieren und mit ihm über die Modalitäten der Datenerfassung und -verarbeitung verhandeln. Zudem muss der Datenschutz der betroffenen Arbeitnehmer gewahrt bleiben und die erfassten Daten dürfen nicht in unzulässiger Weise verwendet werden.

Wenn die Befragung einer Vielzahl von Arbeitnehmern im Rahmen der internen Untersuchung mittels des Einsatzes standardisierter Fragebögen durchgeführt werden soll, kommt zudem ein Mitbestimmungsrecht nach § 94 Abs. 1 BetrVG in Betracht. Ein Mitbestimmungsrecht entsteht jedoch nur dann, wenn in den Fragebögen auch Informationen über persönliche Verhältnisse, Kenntnisse und Fertigkeiten der Arbeitnehmer erhoben werden.

Hinzuziehung von Dritten zur Arbeitnehmerbefragung

Von Seiten der Arbeitnehmer wird vielfach der Wunsch geäußert, einen Rechtsanwalt oder ein Betriebsratsmitglied zu ihrer Befragung hinzuzuziehen. Grundsätzlich handelt es sich bei Arbeitnehmerbefragungen um Personalgespräche, die höchstpersönlich wahrzunehmen sind. Der streng personenbezogene Charakter des Arbeitsverhältnisses verbietet dementsprechend grundsätzlich die Anwesenheit betriebsfremder Personen gegen den Willen des Arbeitgebers. Arbeitnehmer können daher in der Regel weder die Anwesenheit ihres Anwalts noch eines sonstigen Interessenvertreters verlangen. Etwas Anderes kann dann gelten, wenn zusätzlich eine Verdachtskündigung im Raum steht. Je nach Einzelfall ist aber das Beisein eines Betriebsratsmitglieds oder Rechtsbeistands hilfreich, um eine Kooperation der Arbeitnehmer zu erreichen. In der Praxis ist es zumeist üblich, die Teilnahme zu gestatten.

Besondere Herausforderungen bei Remote Investigations im Mobile Office

Die weite Verbreitung von Mobile Work hat auch Auswirkungen auf interne Untersuchungen. Sog. „Remote Investigations“ stellen Arbeitgeber nicht nur vor erhebliche datenschutzrechtliche Herausforderungen, die aus dem Umgang mit vertraulichen Daten im Mobile Office entstehen. Auch in arbeitsrechtlicher Hinsicht stellen sich im Zusammenhang mit der Sicherung von Beweismitteln und der Befragung der Arbeitnehmer „aus der Ferne“ neue Problemstellungen.

Wenn ein Arbeitgeber Unterlagen und Dokumente, die sich im Home oder Mobile Office der Arbeitnehmer befinden, anfordert, drängen sich zunächst praktische Probleme auf: Selbst wenn der Arbeitgeber das Recht hat, diese Unterlagen anzufordern, ist die tatsächliche Umsetzung einer Herausgabe erschwert. Der Arbeitgeber wird in der Regel nicht genau wissen, welche Unterlagen sich beim Arbeitnehmer befinden. Eine gerichtliche Durchsetzung der Herausgabepflicht wird dann erheblich erschwert, wenn der Arbeitgeber die herauszugebenden Unterlagen nicht hinreichend konkretisieren kann. Dieses Problem stellt sich besonders, wenn Arbeitnehmer private Geräte zur Arbeit nutzen. Schon deshalb sollte sichergestellt werden, dass zu Arbeitszwecken ausschließlich Firmengeräte genutzt werden und diese nicht zugleich privat verwendet werden.

Einer Durchsuchung des Home Office wird regelmäßig das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 GG entgegenstehen, sodass nur in Ausnahmefällen eine Durchsuchung der Wohnung möglich sein wird.

Bei Remote Investigations wird oftmals für Zwecke der Befragung der Arbeitnehmer auf Audio- bzw. Videokonferenzen zurückgegriffen. Dies birgt Risiken: So hat der Arbeitgeber keinen Einblick, welche weiteren Personen „mithören“ oder ob eine versteckte Aufzeichnung erfolgt. Es kann daher bei besonders sensiblen Themen ratsam sein, Arbeitnehmer persönlich im Betrieb zu befragen und nicht via Telefon, Zoom, WebEx, Teams, etc.

Drohende Konsequenzen bei Verstößen gegen arbeitsrechtliche Vorgaben

Arbeitgeber müssen sicherstellen, dass bei der Durchführung von Arbeitnehmerbefragungen im Rahmen von internen Untersuchungen alle arbeitsrechtlichen Vorgaben eingehalten werden. Bei Verstößen können Arbeitnehmern Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche zustehen. Arbeitgeber müssen zudem damit rechnen, dass die Ergebnisse einer internen Untersuchung in einem späteren Kündigungsschutzprozess vor Gericht nicht verwertbar sind, wenn diese nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde.

Fazit

Das Fehlen spezialgesetzlicher Rahmenbedingungen für Arbeitnehmerbefragungen im Rahmen von internen Untersuchungen stellt Arbeitgeber vor Herausforderungen.

Die arbeitsrechtlichen Fragestellungen, die bei solchen Untersuchungen aufgeworfen werden, sind vielfältiger Natur und sollten bei der Planung und Durchführung zwingend beachtet werden. Insbesondere müssen Arbeitgeber sicherstellen, dass die Aussagen der Arbeitnehmer später gerichtsfest verwertbar sind.

Zu bedenken sind auch etwaige Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats. Eine Betriebsvereinbarung kann helfen, innerbetriebliche Spannungen zu vermeiden, den Datenschutz zu wahren und die Zusammenarbeit mit den betroffenen Arbeitnehmern zu fördern.

Besondere Herausforderungen ergeben sich bei Remote Investigations in Bezug auf die Herausgabe von Dokumenten und bei virtuellen Befragungen. Hier ist Arbeitgebern anzuraten, sorgfältig zu prüfen, ob wegen der Dringlichkeit der Angelegenheit tatsächlich keine persönliche Befragung der Arbeitnehmer in Betracht kommt. 

Fußnoten

1Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird durchgehend das generische Maskulinum verwendet; es werden jedoch ausdrücklich alle Geschlechteridentitäten hiervon erfasst.

 

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