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Änderungen des Teilzeit- und Befristungsgesetzes

Die durch die Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1152 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union (im Folgenden „Richtlinie“) eingetretenen umfassenden Änderungen des Nachweisgesetzes wurden bereits vielfach diskutiert. Durch die Umsetzung sind jedoch auch größere und kleinere Änderungen in anderen Gesetzen, wie beispielsweise im Teilzeit- und Befristungsgesetz, im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, im Berufsbildungsgesetz oder in der Gewerbeordnung umgesetzt worden, welche bislang weniger stark in der öffentlichen Diskussion stehen. Der Beitrag beschäftigt sich mit den Änderungen im Teilzeit- und Befristungsgesetz (im Folgenden „TzBfG“).

Arbeit auf Abruf

Die Unterrichtung über die Arbeitszeit bei atypischen Arbeitsverhältnissen – insbesondere bei Arbeit auf Abruf – war wesentlicher Anlass für die Verabschiedung der Richtlinie.

Referenzrahmen

Die neue Regelung in § 12 Abs. 3 S. 1 TzBfG sieht vor, dass der Arbeitgeber nun verpflichtet ist, „den Zeitrahmen, bestimmt durch Referenzstunden und Referenztage, festzulegen, in dem auf seine Aufforderung hin Arbeit stattfinden kann.“ Eine Festlegung des Referenzrahmens auf die gesamte betriebsübliche Arbeitszeit dürfte dabei wohl unwirksam sein. Das bedeutet für Arbeitgeber, dass diese eine Einschränkung, etwa auf „Montag bis Donnerstag von 9 bis 15 Uhr“ vorzunehmen haben. Daneben sieht die neue Regelung in § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 9c NachwG ergänzend vor, dass der Referenzrahmen auch zu den Arbeitnehmenden mitzuteilenden wesentlichen Vertragsbedingungen gehört. Umstritten ist an dieser Stelle, ob die Festlegung des Referenzrahmens zum einseitigen Bestimmungsrecht des Arbeitgebers gehört (§ 106 GewO) oder ob es eine Vertragsbedingung ist, die nur übereinstimmend im Arbeitsvertrag geregelt werden kann. Betrachtet man sich den Regelungszweck des neuen § 12 Abs. 3 S. 1 TzBfG, wonach Arbeitnehmenden u.a. mehr Planungssicherheit im atypischen Arbeitsverhältnis eingeräumt werden soll, spricht vieles dafür, dass der Referenzrahmen im gegenseitigen Einverständnis festgelegt werden muss. Andernfalls würde dies dazu führen, dass der Arbeitgeber den Referenzrahmen einseitig jederzeit wieder ändern könnte und Arbeitnehmende nie wüssten, wann mit einem Abruf zu rechnen ist. Dies würde dann für Arbeitnehmende keinerlei zusätzliche Sicherheit im Vergleich zur alten Gesetzessituation bieten.

Rechtsfolge einer entsprechenden Festlegung des Referenzrahmens ist, dass Arbeitnehmende nur während dieses Zeitraums zur Arbeitsleistung verpflichtet sind. Oder anders formuliert: Bei einem Abruf außerhalb des festgelegten Referenzrahmens können Arbeitnehmende die Arbeitsleistung berechtigter Weise verweigern; erhalten dann jedoch auch keine Vergütung. Die Regelung in § 12 Abs. 3 S. 1 TzBfG gilt ohne Übergangsregelung auch für Altverträge, so dass bei diesen zwingend eine nachträgliche Vereinbarung des Referenzrahmens erfolgen sollte.

Mindestdeputat

Daneben sieht § 2 Abs. 2 S. 2 Nr. 9b NachwG vor, dass Arbeitnehmenden die Zahl der mindestens zu vergütenden Arbeitsstunden (in Schriftform) mitzuteilen ist. Auch vor der Gesetzesänderung musste die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit bereits gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 TzBfG festgelegt werden. Andernfalls galt auch bisher nach S. 3 eine wöchentliche Arbeitszeit von 20 Stunden als vereinbart. Nun stellt sich die Frage, welche Rechtsfolge eintritt, wenn zwar eine wöchentliche Mindestarbeitszeit vereinbart wurde, diese Arbeitnehmenden jedoch nicht ordnungsgemäß im Sinne § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 9b NachwG mitgeteilt wurde (also z.B. nur per E-Mail statt – wie erforderlich – schriftlich). Hier spricht einiges dafür, dass in diesem Fall zugunsten der Arbeitnehmenden eine widerlegbare Vermutung besteht, dass 20 Stunden als vereinbart gelten. Denn nach Art. 15 Abs. 1a) der Richtlinie haben die Mitgliedsstaaten sicherzustellen, dass für Arbeitnehmende bei unzureichender Dokumentation die günstigere Regelung greift. Zudem ist die deutsche Rechtsprechung auch bisher davon ausgegangen, dass eine Umkehr der Darlegungslast hin zum Arbeitgeber erfolgt, wenn dieser behauptet, es sei etwas anderes als im Nachweis angegeben vereinbart worden.

Übernahmegesuche

Neu hinzugekommen sind auch die Regelungen in §§ 7 Abs. 3 und 18 Abs. 2 TzBfG. Diese sehen für in Teilzeit oder befristet beschäftigte Arbeitnehmende die Möglichkeit eines „Übernahmegesuchs“ auf eine Vollzeitstelle bzw. eine unbefristete Beschäftigung vor. Arbeitnehmende, die bereits 6 Monate beschäftigt sind, können dem Arbeitgeber einen entsprechenden Wunsch in Textform mitteilen. Der Arbeitgeber hat in der Folge einen Monat Zeit, den Arbeitnehmenden eine begründete Antwort in Textform mitzuteilen. Das Gesetz knüpft jedoch keine konkrete Rechtsfolge an einen Verstoß gegen die Vorschriften. Es wird bei Nichteinhaltung durch den Arbeitgeber weder ein entsprechendes Arbeitsverhältnis fingiert (wie etwa bei § 8 Abs. 5 TzBfG) noch stellt der Verstoß eine Ordnungswidrigkeit dar. Denkbar ist, dass Arbeitnehmenden ggf. ein Schadensersatzanspruch zustehen könnte. In der Praxis dürfte es Arbeitnehmenden jedoch kaum gelingen, einen entsprechenden Schaden nachzuweisen.

Eine ähnliche Regelung eines Übernahmegesuches hat der Gesetzgeber auch im AÜG ergänzt. Nach dem neu eingeführten § 13a Abs. 2 AÜG können Leiharbeitnehmende, die bereits 6 Monate bei demselben Entleiher beschäftigt sind, diesem in Textform mitteilen, dass sie in ein festes Arbeitsverhältnis übernommen werden wollen. Der Entleiher hat dann einen Monat Zeit hierauf zu reagieren. Auch hier knüpft das Gesetz jedoch keine konkreten Rechtsfolgen an eine fehlende Reaktion.

Verhältnismäßige Probezeit

Basierend auf Art. 8 Abs. 2 S. 1 der Richtlinie wurde der neue § 15 Abs. 3 TzBfG eingeführt, nach welchem eine vereinbarte Probezeit im befristeten Arbeitsverhältnis nun „im Verhältnis zu der erwarteten Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit stehen“ muss.

Dauer der Probezeit

Die Dauer der Probezeit muss mithin nun in einem angemessenen Verhältnis zur Länge des Arbeitsverhältnisses sowie zum Inhalt der Tätigkeit stehen und darf (weiterhin) maximal 6 Monate betragen. Ist die Probezeitdauer unverhältnismäßig lang, führt dies zur Unwirksamkeit der Probezeitvereinbarung, d.h. zur Nichtanwendbarkeit der verkürzten Kündigungsfristen in § 622 Abs. 3 BGB. Wie die zulässige Länge der Probezeit ermittelt werden soll, bleibt jedoch völlig offen. Sicher sein dürfte lediglich, dass pauschale Vereinbarung von 6 Monaten Probezeit ein hohes Risiko der Unwirksamkeit bergen. Weder der Wortlaut des neuen Gesetzes noch die Gesetzesbegründung lassen allerdings erkennen, bei welchem Zeitrahmen noch von einer Verhältnismäßigkeit im gesetzlichen Sinne auszugehen ist, so dass für die Praxis eine erhebliche Unsicherheit besteht. Die Gesetzesbegründung beschränkt sich darauf, die Rechtsfolgen der unverhältnismäßigen Dauer darzulegen. Belastbare Rechtsprechung zur Verhältnismäßigkeit liegt aufgrund der Aktualität der Änderungen bislang noch nicht vor. Gleiches gilt im Hinblick auf die Berücksichtigung der „Art der Tätigkeit“. Auch hier finden sich in der Gesetzesbegründung keinerlei Erläuterungen.

Der Erwägungsgrund 28 der Richtlinie spricht davon, dass die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen müssen, dass bei Probezeiten bei befristeten Arbeitsverhältnissen mit einer Dauer von weniger als zwölf Monaten, die Probezeitdauer angemessen ist und im Verhältnis zur erwarteten Dauer des Vertrags und der Art der Tätigkeit steht. Dies lässt zunächst den Rückschluss zu, dass für alle Arbeitsverhältnisse mit einer Dauer von mehr als 12 Monaten, die bisherige Grenze von 6 Monaten für die Probezeit weiterhin angemessen ist. Im Gesetzeswortlaut der Richtlinie und auch in § 15 Abs. 3 TzBfG findet sich diese Einschränkung jedoch nicht, was eindeutig gegen eine entsprechende Einschränkung spricht. Das Europäische Parlament hatte in dem Änderungsantrag 91 im Jahr 2018 zudem vorgeschlagen, für die Berechnung 25% der Laufzeit als Richtwert bis zu einer Befristung von 12 Monaten zugrunde zu legen. Umgesetzt wurde dieser Änderungsvorschlag jedoch nicht.

Es scheint insofern empfehlenswert, bei allen Befristungen, auch über 12 Monate hinaus, eine entsprechende Beschränkung der Probezeit vorzunehmen. Dabei erscheint es insgesamt sachgerecht, von einer Quotelung von ¼ beim Verhältnis Dauer der Probezeit zur Dauer des Arbeitsverhältnisses auszugehen. Unter Umständen halten wir auch eine Quotelung von bis zu 1/3 noch für vertretbar. Aus praktischer Sicht ist eine starre Quotelung jedoch problematisch, da es bei bestimmten Befristungsdauern zu Probezeiten käme, die sich nicht mehr in Monaten ausdrücken ließen. So würde dies etwa bei einer Befristung von 6 Monaten und einer Quotelung von 1/4 zu dem „krummen“ Ergebnis einer Probezeit von 1,5 Monaten führen. Hier empfiehlt es sich, in diesen Fällen eine Angabe in Wochen zu machen, zur Sicherheit abgerundet. 1,5 Monate entsprächen dann 6 Wochen Probezeit.

Keine Richtwerte gibt es dagegen dafür, wie die Art der Tätigkeit die verhältnismäßige Probezeit bestimmen soll. Auch die Erwägungsgründe schweigen hierzu. Gesichert dürfte wohl sein, dass eine leichte Tätigkeit mit wenig Verantwortung eine kürzere Probezeit bedingen kann. Dagegen dürften Tätigkeiten, die einer komplexen Einarbeitung bedürfen, auch eine längere Probezeit rechtfertigen können. Das bedeutet im Ergebnis, je einfacher die Tätigkeiten, desto kürzer muss die Probezeit ausfallen. Kombiniert man dies mit dem zur Quotelung soeben Gesagten, so ist eine Vereinbarung einer Probezeit von 1/3 desto mehr vertretbar, je komplexer eine entsprechende Einarbeitung ist.

Aufgrund der bestehenden Unsicherheit im Gesetz erhöht sich jedoch das Risiko der Unwirksamkeit mit jeder Erhöhung der Quotelung. Rechtssicherheit dürfte für Arbeitgeber erst bei einer entsprechenden Auslegung der neuen Regelung durch die Rechtsprechung zu erwarten sein.

Exkurs: Kombination von § 15 Abs. 3 TzBfG mit § 622 Abs. 5 BGB bei Aushilfen

Erwähnenswert ist an dieser Stelle das Zusammenspiel von § 622 Abs. 3 BGB i.V.m. § 15 Abs. 3 TzBfG und § 622 Abs. 5 Nr. 1 BGB in Aushilfs-Arbeitsverhältnissen und deren Kombinierbarkeit.

§ 622 Abs. 5 Nr. 1 BGB regelt, dass die gesetzliche Kündigungsfrist im Rahmen eines Aushilfs-Arbeitsverhältnisses während der ersten drei Monate verkürzt werden kann. Eine Mindestkündigungsfrist ist gesetzlich hier nicht vorgeschrieben, es kann z.B. auch eine ordentliche fristlose Kündigung vereinbart werden. § 622 Abs. 5 Nr. 1 BGB gilt nicht nur für Aushilfs-Arbeitsverhältnisse, die auf maximal 3 Monate befristet sind, sondern auch für solche, die für eine längere Zeit eingegangen werden. Lediglich die verkürzte Kündigungsfrist kann nur während der ersten 3 Monate vereinbart werden.

§ 622 Abs. 3 BGB ermöglicht die Vereinbarung einer 2-wöchigen Kündigungsfrist für max. die ersten 6 Monate bei allen Arbeitsverhältnissen.

Die Normen haben damit unterschiedliche Voraussetzungen und Rechtsfolgen (nur in Aushilfs-Arbeitsverhältnissen/bei allen Arbeitsverhältnissen, für max. die ersten 3/6 Monate, auch ohne Frist/min. 2 Wochen Kündigungsfrist):

§ 15 Abs. 3 TzBfG enthält eine Sonderregelung für die Vereinbarung der Probezeit nach § 622 Abs. 3 BGB bei befristeten Arbeitsverhältnissen. Einen Einfluss auf die Regelung der verkürzten Kündigungsfrist in § 622 Abs. 5 hat die neue Regelung in § 15 Abs. 3 TzBfG dagegen nicht.

Eine Kombination der Regelungen soll an folgendem Beispiel veranschaulicht werden:

Arbeitnehmender A wird als Aushilfe befristet für 18 Monate als Elternzeitvertretung eingestellt. Es wird eine Probezeit von 4 Monaten vereinbart, während derer das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von 2 Wochen kündbar ist. Bei einer Probezeit von 4 Monaten dürfte auch der Angemessenheitspflicht nach § 15 Abs. 3 TzBfG entsprochen sein. Nach dem Ende der Probezeit gilt die gesetzliche Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 1 bzw. 2 BGB. Während der ersten 2 Monate wird nun gleichzeitig eine verkürzte Kündigungsfrist von 1 Woche vereinbart. 

Damit ergeben sich folgende Kündigungsfristen:

Bestand des Arbeitsverhältnis Länge der Kündigungsfrist
< 2 Monate 1 Woche
≥ 2 Monate < 4 Monate 2 Wochen
≥ 4 Monate 4 Wochen

Da eine solche Kombination aus § 622 Abs. 5 Nr. 1 BGB und § 622 Abs. 3 BGB i.V.m. § 15 Abs. 3 TzBfG in der Praxis aber wohl eher unüblich ist, ist hierbei sehr genau darauf zu achten, dass eine entsprechende Regelung im Arbeitsvertrag klar und verständlich (Stichwort Transparenzgebot) erfolgt.

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